Ter Stegen zurück im DFB-Tor: „Die Rückendeckung ist spektakulär“

Wenn ein Fußballprofi sich im Kreis seiner Nationalmannschaft befindet, aber trotzdem lieber über seine Situation im Verein gesprochen wird, ist das für ihn zumeist kein ganz so gutes Zeichen. Das mag bei Marc-André ter Stegen auch so sein, anmerken lässt er sich das allerdings nicht. Häufig lächelnd und äußerst entspannt tritt der deutsche Nationaltorwart dieser Tage im Camp in Herzogenaurach auf. Dabei könnte die Meldung, die aus spanischen Sportmedien nach Deutschland transportiert worden ist, durchaus verunsichern.

Nach elf Jahren soll ter Stegens Zeit beim FC Barcelona in diesem Sommer enden, heißt es. Präsident Joan Laporta erwäge einen Verkauf des Deutschen, der einen Vertrag bis Mitte 2028 besitzt. Ihn ersetzen soll der fast zehn Jahre jüngere Joan García, ein großes Talent vom Stadtrivalen Espanyol. Dass Zweifel an ter Stegen als katalanischem Zukunftsmodell aufkommen, hat auch mit seinen 33 Lebensjahren, vor allem aber mit seinem vergangenen Spieljahr zu tun.

Es waren herzzerreißende Bilder, die am 22. September 2024 aus dem Estadio de la Cerámica in der spanischen Kleinstadt Villarreal in die große Fußballwelt gesendet wurden. Ter Stegen, der langjährige Stammtorwart, sprang kurz vor der Halbzeit hoch, fing den Ball, fiel auf den Rasen – und stand nicht mehr auf. Der Schmerzensschrei ließ Mit- und Gegenspieler Schlimmes befürchten und hektisch medizinische Hilfe anfordern. Die Diagnose bestätigte den Verdacht: Riss der Patellasehne, der Verbindung zwischen rechter Kniescheibe und der Vorderseite des Schienbeins. Der Riss der kräftigsten Sehne des menschlichen Körpers nach der Achillessehne ist eine gravierende Verletzung, zumal für einen nicht mehr ganz jungen Torwart.

Die Patellasehne hält

In den Monaten danach folgte, was immer folgt, wenn ein Fußballprofi schwer verletzt ist: Es wird ruhig um ihn, während er in unzähligen Stunden in der Rehabilitation versucht, seinen Körper wiederherzustellen. Den Platz auf dem Platz übernehmen andere, manchmal auf Zeit, manchmal für immer – so läuft das Spiel. In ter Stegens Fall waren das erst Stellvertreter Iñaki Peña und später der reaktivierte Ruheständler Wojciech Szczęsny bei Hansi Flicks FC Barcelona sowie Oliver Baumann und Alexander Nübel in Julian Nagelsmanns Nationalelf.

Wieder am Ball: Ter Stegen im DFB-Training.
Wieder am Ball: Ter Stegen im DFB-Training.dpa

Dass ter Stegen schon gut sieben Monate nach dem Riss am 3. Mai wieder ein Ligaspiel des FC Barcelona bestritt, bedurfte einer enormen Heil- und Willenskraft. Flick setzte seinen Landsmann zwar von diesem Zeitpunkt an – Barça stand im Halbfinale der Champions League, gewann das Endspiel um den spanischen Pokal und kämpfte erfolgreich um den Meistertitel – nicht immer ein. Zwei Partien über 90 Minuten aber bewiesen: Die Patellasehne hält wieder, ter Stegen auch. Den äußeren Eindruck bestätigte er am Sonntag in Herzogenaurach aus der Ich-Perspektive: „Ich fühle mich sehr gut.“ Die Rückkehr zu alter physischer Stärke habe er „mehr als geschafft“.

Bundestrainer Nagelsmann beobachtete all das erfreut aus der Ferne. Sowieso war er oft mit ter Stegen wie seinem Vorgänger Flick im Austausch. Zweifel, ob eine Rückkehr für die finalen Spiele der Nations League für den Langzeitpatienten womöglich zu früh kommt und er vorerst nicht lieber auf den bewährten Stellvertreter Baumann setzen sollte, kamen Nagelsmann nicht. „Er ist in einem Alter, in dem er nicht mehr den Mega-Rhythmus braucht. Wenn er 22, 23 wäre, würde ich mir Gedanken machen.“

Kein Kontakt zu Flick

So ist ter Stegen nicht nur wieder dabei, sondern auch als Nummer eins gesetzt. „Das haben wir immer betont“, sagte Nagelsmann. „Ich habe volles Vertrauen.“ Ter Stegen weiß das „sehr zu schätzen. Diese Rückendeckung ist spektakulär für mich“, wie er am Sonntag sagte. So wird er, passiert nichts Unerwartetes, an diesem Mittwoch (21 Uhr/ZDF und DAZN) in München sein 43. und am Sonntag, im Spiel um Platz drei (15 Uhr in Stuttgart) oder im Endspiel (21 Uhr in München), sein 44. Länderspiel machen. Ob er auch beim 45. in der neuen Saison immer noch Stammtorwart in Barcelona ist, bleibt einstweilen unklar, spielt für Nagelsmann aber auch keine Rolle. „Das ist nicht meine Baustelle. Gott sei Dank. Aber mir wird nicht angst und bange. Und Marc, glaube ich, auch nicht.“

Was der am Sonntag lächelnd bestätigte. „Damit beschäftige ich mich nicht, mit mir hat auch niemand gesprochen“, sagte der Barça-Kapitän, der in den vergangenen Tagen keinen Kontakt zu Vereinstrainer Flick hatte. „Ich weiß, dass ich nächstes Jahr in Barcelona bin, und freue mich extrem auf die neue Saison, weil wir eine tolle Mannschaft haben, die jung, dynamisch, hungrig ist.“ Mögliche Konkurrenz im Tor, die seinen Status streitig machen könnte, ängstigt ihn nicht. „Solange ich meine Leistung bringe, bin ich immer geschützt gewesen in den letzten Jahren.“

Die will er nach neun Monaten Abstinenz auch wieder im Nationaltrikot zeigen. Der Kontakt zu vielen Nationalspielern riss nicht ab. „Die Jungs sind überragend, eine super Truppe, das macht es leichter, wieder reinzukommen. Wir haben Spaß.“ Den möchte sich ter Stegen nach gut zwölf Jahren hinter Manuel Neuer und fast einem Jahr im Krankenstand auf keinen Fall nehmen lassen, auch nicht von Gerüchten aus Spanien.