Etwas ist anders in Thüringen. Und das ist nicht nur die Tatsache, dass das Land mit Mario Voigt (CDU) einen neuen Ministerpräsidenten hat. Es ist vor allem die Ruhe, die neu ist.
Erstaunlich geschmeidig lief Voigts Wahl am Donnerstagvormittag im Erfurter Landtag. Kein Gezeter, kein Geraune, kein Gebrülle. Kein Riesendrama in Thüringen, woran man sich ja fast gewöhnt hatte in der letzten Zeit. Sondern einfach: ein Wahlsieg mit deutlicher Mehrheit in der ersten Runde.
Der Thüringer Landtag am Donnerstag, das ist fast schon ein langweiliger, ein bemerkenswert öder Ort. Und das ist für ein Landesparlament, in dem die AfD die stärkste Kraft ist und es immer wieder geschafft hat, Skandale zu produzieren, erst einmal eine, ja, beruhigende Nachricht. Oder, wie es zum Beispiel Katja Wolf, Thrüringer BSW-Chefin und designierte Finanzministerin, nach der Wahl sagte: „eine ganz große Erleichterung“.
Das Problem vor der Wahl war, dass die sogenannte Brombeerkoalition aus CDU, BSW und SPD keine eigene Mehrheit hat. Auf 44 Abgeordnete kommt das Bündnis, auf 44 Abgeordnete kommen auch Linke und AfD zusammengerechnet. Ein Patt zwischen Regierung und Opposition.
Das Bündnis hält offenbar
Viel war deshalb spekuliert worden im Vorfeld: Wie will sich Voigt für die Ministerpräsidentenwahl die Mehrheit sichern? Er brauchte die absolute Mehrheit – also mindestens 45 Stimmen – in einem der ersten beiden Wahlgänge, im dritten würde ihm die relative Mehrheit reichen. Aber was passiert, wenn die AfD gleich im ersten Wahlgang für ihn stimmt? Würde er die Wahl dann annehmen?
Die Spekulationen haben sich am Donnerstag jedoch schnell in Luft aufgelöst. Linke und CDU hatten im Vorfeld verhandelt, am Morgen verkündete die Linkspartei dann, dass einzelne Abgeordnete für Voigt stimmen würden. Er bekam im ersten Wahlgang 51 Stimmen. Und war gewählt.
Man kann aus diesem Ereignis nun ein paar Erkenntnisse ziehen, die nicht nur bedeutend für Thüringen sind. Sondern auch für den Umgang mit der AfD.
Zunächst einmal – auch das ist schon überraschend – steht in Thüringen die Brombeerkoalition. Jenes Bündnis, das mehrfach auf der Kippe stand, das von innen und außen attackiert worden war, das wacklig schien, hält offenbar zusammen.
Auf dem heutigen Tag lässt sich aufbauen
Auch hat die Linke den Ernst der Lage erkannt. Die Partei, die die vergangenen zehn Jahre mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten gestellt hat, suchte am Donnerstag nicht den Skandal, sondern die Verantwortung. Hätte sie sich nicht auf die Wahl Voigts eingelassen, die AfD hätte die Regierung vorführen können. Aber durch die Zusage, für Voigt zu stimmen, nahm die Linke der AfD diese Chance.
Ihr Fraktionschef Christian Schaft sprach von einem „Vertrauensvorschuss“ in Richtung Koalition. In Zukunft setzen sich die Brombeerparteien einmal im Monat mit der Linken zusammen, um ihre Vorhaben zu besprechen. Denn dieses Problem bleibt für Voigt: Eine Mehrheit hat er nicht. Zusätzlich zu diesen Gesprächen hat die Regierung ein sogenanntes Konsultationsverfahren angekündigt, bei dem die Linke und die AfD ihre Ansichten zu geplanten Gesetzesvorhaben mitteilen sollen. Wie genau das alles ablaufen wird, zeigen erst die nächsten Monate. Auf den heutigen Tag lässt sich aber aufbauen.
Und dann ist da noch die AfD. Erstaunlich ruhig verhielten sich deren Abgeordnete. Sie wussten, heute können sie nichts tun. Und sie taten auch nichts. Man sollte aber nicht denken, dass die AfD in Thüringen einfach außen vor ist. Sie hat mehr als ein Drittel der Sitze im Landtag. Allein ihre optische Präsenz ist groß. Aber sie besitzt auch Macht, in Form der Sperrminorität. Bei allen Entscheidungen, die eine Zweidrittelmehrheit benötigen, führt in Zukunft kein Weg an ihr vorbei.
Bei aller Ruhe heute: Von klaren Verhältnissen im Landtag kann man nicht ausgehen. Wird das Verfahren, das sich die neue Koalition ausgedacht hat, wirklich funktionieren? Werden sich die doch ziemlich unterschiedlichen Regierungsparteien zerstreiten? Und was lässt sich die AfD in den nächsten Monaten und Jahren einfallen?
Klar ist also, und das ist dann doch wie immer in Thüringen, dass noch lange nichts klar ist.