
Oskar Maria Graf war entsetzt, als er 1933 hörte, dass seine Werke bei der Bücherverbrennung nicht dabei gewesen waren. Hatten die Nazis etwa vergessen, dass er in München für die Räterepublik eingetreten war? Oder war er mit seinen Dorfgeschichten und seinem Bayerischen Dekameron (1928) zu volkstümlich geworden? In der Wiener Arbeiter-Zeitung protestierte er unter dem Titel „Verbrennt mich!“.
Vielleicht wusste man damals nicht, ob Graf mehr als bayerischer Heimatdichter oder als antibayerischer Anti-Heimatdichter einzuschätzen war. Und tatsächlich trug er, nach erfolgreich ertrotztem Verbot durch die Nazis, auch im New Yorker Exil Lederhosen und schrieb weiter an seinen Moritaten aus dem Landleben. Ihre böse Pointe besteht in dem innigen Neben- und Durcheinander von Brutalität und Brauchtum, Faschismus und Vormoderne. Auch der Roman Unruhe um einen Friedfertigen (1947), den jetzt der Regisseur Matti Geschonneck in den ZDF–Zweiteiler Sturm kommt auf verwandelt hat, lebt von der Pointe, dass der Nationalsozialismus seine Ideologie nicht brauchte, um in der Provinz zu reüssieren. Der Humus von Geiz und Gier und dörflichem Neid genügte. Der Wunsch, gegen seinen Nachbarn loszuschlagen, war schon da. Es brauchte nur die Lizenz zu Mord und Gesetzlosigkeit, die die Partei dann lieferte.
