
Mazaher Shahamat ist Schriftsteller und lebt in Teheran. In deutscher
Übersetzung liegt in dem Sammelband „VERSschmuggel. Poesie aus dem Iran
und Deutschland“ (Wunderhorn, 2017) ein Beitrag von Shahamat vor.
Nach
Jahren und Monaten der Drohungen, Warnungen und unterschiedlichsten Analysen –
so wie es immer wahrscheinlicher wurde – hat der Krieg zwischen Israel und
Iran nun tatsächlich vor einer Woche begonnen. Ich lebe in Teheran. Es sind
schreckliche Nachrichten über Bombardierungen und Attentate aus dem ganzen Land
zu hören, ich selbst bin aber in der Hauptstadt des Iran unmittelbarer Zeuge
der Ereignisse.
Seit
Anfang des Krieges wird Teheran beinahe rund um die Uhr bombardiert. Aus allen
Richtungen der Stadt steigen Rauchsäulen und Flammen auf. Es ist, als würde
eine Melodie aus Angst, Feuer und Zerstörung ununterbrochen und taktlos auf
einem riesigen Klavier in der Form und Größe dieser Großstadt mit den Tönen einer
Katastrophe gespielt. Diese beklemmende, erschreckende Musik wird mit jeder
Stunde und jedem Tag schneller und lauter – und es scheint, als würde sie so
bald kein Ende haben.
Viele
Menschen haben Teheran aus Angst und Hoffnungslosigkeit verlassen. Nun stecken viele von ihnen im Stau auf den Ausgängen der Stadt fest. Die Regierung
hat das Benzin streng rationiert, sodass die Menschen auf der Flucht nicht nur damit kämpfen, sich mit Wasser und Lebensmitteln zu versorgen, sondern
auch mit ernsthaften Problemen bei der Weiterfahrt. Der Ansturm
der Teheraner auf die umliegenden Städte wiederum hat auch dort zu Engpässen
im täglichen Leben geführt und die allgemeine Infrastruktur dieser Orte
praktisch lahmgelegt – zumal auch diese unter Angriffen und Bombardierungen leiden. Während ich diesen Bericht
schreibe, liegt die Stadt Teheran wie in der Zeit der Corona-Pandemie da: leer,
gelähmt, still gestellt.
Das
Internet, das mit Beginn des Krieges von der Regierung extrem verlangsamt wurde,
fällt nun regelmäßig komplett aus. VPNs und andere Mittel, staatliche Kontrolle zu umgehen, funktionieren nicht mehr, der Zugang zu normalen Kommunikations-Apps
ist praktisch unmöglich geworden. Das verstärkt die Sorge der Menschen um ihre
Verwandten und Freunde anderswo, denn sie erhalten keine Informationen über deren
Verbleib.
Die
alltäglichen Dienstleistungen von staatlichen Behörden und von Banken sind entweder
völlig zum Erliegen gekommen oder stark beeinträchtigt. Der Zugang der
Bevölkerung zu ihrem eigenen Geld ist also entweder unmöglich geworden oder mit
erheblichen Störungen verbunden. Ähnlich verhält es sich mit den Bäckereien –
überall sieht man lange Schlangen. Lebensmittel, auch Medikamente für Kranke werden
nach und nach entweder knapp oder sind bereits rationiert. Das führt zu wachsender
Angst und Panik in der Bevölkerung.
Bei
den Angriffen sind von staatlicher Seite keine effektiven Schutzmaßnahmen
erkennbar. Die Menschen haben keinen Zugang zu Schutzräumen. Tatsächlich wurden in den iranischen Städten keine Bunker oder Notunterkünfte für
eine solche Lage gebaut. Die Regierung hat die Menschen jetzt dazu aufgerufen, bei
Bombardierungen in Moscheen oder Schulen Zuflucht zu suchen – die jedoch
keinerlei Sicherheit oder Schutz garantieren. Viele Menschen bleiben deshalb in
der Hoffnung, dass Israel vielleicht keine Wohngebiete angreifen wird,
weiterhin ohne jede Schutzvorkehrung in ihren Häusern oder auf den Straßen. Nachts
beobachten sie notgedrungen das Abwehrfeuer und das Vorüberfliegen der Drohnen.
Die
Regierung hat an verschiedenen Orten Teherans und entlang der Straßen
Kontroll- und Checkpoints eingerichtet, an denen Menschen und Fahrzeuge
überprüft werden. Außerdem sind Sicherheitskräfte auf wichtigen Plätzen der Stadt präsent, um mögliche Menschenansammlungen zu
überwachen.
So befindet sich Teheran in einem extremen Kriegs- und Militärzustand. Und er
verschärft sich von Stunde zu Stunde.
Deutsch
von Ali Abdollahi