
Dafür, dass Tom Bischof erst dreieinhalb Monate beim FC Bayern München ist, weiß er schon sehr gut, welche historischen Zitate es dort zu hegen und zu pflegen gilt. Der 20 Jahre alte Mittelfeldspieler hat sich am Wochenende den vielleicht berühmtesten Satz des früheren Bayern-Torhüters Oliver Kahn ausgeliehen. „Wir brauchen Eier!“, hat Bischof gesagt. In diesem konkreten Fall meinte er damit allerdings nicht die in dieser Beziehung derzeit gut versorgte Münchner Mannschaft, sondern das U21-Nationalteam, in dem er zuvor ein missglücktes Debüt gefeiert hatte.
Mit dem Kahn’schen Kultzitat wollte Bischof seine U21-Kollegen aufrütteln beim Blick auf das nächste EM-Qualifikationsspiel an diesem Dienstag in Belfast gegen Nordirland (18.30 Uhr, Pro Sieben Maxx). Nach der 2:3-Niederlage gegen Griechenland am vergangenen Freitagabend in Jena steht die erfolgsverwöhnte deutsche U21-Auswahl nämlich plötzlich und unerwartet unter Druck.
Bevor es in Jena zu diesem Fauxpas kam, hatten die U21-Schützlinge des Trainers Antonio Di Salvo binnen zwei Jahren bloß ein einziges Spiel verloren, und das war – auch noch unglücklich 2:3 nach Verlängerung – das EM-Finale vom 28. Juni in Bratislava gegen England. Zwar wurde diese Mannschaft generationsbedingt inzwischen größtenteils durch jüngere Spieler ersetzt, aber nach einem souveränen 5:0-Sieg zum Auftakt der neuen EM-Qualifikationsphase gegen Lettland hatte mit einem solchen Rückschlag gegen Griechenland niemand gerechnet. Di Salvo wirkte leicht paralysiert, als er kurz nach dem Spiel sagte: „Jetzt dürfen wir uns keinen Ausrutscher mehr erlauben – das ist klar!“
In ihrer Sechser-Qualifikationsgruppe steht die deutsche Mannschaft nach zwei von zehn Spielen auf jenem dritten Platz, der am Ende bedeuten würde, dass Deutschland erstmals seit 2011 eine U21-EM-Endrunde verpasst. Griechenland ist mit zwei Siegen Erster, Nordirland mit vier Punkten Zweiter. Eine deutsche Niederlage auch in Belfast würde die Nervosität im Verband gewiss erhöhen, zumal es bei der U21-EM 2027 in Serbien und Albanien um die Tickets für das olympische Fußballturnier 2028 in Los Angeles geht. Wahrscheinlich aber ist, dass Di Salvos exzellent besetzte Mannschaft in den verbleibenden acht Quali-Spielen den ersten Gruppenplatz zur Direktqualifikation oder wenigstens den zweiten für die Playoffs erreicht.
Nachdem die Vorvorgänger-U21 Olympia 2024 in Paris verpasst hat, weil sie bei Di Salvos Debüt-EM 2023 in Georgien bitter enttäuschte und schon in der Gruppenphase ausschied, erscheint die Qualifikation für Los Angeles in drei Jahren nun umso wichtiger. Die Blamage gegen Griechenland war durchaus ein Dämpfer für dieses Vorhaben. Und nun spielt Tom Bischof in den olympischen Träumen Fußball-Deutschlands eine umso relevantere Rolle.
Er bestritt gegen Griechenland sein U21-Debüt, an der Seite von Hannovers Noel Aseko im defensiven Mittelfeld, und bekam sogar auf Anhieb die Kapitänsbinde. Di Salvo lobte Bischof angesichts der Niederlage, so gut es ging: „Auch wenn nicht alles funktioniert hat, hat Tom ein ordentliches Spiel gemacht; man hat seine Qualitäten sowohl in der Balleroberung als auch im Spiel nach vorne gesehen; in der zweiten Hälfte hat er angeschoben, für Stabilität gesorgt und durch seine Ecke das 2:2 vorbereitet.“
Zum Saisonstart bremste ihn eine Blinddarm-OP
Bischof war im Sommer von der TSG Hoffenheim zum FC Bayern gewechselt, musste sich kurz vor dem ersten Saisonspiel aber einer akuten Blinddarm-OP unterziehen und verpasste dadurch die ersten beiden Bundesligaspiele. Anschließend kam er dreimal kurz sowie beim 4:0 gegen Werder Bremen über die volle Distanz zum Einsatz und dufte auch in der Champions League am Ende zweimal kurz mitwirken. Trotz seiner erst 20 Jahre hat er bereits 60 Bundesliga-Einsätze absolviert, 56 davon für Hoffenheim, und ist mit solch ausgiebigen Erfahrungswerten der ideale U21-Nationalspieler.
Erstaunlicherweise war Bischof noch vor seinem ersten Einsatz in der U21 schon in Julian Nagelsmanns A-Nationalmannschaft zum Einsatz gekommen: am 8. Juni im Spiel um Platz drei gegen Frankreich in der Nations League. Dort durfte er 25 Minuten mitspielen, konnte aber die 0:2-Niederlage nicht verhindern und muss nun mit dem kleinen Makel leben, sowohl sein erstes A-Länderspiel als auch seine erste U21-Partie verloren zu haben.
Wo der in Amorbach im bayerischen Odenwald aufgewachsene Fußballer künftig häufiger spielt – bei Nagelsmann oder bei Di Salvo –, wird sich zeigen. Am Sonntag flogen beide Kader gemeinsam in einem Flugzeug nach Belfast zu ihren Qualifikationsspielen. Das symbolisiert ganz gut, dass sich einige Spieler in einer Schnittmenge beider Auswahlteams befinden.
Einer von ihnen ist auch Bischof, der sich vor dem Spiel am Dienstagabend gegen Nordirland kein bisschen ängstlich zeigt, sondern dem erhöhten Druck sogar etwas abgewinnen kann. „Vielleicht ist es sogar gut, dass wir jetzt ein bisschen Druck haben“, sagt er mit einer gewissen Vorfreude: „Damit wir von Anfang an direkt da sind, weil wir wissen: Wir müssen gewinnen!“