TSV 1860 München: Der Jahn zieht die Löwen Richtung Abstiegszone – Sport

Die Löwen hatten sich entschieden, erst am Sonntag in die Oberpfalz zu fahren; es wurde eine trübe Angelegenheit. Je weiter der Mannschaftsbus fuhr, umso düsterer wurde es, und als dann in einem gefühlten Abendspiel um 16.30 Uhr der Anpfiff ertönte, schwebten auch im Stadion Nebelschwaden herum. Zum letzten (und bislang einzigen) Mal auswärts ein Drittligaspiel gewonnen hatte 1860 München Ende August in Aachen (2:0), bei 23 Grad und gelegentlichem Sonnenschein. Und eigentlich hatten alle gedacht, dass die Mannschaft von Markus Kauczinski in Regensburg ein akustisches Heimspiel feiern könnte, doch es kam ganz anders. So schüchtern wie an diesem 14. Spieltag hatte man Sechzig lange nicht gesehen, so dominant hatte man umgekehrt auch Jahn Regensburg lange nicht gesehen.

Im Juli hatte Sechzig, damals in beeindruckender Frühform, das letzte Testspiel vor dem Saisonstart in Regensburg 4:0 gewonnen. Die Rollen waren am Sonntagabend endgültig getauscht, als der eingewechselte Philipp Müller den 4:0-Endstand erzielte (86.), und das war dann mehr als eine Revanche für eine Klatsche in der Vorbereitung, es war eine Demütigung. „Ich bin fassungslos. Das war ein Totalabsturz, wir sind überhaupt nicht reingekommen, Jahn Regensburg war in allen Belangen überlegen“, sagte Sechzigs Trainer Markus Kauczinski bei Magentasport. Er habe ein Kampfspiel angekündigt, „das haben wir aber nicht angenommen“. Warum, das vermochte auch der Trainer nach dem Spiel nicht zu sagen. Nach der Niederlage beim nun direkten Konkurrenten hat 1860 plötzlich nur noch zwei Zähler Abstand auf die Abstiegsplätze.

Schon nach knapp zwei Minuten hatte Regensburgs Benedikt Bauer den ersten Torschuss abgegeben, fortan kamen die Sechziger über weite Strecken gar nicht mehr aus ihrer Hälfte heraus. Kauczinski hatte vor dem Spiel die Präzision seiner Spieler beim letzten und vorletzten Pass vor dem Torabschluss kritisiert; genau dies war die Stärke der Gastgeber in diesem Spiel, immer wieder kamen die Jahn-Spieler auch auf engem Raum in gute Position. Völlig frei zum Schuss kam hingegen erneut Bauer nach einem Pass in den Rückraum aus 16 Metern, er traf die Querlatte (10.). Mit zunehmender Spieldauer kam Sechzig zwar zu Konterchancen, spielte diese aber meist schlampig aus (19., 27.). Die Jahn-Führung nach 32 Minuten war hochverdient: Eingeleitet mit einem schönen Chip-Ball von Sebastian Stolze kam Lucas Hermes an den Ball, machte noch einen Haken und schob ein.

Überraschender Besuch war auf der Haupttribüne zu sehen. Dort unterhielt sich der ehemalige 1860-Vizepräsident Hans Sitzberger mit ehemaligen 1860-Geschäftsführern: Marc-Nicolai Pfeifer (Rot-Weiss Essen) und dem erst kürzlich freigestellten Christian Werner. Und das in Zeiten, in denen Regensburg einen neuen Geschäftsführer sucht. Wenige Meter weiter rechts saß Regensburgs Trainer Michael Wimmer, der wegen einer roten Karte im dramatischen 3:4 bei Erzgebirge Aue gesperrt war. Immer wieder rief der Coach Kommentare ins Feld, zum Beispiel „Gelb-rot, Schiri!“ – damit war Kevin Volland gemeint, der zwar nicht Gelb-rot sah, aber von Kauczinski zur Pause ausgewechselt wurde.

Regensburg bekommt einen Elfmeter – „den ersten der Saison!“, wie Trainer Wimmer anmerkt

Nach dem Seitenwechsel verdichtete sich der Nebel aufgrund eines beachtlichen Regensburger Pyrotechnik-Einsatzes; als es fünf Minuten später weiterging, wurde es dann aber auch für Wimmer deutlich spannender. Gerade hatten die Sechzig-Fans das rituelle „Mit Leib und Seele“ in der 60. Minute angestimmt, da setzte Sigurd Haugen einen Kopfball an die Latte, der eingewechselte Niederlechner versenkte den Ball auch nicht. Kurzzeitig waren die Sechziger am Drücker, sie ließen sich aber offenbar von den Gegenstößen des Jahn beeindrucken und verfielen bald wieder in Lethargie.

In der 75. Minute stand der 19-jährige Verteidiger Leopold Wurm nach einem Eckball völlig unbedrängt am hinteren Pfosten und drückte den Ball über die Linie. Die Kopfballverlängerung hatte Eric Hottmann gegeben, der vier Minuten später auch noch im Zweikampf mit Sean Dulic einen Elfmeter herausholte – „den ersten der Saison!“, wie Wimmer anmerkte. Noel Eichinger verwandelte sicher. Immerhin stehen die Chancen der Löwen, das nächste Auswärtsspiel zu gewinnen, etwas höher: Am Mittwoch tritt Sechzig beim Regionalligisten TSV Aubstadt zum Toto-Pokal-Viertelfinale an, dann wartet eine Länderspielpause.

Unter der Woche war Tunay Deniz operiert worden, mutmaßlich nach einem Kreuzbandriss. Trainer Kauczinski hatte eingeräumt, dass man über eine Nachverpflichtung für den Langzeitverletzten nachdenke. Deniz gilt als wichtiger Kreativspieler, sein monatelanger Ausfall trifft die Löwen aber doppelt hart, denn der 31-Jährige war im Spiel gegen Energie Cottbus vor allem wegen seiner kämpferischen Leistung aufgefallen. Den Fans hatte Deniz aus dem Krankenbett mit erhobenem Daumen über die Sozialen Medien mitgeteilt: „Jetzt heißt es fokussieren, arbeiten und stärker zurückkommen (…) Bis bald auf dem Platz!“ Alle Anhänger der Sechziger dürften ihn und seine Einstellung am Sonntag schmerzlich vermisst haben.