Trump und Tech-Chefs: Abteilung Attacke! – Wirtschaft

Sollte nochmal jemand fragen, warum die Chefs der Tech-Giganten Amazon, Apple, Google, Meta, Nvidia und Uber jeweils eine Million Dollar für die Amtseinführung von Donald Trump gespendet haben, sich derzeit mit gesellschaftspolitischen Äußerungen zurückhalten und der Welt ausnahmsweise nicht mitteilen, wie sehr sie diese Welt mit ihren Produkten verbessern: genau deshalb.

„Schauen Sie“, sagte Karoline Leavitt, die weniger Pressesprecherin als eher Abteilung Attacke von US-Präsident Donald Trump ist, am Dienstag im Weißen Haus: „Ich werde mich nicht zur Beziehung des Präsidenten mit Jeff Bezos äußern – was ich aber sagen werde: Das ist eine feindselige und politische Aktion von Amazon.“ Sie hielt den Ausdruck eines Artikels der Nachrichtenagentur Reuters aus dem Jahr 2021 hoch, der davon handelt, dass Amazon negative Kunden-Bewertungen aus China über eine Rede- und Text-Sammlung des chinesischen Präsidenten Xi Jinping auf Druck aus Peking entfernt habe; und sagte: „Das ist keine Überraschung; Reuters hat kürzlich geschrieben: ‚Amazon ist eine Partnerschaft mit dem Propaganda-Arm Chinas eingegangen.‘“

Rrrrumms! So schnell geht das, wenn die Trump-Regierung glaubt, dass jemand was tut, das sie bloßstellen könnte. Der, wie es hieß, extrem verärgerte Trump – CNN zitierte einen Trump-Mitarbeiter, der den Gemütszustand des Präsidenten als „angepisst“ beschrieb – rief sofort bei Amazon-Gründer Bezos an, und später sprach der Präsident über dieses Telefonat wie ein Lehrer, der einen Schüler wegen eines Fehlers habe rügen müssen: „Jeff Bezos war sehr nett; er war großartig. Er hat das Problem sehr schnell gelöst und das Richtige getan. Er ist ein guter Typ.“

Was Amazon eigenen Angaben zufolge getan hatte: nichts.

Das politische Portal Punchbowl (Punchbowl ist der Spitzname des Secret Service fürs Kapitol in Washington DC) hatte berichtet, dass Amazon ausweisen wolle, welchen Anteil die Zollpolitik von Trump auf mögliche Preissteigerungen habe. Der chinesische Konkurrent Temu, der bislang ein Schlupfloch in der Gesetzgebung genutzt und Waren im Wert von weniger als 800 Dollar zollfrei aus China direkt an Kunden in den USA geschickt hatte, tut dies bereits: Es weist so genannte „Import Charges“ aus, also die zusätzlichen Kosten für die Kunden wegen Trumps Maßnahmen. Die Trump-Regierung hatte zusätzlich zu den Zöllen die so genannte „De-Minimis-Ausnahme“ für beendet erklärt.

Der Bericht sorgte für große Aufregung, weil die Trump-Regierung seit Wochen versucht, die Zölle als zusätzliche Milliarden-Dollar-Einnahmequelle für die USA zu verkaufen – bezahlt von den jeweils mit Zöllen belegten Ländern. Der wirtschaftswissenschaftliche Konsens dagegen ist, dass Amerikaner mehr werden bezahlen müssen; ein Schwarz-auf-Weiß-Beleg von Amazon dafür würde den Furor auf die Zick-Zack-Zollpolitik Trumps sicherlich nicht lindern – im Gegenteil. Also: Abteilung Attacke!

Nur: Amazon hatte eigenen Angaben zufolge nichts dergleichen geplant. Das Team der Billigsparte Amazon Haul, das direkt mit Temu konkurriert, habe über die Maßnahme als Reaktion auf die von Temu nachgedacht, hieß es in einem Statement des Konzerns nach der Attacke von Leavitt. „Unsere Teams reden dauernd über Ideen“, wird Amazon-Sprecher Ty Rogers darin zitiert: „Diese wurde nie genehmigt, und es wird nicht passieren.“

Viel Lärm um nichts also?

Nun, so einfach ist es freilich nicht, und im Gegensatz zu Trumps Pressesprecherin im Dauer-Aggro-Modus sollte man vielleicht doch über die Beziehung von Trump und Bezos reden. Oder die zu Mark Zuckerberg. Oder Tim Cook. Oder Sundar Pichai.

Denn: Bezos, 61, hatte nicht nur diese eine Millionen Dollar für die Amtseinführung gespendet und mit seiner Verlobten Lauren Sanchez daran teilgenommen – die, das aber nur nebenbei, dort Zuckerberg wortwörtlich die Augen verdrehte. Vor der Wahl im November hatte er als Eigentümer der Washington Post verhindert, dass die Zeitung wie in 48 Jahren davor eine Empfehlung an die Leser ausspricht. Der Streamingservice Amazon Prime nahm mehrere Staffeln der Trump-Reality-Show „The Apprentice“ ins Programm auf und will eine 40-Millionen-Dollar-Doku über First Lady Melania Trump produzieren. Im Dezember sagte Bezos über Trump: „Ich bin zuversichtlich. Er wirkt selbstbewusster und ruhiger, und er scheint sich sehr für die Reduzierung von Regulierung einzusetzen.“

Das ist es, was die Tech-Chefs wollen, und man sollte ihr Tun immer mit Blick auf dieses Mantra beurteilen: Geschäfte machen ohne die Einmischung des Staates, Forschen ohne allzu viel Einschränkung oder bürokratische Hürden. Sie wollen: ihre Ruhe; die Zollpolitik von Trump ist ihnen natürlich ein Dorn im Auge. Was die Zuwendung zu, ja das Umschmeicheln von Trump bringt: einen direkten Draht zum Präsidenten; Apple-Chef Cook etwa soll zum Hörer gegriffen und um Ausnahmen von den Zöllen gegen China gebeten haben – was auch passierte. Trump interpretiert diese Bloß-keine-öffentliche-Kritik-Strategie freilich als Unterstützung; über Bezos zum Beispiel sagte er in einem Interview mit The Atlantic am Montag: „Er ist großartig, zu 100 Prozent auf unserer Seite.“

Das Umschmeicheln hat weniger mit Ideologie zu tun als vielmehr mit der Hauptaufgabe eines Geschäftsführers: das Unternehmen möglichst sanft durch geopolitische Gewässer und Witterungen zu steuern. Am Dienstag war unmissverständlich zu sehen, wie Trump reagiert, wenn er Widerhall auch nur vermutet: Abteilung Attacke!