Der Glaube ist heutzutage vielen Menschen abhandengekommen. Als geradezu avantgardistisch darf man daher bewerten, dass die Kurator*innen des Monolog-Festivals im td nicht weiter den kritischen Klageton über den Verfall anschlagen, wie er seit Jahren zum Grundrauschen der darstellenden Künste gehört. Unter dem Motto „I want to Believe“ werden vielmehr positive Kräfte mobilisiert.
Die Energie dafür wird bei den insgesamt zehn Premieren, drei Specials und einer Keynote an ganz unterschiedlichen Orten gesucht. Mariann Yar vom Doris Crea Kollektiv etwa wurde in der Traumzone des Science Fiction-Genres fündig. „Akte Ich – Ein Alien starrt zurück“ beginnt mit der Schlussszene aus Robert Wises in der Ultrafrostphase des Kalten Kriegs gedrehten SF-Klassikers „Der Tag, an dem die Erde stillstand“.
Dort liest ein Außerirdischer der Menschheit die Leviten, versucht sie auf einen Friedensstaat mit halbautokratischen Formen einzuschwören und droht ihr bei Ausweitung der irdischen Schlachten in den Weltraum mit totaler Vernichtung. Ein aufgeblasenes grünes Alien begleitet später Yar bei ihrer Selbstbefragung nach den Kräften des Guten. Sie scheut sich nicht vor naivem Staunen, versucht über das gefühlige Akzeptieren von Anderen wie in Marke „Akte X“ hinauszugehen und lässt Wut als durchaus positive Kraft zu.
Bei den Schöpfungsmythen der Maya dockt hingegen das KMZ-Kollektiv an. Hier hält der Mais selbst einen Monolog. Die mehrheitlich aus Lateinamerika stammenden Künstler*innen (El Salvador, Mexiko, Kuba und Spanien) erinnern einerseits daran, dass die Götter laut „Popol Vuh“ den Menschen aus Maismehl erschaffen hätten und zeigen andererseits auf, wie zerstörerisch die industrielle, auf genetisch verändertem Mais beruhende Agrarwirtschaft unserer Tage so ist.
Briefe an eine Gefangene
In ihrem Stück „Popcorn“ – der fürs Kino produzierten Konsumvariante des Mais – überwiegt die dystopische Seite. Immerhin führen sie ganz charmant die Regeln des Monolog-Genres ad absurdum. Sie stehen nicht nur zu viert auf der Bühne, sondern haben gleich 578 Protagonisten mitgebracht. Das ergab jedenfalls die Zählung der Körner des Maiskolbens, der bei der Premiere ins Rampenlicht gerückt wurde.
Ganz zarte Fäden wiederum spann Markus Schäfer vom Performancekollektiv Markus & Markus zu einer Frau namens Maureen. Sie steckt in den USA im Gefängnis, ist zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt. Sie betätigt sich dort auch künstlerisch und ist über die ganz alte Kommunikationsform des Briefeschreibens mit Markus & Markus verbunden.
Ihre Geschichte tauchte bereits in der Produktion „Die Brieffreundschaft“ auf. Maureen äußerte danach den Wunsch, einmal auch das Publikum zu sehen, das mit ihrer Geschichte konfrontiert wird. Und so malt Schäfer, während er aus der Briefkorrespondenz zitiert und von ihrem besonderen Verhältnis berichtet, die Silhouetten der Zuschauer ab, wie sie bei einer Liveprojektion auf der Leinwand erscheinen. Das Bild, in DIN-A4-Segmente unterteilt, will er ihr dann ins Gefängnis schicken.
Es ist ein berührender Versuch, Distanzen zu überwinden: geografische über den Ozean hinweg, auch die Grenzen zwischen dem Innen und Außen der Knäste. Zugleich handelt es sich um ein nachdenkliches Spiel damit, dass sich Theatermachende wie -besuchende gern an literarischen Mordgestalten wie Lady Macbeth oder Medea ergötzen, mordende Lebende aber lieber gut verwahrt jenseits des eigenen Lebensumfelds wissen wollen.
Ein ganz passabler Antifaschismus
Den Auftakt des Festivals machte eine Lecture der Philosophin Eva von Redecker. Sie schreibt gegenwärtig an einem Buch über Faschismus – ein Thema, das eher nicht zum Glaubenwollen einlade, wie von Redecker selbst zugab. Sie stellte als Grundessenz des Faschismus aber heraus, auf Härte und Gewalt zu setzen, Konflikte derart zuzuspitzen, dass nur noch brutale Gewalt gegen jede und jeden, die als anders konstruiert würden, als ultimative Lösung erscheine. Sich dieser Härte entgegenzustellen, sich auch in der Gegnerschaft dazu nicht zu ihr verleiten zu lassen, könnte aus philosophischer Sicht also ein ganz passabler Antifaschismus sein.
Gut, man muss wohl glauben wollen, um guten Mutes allein auf diese Karte zu setzen. Aber das Monolog-Festival eröffnete mit seinem diesjährigen Motto hauchzart einen Handlungshorizont.
Das zweite Wochenende hält neben „Akte Ich“ unter anderem noch die Cora-Frost-Goes-Alien-Produktion „The Return of Barbarilla“ sowie „Survival of the Friendliest“ – eine Suche nach dem Guten mit einem Silberfuchs – bereit.
