Stiko warnt vor Lücken bei Polio-Impfung in Deutschland – Gesundheit

Der Polio-Impfschutz ist bei vielen kleinen Kindern in Deutschland schlecht. „Obwohl die Grundimmunisierung bis zu einem Alter von zwölf Monaten abgeschlossen sein sollte, sind im Alter von zwölf Monaten nur 21 Prozent der Kinder vollständig geimpft“, teilte die Ständige Impfkommission (Stiko) in einer Stellungnahme mit. Jüngst waren Polioviren im Abwasser mehrerer großer deutscher Städte entdeckt worden. Poliomyelitis ist eine hochansteckende Krankheit, die bei nicht ausreichend immunisierten Menschen zu dauerhaften Lähmungen führen kann.

Die Stiko empfiehlt Eltern daher, den Polio-Impfstatus ihrer Kinder zu überprüfen. Erziehungsberechtigte sollten das selbst oder durch die Kinder- oder Hausärzte möglichst zeitnah tun und fehlende Impfungen zügig nachholen, so die Kommission. „Leichte Erkältungskrankheiten sind kein Grund, fällige Impfungen zu verschieben“, betonten die Experten. Altersunabhängig sei auch für Personen in Gemeinschaftsunterkünften ein vollständiger Impfstatus sehr wichtig.

Versäumte Impfungen werden zwar oft nachgeholt, trotzdem haben den Fachleuten zufolge nur 77 Prozent der Kinder in einem Alter von zwei Jahren einen vollständigen Impfschutz. Im Einschulungsalter von sechs Jahren hätten 88 Prozent den vollständigen Schutz. Ziel sei eine Impfquote von mindestens 95 Prozent bis zum Ende des ersten Lebensjahres.

Die Viren aus dem Abwasser könnten in ungünstigen Fällen wieder Krankheiten auslösen

Im Abwasser aus Klärwerken in München, Bonn, Köln, Hamburg, Dresden, Düsseldorf und Mainz waren im Oktober und November Polioviren nachgewiesen worden. Bei den Erregern handelt es sich laut Robert-Koch-Institut (RKI) nicht um den Wildtyp des Poliovirus, sondern um Viren, die auf die Schluckimpfung gegen Kinderlähmung mit abgeschwächten, aber lebenden Polio-Erregern zurückgehen. Die abgeschwächten Impfviren können sich in sehr seltenen Fällen so verändern, dass sie wieder Krankheiten auslösen können.

Die niedrigsten Polio-Impfquoten gibt es laut Robert-Koch-Institut in Baden-Württemberg (69 Prozent), Sachsen (72) und Bremen (74). In einigen wenigen Landkreisen liegt die Quote sogar bei unter 50 Prozent, was die Bedeutung der nun in einigen Abwasserproben entdeckten Impfpolioviren erhöht.

Nach der Corona-Pandemie sei „eine gewisse Impfmüdigkeit“ zu beobachten, sagt der Virologe Klaus Überla vom Universitätsklinikum Erlangen, ehemals Mitglied der Ständigen Impfkommission. „Leider kennen Infektionserreger keine Müdigkeit.“ Die rationale Nutzen-Risiko-Abwägung spreche weiterhin dafür, „die empfohlenen Impfungen auch wahrzunehmen“, so Überla.

Angesichts der aktuellen Impfquoten und der vom Schluckimpfstoff abgeleiteten Polioviren besteht laut RKI die Möglichkeit, dass in Deutschland Infektionsketten in der Bevölkerung nachgewiesen werden und wieder Menschen an Polio erkranken.