Streit über Wadephul: Die Nervosität in der CDU wächst


Die Diskussion, die CDU und CSU gerade über die Äußerungen des christdemokratischen Außenministers führen, spiegelt die Stimmung in der Union wider. Es herrscht große Nervosität. Ein halbes Jahr ist es her, dass Friedrich Merz zum Bundeskanzler gewählt wurde. Die CDU steht schlecht da, die – überflüssigerweise – im Wochentakt erhobenen Umfragewerte zeichnen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Christdemokraten und ihrem härtesten Gegner, der AfD, bei dem diese den Kopf immer mal wieder vorn hat.

Das Wahlversprechen „einfach mal machen“ und dabei das Land bis zum Sommer schon auf einen ganz neuen Kurs zu bringen, ist nur noch als Phrase in Erinnerung. Zwar fiel die Bewertung für das außen- und europapolitische Wirken des Kanzlers bisher gut aus, aber das wirkt sich nicht auf den Alltag der Wähler aus. Über die hohen Kosten für den Sozialstaat wird geklagt, doch statt harter Sparmaßnahmen werden weitere Wohltaten wie die Ausdehnung der Mütterrente beschlossen oder neue Etiketten verteilt, wie im Fall des Bürgergeldes, das nun Grundsicherung genannt wird, aber seine verführerische Süße nicht verliert. Raider heißt jetzt Twix.

Der alte Konflikt

Eine Ausnahme gibt es. Oder muss man schon sagen: gab es? Bei der irregulären Migration scheint die Regierung Merz liefern zu können. Welche Wirkung das im Einzelnen auch immer entfaltet, so lässt Merz, wie versprochen, vom Beginn seiner Regierungszeit an Migranten an der deutschen Grenze zurückschieben. Der alte unionsinterne Konflikt aus den Merkel-Jahren ist damit beendet. Dass das Ende des Bürgerkriegs in Syrien einen Beitrag zur Entspannung leistet und vielleicht noch mehr leisten kann, ist nicht das Verdienst von Merz und seinem Innenminister Alexander Dobrindt, es spielte der Regierung aber in die Karten. So lange, bis Wadephul nach Syrien reiste und im Angesicht verheerender Zerstörung Zweifel aufkommen ließ, dass in absehbarer Zeit ein erkenn­barer Teil der annähernd eine Million in Deutschland lebender Syrer in ihre Heimat zurückkehren kann.

Die Unruhe in der Union ist inzwischen so groß, dass eine wägende, inhaltlich solide Debatte darüber, wie das geschehen kann, kaum mehr möglich scheint. Wadephul stellt sich nicht grundsätzlich gegen den Koalitionsvertrag, in dem Union und SPD Rückführungen auch nach Syrien festgeschrieben haben, zunächst auf Straftäter bezogen. Ebenso wissen er und die Fachleute um ihn herum, wie schwierig es ist, aus Deutschland abzuschieben, wie hoch vor allem die Gerichte oft die Hürden legen. In Berlin ist die Einschätzung zu hören, das Problem sei nicht der syrische Staat, sondern die deutsche Rechtspraxis.

Doch statt in Ruhe darüber zu diskutieren, wie die in Arbeitsmarkt und Gesellschaft schon einigermaßen integrierten Syrer hierbleiben, die anderen aber möglichst zügig zur Rückkehr in die Heimat veranlasst werden können, geht es seit Tagen nur um die entgleiste Kommunikation Johann Wadephuls. Am Dienstag kritisierten hintereinander weg der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Steffen Bilger, der Chef der CSU-Landesgruppe, Alexander Hoffmann, und der Fraktionsvorsitzende Jens Spahn, dass der Außenminister die Debatte nicht selbst schnell beendet habe. Diese ungewöhnliche Serie von Attacken wird nicht dadurch milder, dass Merz die Arbeit seines Außenministers lobte.

Nur wenig Lob

Der Grund der Kritik liegt auf der Hand. Wenn die Unionsabgeordneten in ihren Wahlkreisen unterwegs sind, wird ihnen nur wenig Lob zuteil für die Arbeit der Koalition in Berlin. Die Migrationspolitik bildete bisher eine Ausnahme. Zwar wirkte die Vorgängerin der Syrien-Debatte, die von Merz ausgelöste Diskussion über das Stadtbild, das durch vermehrte Abschiebungen zu verbessern sei, auch nicht wie ein kommunikativer Geniestreich. Sie bot zu viele Möglichkeiten zur Fehlinterpretation. Aber immerhin ging sie nach Auffassung vieler Unionsanhänger in die richtige Richtung: Endlich sagte der Kanzler mal, was den Bürgern beim Gang durch die Stadt längst auffällt.

Durch die Einlassungen des Au­ßenministers, der nach der Rückkehr sogar den Zustand Syriens mit demjenigen Deutschlands im Jahr 1945 verglich, kann bei Skeptikern der Verdacht aufkommen, dass es der Merz-Truppe nicht so wichtig mit den Rückführungen sei. Zum anderen wird in der Fraktion darauf hingewiesen, dass jene Richter, die Abschiebungen ohnehin skeptisch gegenüberstehen, durch die Bemerkung des Außenministers ein weiteres Argument haben, noch dazu aus pro­minenter Quelle. Durch seine ungeschickte Wortwahl droht Wadephul den ohnehin nur mittelgroßen Kredit, den die Wähler der Union in der Migrationspolitik gegeben haben, noch weiter zu verringern. Der Stimmung in der Union ist das nicht zuträglich.