
Am Verbrenner-Aus wird nicht gerüttelt. Ein ums andere Mal wiederholt Umweltminister Carsten Schneider (SPD) derzeit diese Aussage – und wirkt dabei immer einsamer. Denn führende Unionspolitiker tun das längst, allen voran der Kanzler. Seit Wochen wirbt Friedrich Merz (CDU) dafür, auch Elektroautos mit zusätzlichem Verbrennungsmotor nach 2035 in der EU weiter zuzulassen. Zuletzt klang dieses Werben eher wie eine Ansage an den Koalitionspartner. „Meine klare Vorstellung ist, dass wir dieses sogenannte Verbrennerverbot in der Form nicht aufrechterhalten“, sagte Friedrich Merz (CDU) am Montag im Gespräch mit dem Fernsehsender RTL/n-tv. Es müsse jetzt „wirklich“ Technologieoffenheit geben.
Die Zukunft des sogenannten Verbrenner-Aus ist eines der Themen, mit denen sich der Koalitionsausschuss am Mittwochabend befasst – und angesichts des am Donnerstag stattfindenden „Autogipfels“ im Kanzleramt eines der drängendsten. Im Koalitionsvertrag hatten die beiden Parteien das heikle Thema ausgespart, sich zugleich zur Elektromobilität und zur Technologieoffenheit bekannt. Was das konkret für die Zukunft des auf EU-Ebene gefassten Beschlusses heißt, von 2035 an nur noch Fahrzeuge zuzulassen, die kein CO2 ausstoßen: je nach Interpretation und Sichtweise offenkundig etwas anderes. Die Wirtschaftsverbände drängen auf Planungssicherheit, ebenfalls jeder auf seine Weise. Der Automobilverband VDA fordert eine Lockerung des Verbrenner-Aus, der Energieverband BDEW ein „klares Commitment für die Elektromobilität“.
Neue Richtung des Bürgergelds ist klar
Bis in den späten Abend könnten die um 17 Uhr beginnenden Gespräche der Koalitionsspitzen gehen, hieß es aus Parteikreisen. Ob und in welcher Form eine Einigung festgehalten wird, ist offen. Zum Thema Verbrenner-Aus könnte der Kompromiss so aussehen, dass Deutschland weiter formal an der 2035-Regelung festhält, zugleich aber in Brüssel auf eine Lockerung für Elektrofahrzeuge mit einem unterstützenden Verbrennungsmotor drängt, wenn dieser mit klimafreundlich erzeugten Kraftstoffen betankt wird, seien es (die bislang noch raren und teuren) E-Fuels oder Biokraftstoffe. Offenheit für eine solche Position hat in der SPD Niedersachsens Regierungschef Olaf Lies signalisiert, der zugleich VW-Aufsichtsrat ist. Lies hatte es im September in einem Positionspapier als „leider unrealistisch“ bezeichnet, 2035 nur noch reine Elektroautos zu verkaufen.
Ebenfalls auf der Agenda des Koalitionsausschusses steht das Bürgergeld. Über die Richtung der im Koalitionsvertrag verabredeten Reform hin zu einer „neuen Grundsicherung“ scheint es in der Regierung kaum Dissens zu geben: Wer Grundsicherung für Arbeitssuchende bezieht, soll künftig konsequenter zur Aufnahme von Arbeit angehalten werden. Unkooperative Bezieher, die Termine im Jobcenter ignorieren oder die Aufnahme von Arbeit verweigern, sollen leichter und schneller mit spürbaren Leistungskürzungen belegt werden. Die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, hat vorgeschlagen, dabei auch im Verfahren zur Verhängung von Sanktionen bürokratische Hürden für die Mitarbeiter der Jobcenter abzubauen.
Endgültige Einigung aber unwahrscheinlich
Zugleich ist vorgesehen, die Kriterien für Bedürftigkeit und damit den Zugang zur staatlichen Grundsicherung enger zu ziehen: Wer höheres Vermögen auf der hohen Kante hat, soll davon mehr aufbrauchen müssen, bevor die Sozialleistung bewilligt wird. Und wer in einer nach sozialrechtlichen Maßstäben zu großen Wohnung lebt, soll die Kosten dafür nicht mehr ohne weiteres vom Amt erstattetet bekommen. Auch dies ist im Koalitionsvertrag vorgesehen, und es hat darüber bisher keine Grundsatzdebatten zwischen Union und SPD gegeben.
Allerdings ist die Gesetzesformulierung solcher Regeländerungen technisch diffizil und löst dann in Zweifel auch noch einmal Klärungsbedarf auf der politischen Ebene aus. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will auf jeden Fall „ein handwerklich sauberes Gesetz“ auf den Weg bringen, wie er sagte. Soweit es um technische Fragen geht, spricht eher wenig dafür, dass der Koalitionsausschuss unmittelbar nach seiner Sitzung eine endgültige Einigung zum Bürgergeld verkünden kann. Jedenfalls müssen die Fachbeamten im Arbeitsministerium dann alles auch noch in den gerade entstehenden Gesetzentwurf einarbeiten. Sollte alles glatt laufen, könnte dieser aber vielleicht auch schon kommende Woche auf die Tagesordnung des Bundeskabinetts kommen.
Ringen um Finanzierungslücke im Verkehrsbereich
Und dann ist die da noch die dritte große Baustelle, der Verkehrsbereich. Trotz des 500-Milliarden-Euro-Schuldentopfs sind die Finanzsorgen noch immer groß, wenn es um den Bau neuer Autobahnen, Brücken und Schienenwege geht. In diesem Bereich klaffen weiter große Lücken, die die schwarz-rote Koalition in ihren Koalitionsausschuss schließen möchte. Nach Aufstellungen des Bundesverkehrsministeriums fehlen in den kommenden Jahren bis 2029 rund 15 Milliarden Euro, um all die baureifen Projekte realisieren zu können. Dabei geht es um die Beseitigung von Engpässen auf zentralen Autobahnen und Bundesstraßen, die zum Teil schon seit Jahrzehnten geplant werden und für die jetzt bald Baugenehmigungen vorliegen.
Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) ringen schon seit Monaten um das Geld. Während Klingbeil bisher stets auf die Rekordinvestitionen von 166 Milliarden Euro verwies, schalteten sich auch die Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Bayern, Hendrik Wüst (CDU) und Markus Söder (CSU), in die Debatte ein und forderten Nachverhandlungen.
Vor Beginn des Koalitionsausschusses deutete aber viel darauf hin, dass allenfalls zwischen den unterschiedlichen Verkehrsträgern umgeschichtet werden soll. Das könnte zulasten der Deutschen Bahn gehen, die mit der geplanten Ausstattung ab 2027 ebenfalls nicht zufrieden ist. Im Bereich der Schieneninfrastruktur soll die Lücke sogar 18 Milliarden Euro betragen. Außerdem könnte das Sondervermögen flexibler gestaltet werden. Derzeit engt es den Spielraum von Schnieder stark ein, weil es nicht für den Neubau von Projekten gedacht ist, sondern vor allem der Sanierung von Schienen und Brücken dienen soll.