
„Stets findet Überraschung statt, da, wo man’s nicht erwartet hat“, sagt der Dichter. Für den ARD-Sonntagabendkrimi heißt das: Waren die Ermüdungserscheinungen im Tatort Münster zuletzt nicht zu übersehen, kommt die neue Folge Fiderallala (WDR-Redaktion: Sophie Seitz) erstaunlich frisch daher. Das geht beim Drehbuch von Regine Bielefeldt los, deren letzte Arbeit für den Schauplatz die eher umständliche und unlustige Agentinnen-Räuberpistole Unter Gärtnern war.
Durch Fiderallala weht dagegen eine Brise politischer Relevanz, wofür Münster noch nie bekannt war. Die Wohnungskrise ist’s, die bis in die sogenannte Mitte der Gesellschaft reicht, aber politisch im Grunde nur von der Partei adressiert wird, die von der sogenannten Mitte wiederum als Rand bezeichnet wird. So hausen Studierende in Zelten auf dem Rasen vor der Uni, droht Thiel (Axel Prahl) die Kündigung durch Vermieter Boerne (Jan Josef Liefers) und hält der Krimi als Mordmotiv beim zweiten Toten eben Wohnungsnot parat.
Der Fall ist originell, weil er zur Hälfte keiner ist. Zuerst findet sich nach einer drogengetriebenen Studierendenfeier, auf der auch Thiel und Boerne waren, die Leiche von Barkeeper und Poly-Lover Chris Haffmeister (Jonas Stenzel). Der war aber nur, wie sich später rausstellt, auf eine Batterie von Schnapsflaschen gefallen, sodass ihn einer der spitzen Ausgießer tödlich verletzen konnte. Wenn Partygirl Lucy Osthofen (Luise von Stein) dennoch mit einem Geständnis bei der Polizei vorstellig wird, liegt das an manipulierten Erinnerungen, einer Technologie, die in Fiderallala so präsent ist wie der Zaubertrank bei Asterix.
Die Druidin, um in diesem Bild zu bleiben, ist im Tatort Psychologin Solveig Menke (Adina Vetter). Die schickt aus Sorge darum, dass die eigene Tochter Fraya (Meira Durand) etwas mit dem Haffmeister-Tod zu tun haben könnte, prophylaktisch die auf geständig getrimmte Lucy Osthofen ins Revier. Und weil der von Menke behandelte Polizist und Teilzeittürsteher Dennis Kollberg (Tom Radisch) weiß, dass Lucy es nicht gewesen sein kann, bringt er
die Psychologin dazu, einen Unschuldigen zum falschen Geständnis zu
manipulieren: Ein lokaler Fußballstar nimmt den vom beengt wohnenden Kollberg begangenen
Mord am Schwiegervater in der dicken Villa auf sich.
Daraus wird ein zarter Running Gag: Am Ende steht noch ein dritter Geständniszombie auf dem Polizeiflur rum, der sich wiederum zum Mord an Kollberg bekennen will. Dieser war der Psychologin Menke allerdings nicht geglückt, weil die Kavallerie aus Thiel und Boerne gerade noch rechtzeitig einreiten konnte.
Die Idee mit der Geständnisproduktion auf Knopfdruck als Vertuschungstool ist für einen Münster-Tatort eine hübsche Erfindung, weil in dem Missverhältnis zwischen fehlender Tat (bei Haffmeister und Kollberg) und existierendem Eingeständnis derselben etwas Komisches steckt. Auch wenn sich dramaturgisch dadurch am Ende einiges an Erkläraufwand ballt.