Taschen-Verlag beginnt Prachtausgabe von Barks-Comics

Vor einem Jahr kam beim Taschen-Verlag eines jener Bücher heraus, die alles andere als ein Taschenbuch sind: mehr als sechshundert Seiten stark, Riesenformat, fast fünf Kilo Gewicht. Das Thema: Donald Duck. Denn der Verleger Benedikt Taschen begann seine geschäftliche Karriere noch als Minderjähriger mit Comic-Handel, und seine besondere Liebe galt „Micky Maus“-Heften: einmal, weil es dafür in den Achtzigerjahren bereits einen florierenden Sammlermarkt gab, vor allem aber, weil darin Geschichten zu lesen waren, die Carl Barks geschrieben und gezeichnet hatte. Und warum sollte man nicht von dem, womit man sein Geld verdient, auch noch anderweitig profitieren?

Die Liebe zu den Donald-Duck-Abenteuern, die der amerikanische Autor von 1942 bis 1966 zeichnete, hat Benedikt Taschen nie verlassen. Längst lebt er selbst in den Vereinigten Staaten, und als ich ihn dort 2019 besuchte, zeigte er mir Probeandrucke eines Prachtbandes mit Donald-Comics und schwärmte davon, wie aufwendig die Geschichten dafür aus den alten Heften abgescannt und digital restauriert worden waren, um dann später im Überformat abgedruckt zu werden. Mit Marvel-Superhelden-Heften hatte er das schon erfolgreich gemacht, doch der Disney-Konzern sperrte sich noch. Als dann fünf Jahre später „Donald Duck – The Ultimate History“ erschien, fanden sich darin auch nur einzelne Comicseiten, denn es war ein Buch, das die Kultur­geschichte des prominenten Entenhauseners erzählte, aber nicht die Geschichten, die ihn zu dem gemacht haben, was er ist: der Held einer Saga, die dank des Könnens von Barks den Vergleich mit den größten literarischen Meisterwerken aushält.

Doppelseite aus „The Ghost of the Grotto“ von Carl Barks, ursprünglich erschienen 1947.
Doppelseite aus „The Ghost of the Grotto“ von Carl Barks, ursprünglich erschienen 1947.Disney 2025

Nun aber erscheint doch noch der damals von Benedikt Taschen beschworene überformatige Band, wieder mehr als sechshundert Seiten, wieder Riesenformat, wieder fast fünf Kilo Gewicht. Diesmal voller Barks-Comics. Plus einem fast vierzigseitigen Vorwort des amerikanischen Autors Jim Fanning, der nicht nur im Dienste des Disney-Konzerns etliches über Disney-Comics geschrieben hat, sondern auch selbst als Comicautor für die Welt von Entenhausen tätig geworden ist und Carl Barks noch persönlich kennengelernt hat, als der schon über neunzig war (1901 geboren, starb Barks im gesegneten Alter von neunundneunzig).

Der Anfang von allem, was Entenhausen ausmacht

Das Cover von „Four Color“-Heft 9, dem Duck-Debüt von Carl Barks, erschienen 1942
Das Cover von „Four Color“-Heft 9, dem Duck-Debüt von Carl Barks, erschienen 1942Disney 2025

Gute Voraussetzungen also auch fürs Rahmenprogramm der Comic-Klassiker, doch Fanning hat außer längst bekannten Anekdoten, Zitaten und Fakten nichts zu bieten. Am interessantesten an seinem Text ist folgender Satz (hier aus dem Englischen übersetzt): „Der Band, den Sie in Ihren Händen halten, bietet Nachdrucke der meisten Duck-Geschichten aus den ersten acht Jahren von Four Color Comics.“ Das war eine Heftserie, in der lange Abenteuer mit den Ducks erschienen, darunter der erste Entenhausen-Bericht von Barks (und zugleich dessen längster), „Donald Duck Finds Pirate Gold“ aus dem Jahr 1942, vierundsechzig Seiten stark, und der erste Auftritt von Dagobert Duck in „Christmas on Bear Mountain“, 1947 erschienen. Dazu noch dreizehn weitere vom Cover bis zur Rückseite komplett nachgedruckte und wie beschrieben akribisch aufbereitete Hefte aus den wilden Anfangsjahren Donald Ducks. Für deren amerikanische Originalausgaben man Unsummen zahlen müsste, ohne sie jemals in derart perfektem Zustand zu finden.

Kein gesunder Anblick: Dagobert Duck bei seinem frühesten Auftritt, zu finden in „Christmas on Bear Mountain“ von 1947
Kein gesunder Anblick: Dagobert Duck bei seinem frühesten Auftritt, zu finden in „Christmas on Bear Mountain“ von 1947Disney 2025

Warum aber spricht Fanning von „Nachdrucken der meisten Duck-Geschichten aus den ersten acht Jahren“? Weil eine fehlt, ohne dass das ansonsten im Buch erwähnt würde: „Voodoo Hoodoo“ aus dem Jahr 1949. Seitdem vielfach publiziert, steht sie mittlerweile bei Disney auf dem Index („Bilder und Zeiten“ vom 13. Juli 2024) wegen rassistischer Stereotypen bei der Darstellung eines afrikanischen Volkes, das von Dagobert Duck aus seinem Stammesgebiet vertrieben wurde und ihm deshalb einen Zombie als Rächer auf den Hals geschickt hat. Bei einigen jüngeren Nachdrucken waren die Figuren umgezeichnet, unter anderem auch für die legendäre „Carl Barks Library“, die von 1983 an über zwölf Jahre hinweg in dreißig Büchern alles abdruckte, was Barks über Entenhausen erzählt hat – allerdings in Schwarz-Weiß. Benedikt Taschen strebt nun – die Kennzeichnung des Bandes als „Vol. 1“ zeigt es – eine vergleichbare Reihe an, viel originalgetreuer zu den Heften. Aber Disney hat für den teuren Nachdruck keine Ausnahme vom Bann gemacht.

Es verschlägt nichts am Lesegenuss, geschweige dann am nun möglichen Detailstudium von Barks’ Zeichengenie. Aber die Tatsache, dass ein derart singuläres Schaffen nicht komplett dargeboten werden soll, belegt nur, dass Disney ihm nicht denselben Rang zugesteht wie einem Literaturklassiker. Man stelle sich vor: eine Mark-Twain-Ausgabe ohne „Huckleberry Finn“. Hoffen wir auf Nachtrag in Vol. 2 oder folgenden. Und bis dahin lesen wir etwa „Die tollsten Geschichten von Donald Duck“ Nr. 83, in dem „Voodoo Hoodoo“ noch 1985 unbearbeitet erschien. Allerdings wirken solche traditionellen Hefte jetzt unerfreulich winzig . . .

„Disney Comics Library: Carl Barks’ Donald Duck“. Vol. 1“: 1942-1950. 
Taschen Verlag, Köln 2025. 636 S., Abb., geb, 175,– €.