
In ihrem Buch „Traumaland“ wirft Asal Dardan die unangenehme Frage auf, wie ein Staat, der sich so viel auf seine Erinnerungskultur einbildet, so anfällig sein kann für rassistische Gewalt.
Unter den vielen Missverständnissen zwischen der deutschen Gesellschaft und ihren Einwanderern ist jenes über die Erinnerungskultur wahrscheinlich am schwierigsten auszuräumen. Die Erwartung der Mehrheit ist – politisch parteiübergreifend – klar: Wer in Deutschland lebt, ganz gleich, wo seine Wurzeln liegen, muss die deutsche Geschichte kennen und Deutschlands besondere Verantwortung daraus nicht nur achten, sondern sich sogar zu eigen machen. Diese Forderung wird umso entschiedener vorgetragen, als ihr die Annahme zugrunde liegt, diese historische Verantwortung sei etwas klar Umrissenes, von politischen Dynamiken Befreites. Das ist sie natürlich nicht. Die Fixierung auf den Staat Israel als Gegenstand deutscher „Staatsräson“ ist eine Entwicklung der vergangenen 20 Jahre. Und ohne das Hamas-Massaker am 7. Oktober wäre auch der Fragenkatalog für Einwanderer womöglich anders ausgefallen. Wer Deutscher werden will, muss nun wissen, auf welcher Grundlage der Staat Israel gegründet wurde und wer Mitglied der jüdischen Maccabi-Sportvereine werden kann.