Tische von FORMvorRAT: Was der Frankfurter Designer Dieter de Haas anders macht

Rund oder eckig, drei Beine, vier Beine oder ein Mittelfuß. Um mehr, sagt Dieter de Haas, geht es doch nicht. Aber Tisch ist nicht gleich Tisch, die Varianten sind ungezählt. Er selbst hat einige besonders ausgefeilte beigesteuert.

„FORMvorRAT“ heißt seine Designschmiede, die ihren Sitz in einem Hinterhof im Frankfurter Stadtteil Hausen hat und die noble Möbelhändler wie Leptien3 in Frankfurt oder Gärtner in Hamburg bestückt. Und noch häufiger direkt von Innenarchitekten angefragt wird, wenn sie Tische für Hotelterrassen, Vorzeigekantinen oder Kunsthäuser suchen. In Frankfurt stehen Form-vor-Rat-Möbel beispielsweise im UBS-Tower, im Museum für Moderne Kunst oder im Restaurant Schönemanns. Ein besonderer Kunde ist BMW: Für die Autohäuser der Schwaben liefert de Haas einen eigens entworfenen runden Loungetisch, auf dem viele Kunden dann die Kaufverträge für ihre neuen Wagen unterschreiben.

Der BMW-Tisch hat, was de Haas’ Möbel ausmacht: Die Form schlicht und elegant, das Material innovativ, die Verarbeitung höchst exakt. Und – auch das gehört zum De-Haas-Design – das Produkt kompakt und ressourcenschonend verpackt. Die Tischplatte ist aus matt beschichtetem Metall. Sie fühlt sich weich an und klingt nicht, wenn man ein Glas darauf abstellt. Und doch ist die Oberfläche extrem kratzfest.

Hat sich Neugierde und Staunen bewahrt: Dieter de Haas
Hat sich Neugierde und Staunen bewahrt: Dieter de HaasAlfred Schüssler

Das Aluminium, sagt de Haas, ist mit zwei verschiedenen Schichten überzogen. Er sei mit seinem Lieferanten in Italien darauf gekommen. So entstünden seine Möbel: Der Wahl-Frankfurter, der in Fulda geboren ist, fährt mit Idee und Zeichnung zu den ihn vertrauten Möbelherstellern nach Norditalien. Er beschreibt, diskutiert, feilt gegebenenfalls selbst am Prototyp.

Das liebt er an der Zusammenarbeit mit den Herstellern zwischen Mailand, Piacenza und Verona. Sie zeigten gern, was sie können und wenn man ihre Expertise anerkenne, teilten sie ihr Knowhow gern. So entsteht ei­n nächster Tisch, der ganz einfach, aber ganz besonders ist.

Einen gibt es, dessen Platte so flexibel ist, dass er trotz Unebenheiten im Boden immer fest steht. Einen anderen, der höhenverstellbare Füße hat, die ohne den Tisch zu kippen justierbar sind. Und es gibt den allerersten, Modell Up_down. Einen runden, den man stufenlos bis zur Stehhöhe ziehen kann. Und der spielend leicht zurück zum Couchtisch schrumpft.

Selbstständigkeit statt Ruhestand

Damit hat de Haas 2005 sofort einen Designpreis gewonnen, das war der Start seines Unternehmens. Da war der kunstaffine Ingenieur, der auf Anraten seiner Eltern statt Architektur Ma­schinenbau studiert hat, schon Anfang 60 und hatte ein gutes Berufsleben als Designberater und Vertriebsmann für Möbelproduzenten aus Norditalien hinter sich. Der Austausch mit den deutschen Händlern und den italienischen Produzenten lag ihm, das war schon nah dran an seinem Traumberuf: „Ich wollte gestalten und die Dinge vor mir sehen.“

Als dann sein letzter Arbeitgeber, MDF Italia, verkauft wurde, wurde er zum Designer. De Haas gründete, entwickelte Up_down, beauftragte die vertrauten Produzenten, stellte sich den Tisch in den VW-Bus und fuhr zu „seinen Händlern“. Wieder zu Hause, hatte er die ersten 20 Exemplare verkauft.

Auf Tische hat sich de Haas spezialisiert, „weil ich Stühle nicht kann“. Nicht nur er hält sie für die eigentliche Königsdisziplin des Möbeldesigns, trotzdem überlässt er sie lieber anderen. Aber er empfiehlt gern passende Modelle zu seinen Tischen, knüpft auf Wunsch den Kontakt zu den Herstellern.

Dient auch als Werksverkauf: Showroom von FORMvorRAT an der Friedrich-Wilhelm-von-Steuben-Straße 104 in Frankfurt.
Dient auch als Werksverkauf: Showroom von FORMvorRAT an der Friedrich-Wilhelm-von-Steuben-Straße 104 in Frankfurt.Lucas Bäuml

Und so stehen im zwischen Werkstatt und Büro gelegenen Showroom an der Friedrich-Wilhelm-von-Steuben-Straße 104 nicht nur die Form-vor-Rat-Tische, sondern auch verschiedene Modelle von Stühlen. Die Ausstellung, die etliche Jahre in einem Ladenlokal an der Leipziger Straße untergebracht war, ist auch ein kleiner Werksverkauf. Wer vorbeikommt, kann Prototypen oder überzählige Exemplare, die nach Großaufträgen übrig sind, zu günstigen Preisen kaufen. De Haas hat hier noch nie etwas mit nach Hause genommen: „In meiner eigenen Wohnung habe ich nur Möbel von anderen Designern.“

Seit jener ersten Tour durch Deutschland sind die Kollektion und die Bestellmengen gewachsen. Aber dass er auch mit 82 Jahren persönlich zu den Zulieferern und Messen in Italien wie zu den deutschen Händlern fährt, ist ein Erfolgsfaktor geblieben. „Design, Vertrieb, Produktionskontrolle – ich mache alles selbst.“ Mitarbeiter hat er im Büro und in der Werkstatt. Dort werden die einzeln angelieferten Möbelteile zusammengestellt, teilweise vormontiert und verpackt.

Nicht ohne, aber mit so wenig Noppenfolie, Füllmaterial und Karton wie möglich. De Haas sagt, er wolle nicht Teil eines Systems sein, bei dem mit jedem Möbel Abfallberge mitgeliefert werden oder einzelne Tische auf sonst leeren Ladeflächen durch halb Europa gefahren werden.

Deshalb beschäftigt er einen eigenen Fahrer – auch er im Rentenalter –, der sich auf den Weg macht, wenn für eine Region mehrere Lieferungen zusammen sind. Auch so könne er eine Lieferzeit von höchsten sechs Wochen einhalten, sagt de Haas. Und wenn er zu Händlern oder von seinen Produzenten in Italien aufbricht, nimmt er stets auch selbst Ware mit.

„Die Arbeit hält mich auf dem Level 65“, sagt de Haas. Er reiste und reist für Künstler wie Jeanne-Claude und Christo um die halbe Welt, spürt in Italien die Villen des Architekten Palladio auf, verpasst keine Biennale, engagiert sich in Frankfurt für die Schirn und verfolgt, was Architekten in seiner Heimatstadt errichten. So langsam wünscht sich de Haas jemanden, dem er sein Unternehmen übergeben kann. Aber dass noch mal so einer kommt wie er, daran kann er selbst kaum glauben.