Tchibo bietet Kaffeevollautomaten jetzt auch refurbished an

Die Zahl ist sehr überraschend für den Tchibo -Techniker: 15.315 Tassen Kaffee hat dieser Kaffeevollautomat schon aufgebrüht, den Ole Wachs aufgeschraubt hat. 15.315-mal wurden Kaffeebohnen gemahlen, mit dem Stempel gepresst, wurde Wasser erhitzt und durchgepresst. Der digitale Zähler ist ein­gebaut und daher unbestechlich. Teil für Teil kann der Entwicklungs- und Qua­litätsmanager beim Auseinanderbauen der Maschine zeigen, wie stark manches doch abgenutzt ist – und welche Folgen das für die täg­liche Nutzung hat. Auch für Wachs ist das interessant, denn Maschinen mit einer fünfstelligen Tassenzahl sind ihm selbst bisher noch nicht untergekommen.

Um neue Rekorde geht es nicht, sondern um die mögliche Aufarbeitung gebrauchter Maschinen. Mit „Tchibo Re­furbished“ hat der Hamburger Kaffeekonzern ein Programm gestartet, das Kaf­feevollautomaten ein zweites Leben be­scheren soll. Die Grundidee dahinter: oft wird das bisherige Modell ausgemustert, zu einem neuen Lebensabschnitt zum Beispiel, oder weil eine Barista-Maschine hersoll. Solche Maschinen sollen künftig ein zweites Leben bekommen.

Der Hamburger Kaffeeröster kauft seit Sommer ausgediente Kaffeevollautomaten an. Nach einer gründlichen Aufarbeitung und Reinigung gehen sie als „refurbished“ zu einem reduzierten Preis in den Verkauf, einschließlich zwei Jahre Garantie. Das ist für Tchibo nicht nur ein ökologisches Thema, sondern soll sogar auch rentabel sein für das Unternehmen, wie Nachhaltigkeitsmanagerin Karoline Reperich betont: „Es ist mein allergrößtes Ziel, zu beweisen, dass sich das rechnet.“

Ein Fall für Fachleute: Blick ins Innenleben einer Kaffeemaschine
Ein Fall für Fachleute: Blick ins Innenleben einer KaffeemaschineJonas Wresch

Unmöglich, die Rekordmaschine aus der Bürogemeinschaft in die Aufarbeitung für den Wiederverkauf zu geben, daran lässt Ole Wachs vom ersten Moment an keinen Zweifel. Selbst mit einigen komplett neuen Teilen ließe sich aus einer so stark genutzten Maschine kein garantiert zuverlässiges Gerät mehr machen, stellt er klar. Darüber täuschen auch ein passables Äußeres und eine neuwertige Bedienungsanleitung nicht hinweg.

Das Problem mit der „Tropfsteinhöhle“

Im Ge­genteil: Hätten die Büromenschen in Hamburg diese Anleitung gelesen oder die Reinigungsvideos auf Youtube gesehen und befolgt, wäre der Maschine womöglich ein noch viel längeres Leben beschert. Beispielsweise steht dort, dass man dann den Wassertank immer zum Befüllen herausnehmen soll, damit nichts danebengeht. Sonst könnte der Sensor fälschlicherweise annehmen, der Tank wäre noch befüllt.

Ein ganz typisches Problem ist das, bestätigt der Tchibo-Manager. Genau wie eine allzu lässige Innenreinigung. Reste des gemahlenen Kaffees setzen sich an vielen Stellen fest und wandern mit der Zeit auch an unzugängliche Stellen. „Tropfsteinhöhle“ sagt Wachs kopfschüttelnd beim Blick ins Innere der altgedienten Maschine.

Für Tchibo ist es interessant, solche Fehler zu beobachten, gerade auch von „heavy usern“, die ungewöhnlich viele Tassen aufbrühen. Dadurch könne man für die Entwicklung der nächsten Maschinengenerationen lernen, erläutert Wachs. Auftragsfertiger in Asien bauen in die Tchibo-Maschinen mittlerweile verstärkte Dichtungsringe in die Brühgruppe und massivere Zahnräder, nachdem sich diese Schwachpunkte schon bisher gezeigt haben, wenn Tchibo defekte Maschinen in die Reparatur bekam.

„Die Brühgruppe wechseln wir fast immer aus“

„Die Brühgruppe wechseln wir fast immer aus, auch das Mahlwerk und den Stempel, mit dem der Kaffee zusammengepresst wird“, berichtet Ole Wachs aus dem neuen Aufarbeitungsprogramm, für das Tchibo mit Euro-Repair-Center in Rheinland-Pfalz kooperiert. Der externe Dienstleister repariert auch Kaffeemaschinen von Saeco und Philips , dazu ein breites Sortiment von Elektrogeräten, Spielzeugen und Möbeln. Das Refurbishment, also die komplette Aufarbeitung von Produkten für den Zweck des Wiederverkaufs mit Garantie, erfordert auch hier völlig neue Prozesse.

Die Erfahrung damit könnte den Weg zu guten Geschäften bereiten, denn dem Markt für Produkte aus zweiter Hand werden kräftige Wachstumsraten prognos­tiziert. So erwartet etwa das Marktforschungsunternehmen Consegic Business Intelligence, dass sich der globale Umsatz mit Refurbished-Ware bis zum Jahr 2032 etwa verdoppeln wird, auf dann 118 Milliarden Dollar. In Deutschland könnte das Wachstum noch größer sein, folgt man den Zahlen der Marktforscher von EMR Claight, die für diesen fast eine Verdrei­fachung auf fast neun Milliarden Dollar hierzulande erwarten.

Entsprechend steigen Onlinehändler wie Amazon oder Media-Markt in das Geschäft ein, spezialisierte Händler feiern Erfolge. Das Wiener Marktplatzun­ternehmen Refurbed, das in diesem Jahr die Gewinnschwelle knackte und im Gesamtjahr erstmals einen Außenumsatz von mehr als einer Milliarde Euro erwartet, sammelte erst im Oktober 50 Millionen Euro Investorengeld ein. Der schon 2014 gegründete französische Konkurrent Back Market vermeldet gerade für Deutschland und Österreich besonders hohe Wachstumsraten.

Haushaltsgeräte haben in der Wiederaufbereitung noch Luft nach oben

Wichtigstes Segment auf diesen Refurbished-Plattformen sind Smartphones, Tablets, Laptops und vergleichbare Ge­räte, die für Verbraucher in diesem Zweitmarkt deutlich billiger zu haben sind. Bei Haushaltsgeräten gebe es noch Luft nach oben, sagte Thibaud Hug de Larauze, Mitgründer von Back Market, der österrei­chischen Zeitung „Standard“. Dazu brauche es eine bessere Logistik, einfachere Terminvereinbarung und Altgeräteentsorgung, wie man das vom Neukauf her kenne, so sein Verweis auf die Tücken im Detail.

Die Machbarkeit ist tatsächlich einer der Knackpunkte, bestätigt Tchibo-Managerin Reperich. Vieles lasse sich weder durch Studien noch durch Kundenbefragungen herausfinden. Mit ihrem Circular Solutions Lab testen die Hamburger in der Realwirtschaft, wie die Abläufe funktionieren können. So zeigte sich etwa, dass viele Kunden sich schwertun, den Zustand der eigenen Maschine einzuschätzen, was aber wichtig ist für die weiteren Prozesse. Denn sehr wenig genutzte Vollautomaten werden später zu einem etwas höheren Preis angeboten.

Schluss ist dagegen bei Maschinen, die schon mehr als 4000 Tassen gebrüht haben: zu aufwendig die Aufbereitung, zu heikel das Garantieversprechen. Erst bei Tchibo kann die Tassenzahl verifiziert werden, anhand eines Binärcodes, der aus Symbolen auf dem Display entsteht. Und dann: Was passiert mit ungeeigneten Maschinen, wer entscheidet über Entsorgung oder Rücksendung, wer bezahlt dafür? Es ist viel Bewegung im Entwickeln der notwendigen Prozesse. Ständig zeigen sich neue Herausforderungen, vieles wird ausgetestet: „Wir kommen uns vor wie in ei­nem Start-up“, sagt Karoline Reperich über ihr Team.

Zwei Stunden für die Kaffeemaschinen-Untersuchung

An Vorbildern kann sie sich nicht orientieren. Zwar gibt es auch andere Kaffeekonzerne, die voll aufbereitete Maschinen verkaufen, aber ein ausgereifter Prozess für Rücknahme, Aufbereitung und Wiederverkauf von Refurbished-Kaffeevollautomaten ist nicht am Markt. So finden sich zwar aufgearbeitete Maschinen mit voller Herstellergarantie von Melitta auf der Website des Herstellers aus Minden zum Verkauf, doch einen Ankauf bei Verbrauchern gibt es dort nicht. Vielmehr handelt es sich meist um kaum gebrauchte Geräte, die Melitta im Rahmen des 14-tägigen Widerrufsrechts oder aus Handelsretouren zurückbekommt, wie ei­ne Sprecherin des Traditionsunternehmens erklärt: „Da diese Geräte so gut wie neu sind, wäre es – besonders aus Nachhaltigkeitsgründen – sehr schade, sie einfach zu entsorgen.“

Auch Nespresso hebt für die Kapsel­maschinen die Reparierbarkeit und Langlebigkeit hervor und vermarktet aufgearbeitete Geräte unter dem Label „Re­love“ über die eigene Website. Mit sol­chen Kapselmaschinen sind Vollautoma­ten allerdings kaum zu vergleichen. Beinahe zwei Stunden verbringt Ole Wachs damit, das jahrelang stark genutzte Gerät der Hamburger Bürogemeinschaft zu untersuchen.

So wird deutlich, dass auch bei der Aufarbeitung und Rei­nigung vieles ganz einfach und schnell funktioniert, und manches gar nicht. Die Brühgruppe ist blitzschnell gegen eine neue gewechselt, was auch sehr häufig gemacht wird, während die Platine eher nicht ausgetauscht wird: viel zu viele Steckverbindungen innerhalb der Maschine. Das würde vor allem Zeit kosten – und schon wäre das Geschäftsmodell in Gefahr. 149 Euro verlangt Tchibo für eine aufbereitete Tchibo Esperto in gutem Zustand, jedenfalls aktuell.

Seit dem Start des Projekts im Sommer war es eine vierstellige Zahl von Kaffeemaschinen, die mit dem Label „refur­bished“ wiederverkauft wurden, heißt es bei Tchibo, wo man traditionell sehr zurückhaltend mit Zahlen ist. Das wären „knapp zwei Prozent der in Deutschland verkauften Vollautomaten“ insgesamt. Während laufend noch Stellschräubchen gedreht werden im Prozess, kann sich die Quote noch verbessern, hofft man im Tchibo-Nachhaltigkeitsteam. Im März soll erstmals Bilanz gezogen werden, ob das Geschäft nicht nur gut fürs Gewissen ist, sondern auch Gewinn abwirft; bis Sommer soll dies dann unter Beweis gestellt werden. Falls es klappt, könnte es sein, dass Kaffeevollautomaten nur der Anfang waren und Refurbishment auch auf weitere Bereiche des Tchibo-Sortiments ausgeweitet wird.