Trump verlässt G7-Gipfel vorzeitig

Bevor die Nachricht in den kanadischen Rocky Mountains einschlug, hatte Donald Trump schon über seine Plattform „Truth Social“ eine Botschaft verbreitet, die wie eine Drohung klang: Iran hätte den Deal unterschreiben sollen, wie er es gesagt habe, schrieb er am Montagnachmittag. Es sei ganz einfach: Iran könne keine Atomwaffen haben. Er habe das immer wieder gesagt. Sodann: „Alle sollten sofort Teheran verlassen!“

Dann ging es Schlag auf Schlag: Seine Sprecherin Karoline Leavitte teilte auf der Plattform X mit, dass Trump zwar einen großartigen Tag beim G-7-Gipfel in Kananaskis gehabt habe. Doch wegen der Ereignisse im Nahen Osten werde er das Treffen nach dem Dinner mit den anderen Staats- und Regierungschefs verlassen.

Kurz darauf erschien Trump mit den anderen G-7-Mitgliedern beim Familienfoto der Gruppe. Ein Journalist fragte nach den Gründen für die Abreise: „Ich muss zurück, sehr wichtig“. Um klarzustellen, dass seine Entscheidung nicht mit den Beratungen im G-7-Kreis zu tun hat, fügte er hinzu: Er wolle dem „großartigen Gastgeber“ Kanada danken, „aber Sie sehen wahrscheinlich, was ich sehe, und ich muss so schnell zurück sein, wie ich kann“. Über den Gipfel sagte er noch: „Ich habe es geliebt. Und ich denke, wir haben viel erledigt bekommen.“ Er sprach von einer „wirklich guten Beziehung“ mit den anderen Teilnehmern. „Ich wünschte, ich könnte für morgen bleiben, aber sie verstehen das. Gastgeber Mark Carney bestätigte: Er habe vollstes Verständnis für die Entscheidung. Trump wiederum schloss damit, dass er noch mit seinen „wundervollen“ Kollegen zu Abend essen und dann ins Flugzeug steigen werde. Beim Dinner sollte es um geopolitische Themen gehen.

Ein neuer Krieg?

War Trumps Aufruf, alle mögen Teheran verlassen, die Ankündigung eines militärischen Eingreifens Amerikas, obwohl Trump eigentlich nicht zur Kriegspartei werden wollte? Oder erhöht der Präsident nur den Druck auf Teheran, doch noch dem vorgelegten Deal, also letztendlich dem Verzicht auf die Anreicherung von Uran, zuzustimmen?

Auszuschließen war das nicht. Das Pentagon wies darauf hin, dass die amerikanischen Streitkräfte in der Region in Verteidigungsstellung verblieben. Zudem berichtete das Portal Axios, dass das Weiße Haus mit Iran über die Möglichkeit rede, dass der Sondergesandte Steve Witkoff noch in dieser Woche mit dem iranischen Außenminister Abbas Araghchi zusammentrifft. Trumps Botschaft: Ihr werdet so oder so eure Anreicherungsfähigkeit verlieren. Wäre es auf dem Verhandlungsweg nicht besser?  

Zwei Umstände, die amerikanische Diplomaten beschäftigten, sprechen indes für ein anderes Szenario: Zum einen war man im Westen über die Stärke des ballistischen Raketenprogramms Irans überrascht – in Israel im Übrigen auch. Zum anderen fällt nach vier Tagen der Kampfhandlungen die Schadensbeurteilung nicht so gut aus, wie die israelische Seite anfänglich vorgab. Zwar konnte man die iranische Flugabwehr weitgehend ausschalten, doch mit Blick auf das Kernstück des Nuklearprogramms des Regimes, die Anreicherungsanlage in Fordow, bleibt man auf bunkerbrechende Bomben angewiesen, über welche die Amerikaner verfügen. Zudem gibt es offenbar die Sorge, dass das Regime in Teheran, das ums eigene Überleben kämpft, sich entschließen könnte, die weltwirtschaftlich wichtige Straße von Hormus zu schließen. Trump jedenfalls will sein Sicherheitsteam im Weißen Haus versammeln.

Gemeinsame Erklärung zu Iran

Während die Staats- und Regierungschefs am Montagabend beim Essen zusammensaßen, wurde dem Vernehmen nach auch darüber beraten, ob es vor Trumps Abreise doch noch eine gemeinsame Erklärung der G 7 zum Nahen Osten geben sollte. Ein Signal der Geschlossenheit wurde allseits als ratsam betrachtet. Das folgte sodann:  Man forderte eine „Deeskalation“ im Konflikt zwischen Israel und Iran. Zudem: Eine Lösung der Iran-Krise müsse „zu einer Deeskalation der Feindseligkeiten im Nahen Osten führen, einschließlich eines Waffenstillstands im Gazastreifen“.

Für die übrigen Länder war die Nachricht von Trumps vorzeitiger Abreise am frühen Montagabend überraschend gekommen. Über die Hintergründe konnten auch sie zunächst nur mutmaßen, es überwog jedoch Verständnis für seinen Schritt. Von einem Vorwand Trumps, um den G-7-Gipfel verlassen zu können, ging man nicht aus – was für sich genommen schon als positiv gewertet wurde. Anders als 2018, als Trump die Abschlusserklärung des damaligen Gipfels aus Unmut über eine Äußerung des damaligen kanadischen Ministerpräsidenten Justin Trudeau nachträglich aufgekündigt hatte, wird die Ursache für die Planänderung diesmal nicht in den G 7 an sich gesehen, sondern tatsächlich im Nahostkonflikt. Regierungssprecher Stefan Kornelius teilte nach dem Dinner mit: Die Bundesregierung habe Verständnis für die vorzeitige Abreise Trumps. Man habe sich über die Lage im Nahen Osten ausgetauscht und teile „die Erwartung, dass der Konflikt einem schnellen politischen Ende zugeführt werden“ müsse.

Merz trifft Trump

Am Montagmorgen hatten sich Friedrich Merz und Trump noch vor der ersten offiziellen Arbeitssitzung des Gipfels zu einem sogenannten „pull-away“ – einem Gespräch am Rande des offiziellen Programms – getroffen. Rund zwanzig Minuten soll es gedauert haben. Von deutscher Seite wurden sowohl dieses Gespräch als auch die ersten Arbeitssitzungen zu den Wirtschaftsfragen als ausgesprochen harmonisch beschrieben. Mit Blick auf den Nahen Osten hieß es, man wolle gemeinsam nach „Wegen aus der Eskalation“ suchen. Aus der amerikanischen Delegation waren zu diesem Zeitpunkt offenbar noch keine Hinweise gekommen, dass sich der Gipfelablauf derart ändern könnte. 

Die Entscheidung muss relativ schnell getroffen worden sein. Sie ist für Trump mit großen Risiken verbunden – militärischen und politischen. Trump fürchtet das, was die Amerikaner „mission creep“ nennen, die schleichende Verwicklung in einen Konflikt, den man nicht wollte. Der Präsident stand selbstredend bereit, Amerikas wichtigstem Verbündeten in der Region bei der Luftabwehr zu helfen. Eine direkte Verwicklung in die Kampfhandlungen aber wollte Trump vermeiden. Er drohte diese nur für den Fall an, dass Iran amerikanische Stützpunkte ins Visier nähme.

Das hat auch innenpolitische Gründe: Trump hat jahrelang mit der Botschaft Wahlkampf gemacht, er beende Kriege – er fange keine an. Seine MAGA-Bewegung ist stark isolationistisch geprägt. Der immer noch einflussreiche Journalist Tucker Carlson, der einst bei „Fox News“ gefeuert wurde, sagte jetzt in einem Podcast, wenn Trump sich in den Krieg hineinziehen lasse, bedeute das faktisch das Ende einer Ära. Der Oberbefehlshaber reagierte in Kanada säuerlich: Er wisse nicht, was Carlson sage. Dieser möge sich einen Fernsehsender suchen, damit er wieder über ein Publikum verfüge. Später fügte er hinzu: „America first“ bedeute vieles, auch dass Iran keine Atomwaffen haben dürfe