Theatermacher über ihr Stück: „Der oppositionelle Geist ist nach der Wende geblieben“

taz: Frau Dins, Herr Gawenda, ist das Stück „Oper Otze Axt“ eine Oper, ja oder nein?

Romy Dins: Eine sehr gute Frage, die wir an dem Abend auch auf den Prüfstein stellen.

taz: Inwiefern?

Dins: Wir arbeiten ganz klar mit klassischen Elementen der Oper: Wir haben ein ­Orchester, wir haben Opernstimmen, wir haben auch so etwas wie Arien. Aber es ist eher ein performativer Zugang. Wenn wir ein ­Orchester haben, heißt das nicht nur, dass es, wie das Opernpublikum gewohnt ist, eben ein Orchester ist, sondern es hat etwas mit Macht zu tun. Aber es gibt eben auch das Punkige, das versucht, daraus auszubrechen. Im Mittelteil verbeißen sie sich ineinander und führen einen Kampf.

taz: In „Oper Otze Axt“, das jetzt in ­Bremen auf die Bühne kommt, geht es um das ­Leben von Dieter „Otze“ Ehrlich, dem Sänger und Schlagzeuger von Schleimkeim, ­einer wichtigen Punkband der DDR. Welche Rolle spielt die deutsche Teilung eigentlich für ihr Stück?

Frithjof Gawenda: Wir denken, in diesem Sujet stecken die unbeantwortbaren Fragen oder die Antworten zu den unbeantwortbaren Fragen, die sich auch in der aktuellen politischen Situation mit den Wahlerfolgen der AfD widerspiegeln.

Romy Dins und Frithjof Gawenda

sind Teil des Kollektivs Dritte Degeneration Ost und führen bei „Oper Otze Axt“ Regie.

taz: Was hat eine Figur wie „Otze“ Ehrlich damit zu tun?

Gawenda: Ich glaube, ganz viel. Zumindest was die Transformationsdebatte angeht. Weil er zu DDR-Zeiten sehr oppositionell war und weil dieser oppositionelle Geist nach der Wende geblieben ist. Er hat seinen Vater umgebracht. Andere wählen jetzt die AfD.

taz: Wo ist da der Zusammenhang?

Gawenda: Ich glaube, der Rechtsruck im ­Osten hat auch damit zu tun, dass die Leute, die jetzt 60 sind, zu Wendezeiten Anfang 20 waren und in ihrer Jugend gelernt haben, oppositionell zu denken. Und dann haben sie gemerkt: Das Versprechen hat sich nicht eingelöst. Letztlich ist die BRD ein Verwaltungsapparat, man ist vom Staat abhängig und muss sich entsprechend verhalten.

taz: Den eigenen Vater, wie Ehrlich, mit der Axt zu erschlagen und die AfD zu wählen sind aber schon zwei sehr verschiedene Reaktionen…

Gawenda: Aber beides hat mit Wut zu tun.

taz: Die Wut im Punk ist heute auch eine etablierte Form, aber doch anders als Oper. Wie geht das zusammen?

Gawenda: Wer ein Punkkonzert sehen will, wird enttäuscht. Genau wie die, die eine durchkomponierte klassische Oper möchten. Es geht um die Elemente zueinander in diesem ­Machtkampf.

Dins: Wir haben eine Knastszene, wo es um staatliche Macht geht, und da gibt es diese Perlen der Oper, die aber auch für staatliche Unterdrückung stehen. Und es gibt kurze Punksongs. Das sind Momente, in denen „Otze“ selber entscheidet. Das ist wie eine kurze Erleichterung oder ein kurzes Anspannen, dann wird wieder ausgehandelt.

Die Oper

„Oper Otze Axt“, 4. und 5. 7. um 19.30 Uhr und am 6. 7. um 18.30 Uhr im Kleinen Haus am Theater Bremen.

taz: Sie haben „Oper Otze Axt“ schon in Gelsenkirchen und Darmstadt aufgeführt. Kommen auch Punks in die Vorstellungen?

Dins: Ja, denen hat es auch gefallen. Auch die Punksongs kamen sehr gut an, die Leute dachten sogar teilweise, es seien echte Schleimkeim-Songs, was nicht der Fall ist.

taz: Sie haben gar keine Schleimkeim-Songs?

Dins: Nein, wir haben manchmal kleine Versatzstücke aus den Texten von Schleimkeim reingeschrieben. Unser Anspruch war, dass die Punksongs aus den Momenten heraus geschrieben werden. Die Songs sind von Mathias Baresel aus unserem Kollektiv, der bei uns der „Haupt-Otze“ ist. Und das Ensemble lernt immer wieder neu an den Instrumenten. Das ist ein kleiner Zauber, der dem Unterfangen innewohnt, dass es immer wieder gelingt, das Opernensemble kurzzeitig in Punks zu verwandeln.