Thomas Gottschalk: Gute Besserung, uns allen

Die Gesellschaft hat im Fall von Thomas Gottschalk wieder ihre schillernde Übelkeit gezeigt. Können wir selbst unsere größten Helden nicht im Herzen halten?




126 Kommentare

Thomas Gottschalk: Da wussten die Zuschauer noch nichts von seiner Krankheit: Thomas Gottschalk in der Sendung "Der Quiz-Champion" im November.
Da wussten die Zuschauer noch nichts von seiner Krankheit: Thomas Gottschalk in der Sendung „Der Quiz-Champion“ im November.
© Foto: Max Kohr/​ZDF

Den besten Fernsehmoment
des Jahrhunderts verdanken wir Thomas Gottschalk. Und ich meine nicht Wetten, dass..?
und Paul McCartney in Böblingen. Ich meine den Moment, als im deutschen
Fernsehen die RTL-II-tiefe Bruchstelle zwischen Blödsinn und Intellekt
verschmolz. Als Marcel Reich-Ranicki, nachdem er den deutschen Fernsehpreis
abgelehnt hatte und sogar mit 3sat abrechnete („schwach“ sei das
geworden!), Thomas Gottschalk geistesgegenwärtig in die Situation sprang. Er
schwatzte den staunenden Intendanten live eine halbe Stunde Sendezeit ab und
lud Reich-Ranicki ein, mit ihm öffentlich über Unterhaltung zu diskutieren.
Sich mit Reich-Ranicki verbal zu duellieren, ist an sich zumindest ein Wagnis,
verrückter noch, dass Gottschalk in der Diskussion einen Tag später
brillierte
. Wie er mit seiner Richtung Boden strebenden Stimme, ungiftig und
gut gelaunt, von der „Arroganz der Intellektuellen“ sprach und
todesmutig Helge Schneider (Reich-Ranicki: „eine Qual!“) verteidigte.
Das Gespräch endete trotz ewiger Uneinigkeit nicht unversöhnlich, das schwere
Dilemma aus Adorno und Massenkonsum schien im warmen Schein von Gottschalks
Goldlocken plötzlich leicht, ja lustig. Es gab Reich-Ranicki, der die Leute
intelligenter machte. Und es gab Gottschalk, der die Leute glücklicher machte.
Und wenn ich eines über die Maslowsche Bedürfnispyramide der Kultur verstanden
habe, ist das, dass wir sie beide brauchen. Nur all das reicht nicht.