
Nachdem der gefeierte Rocker Bruce Springsteen 1982 seine Demo-Kassette als neues Album veröffentlicht hatte, sprach sich herum, dass er dieselben Songs auch im Studio mit der E Street Band produziert hatte. Schon damals hätten die Fans zu gern gewusst, wie dieses „elektrische Nebraska“ klingt. Und im Lauf der Jahrzehnte wurden diese nie gehörten Aufnahmen immer geheimnisvoller.
Mitunter wurde gar vom „Heiligen Gral“ des Springsteen-Schatzes gemunkelt. Jetzt, nach 43 Jahren, wird das Geheimnis anlässlich des großen Kino-Ereignisses gelüftet: Auf einem neuen „Nebraska“-Boxset sind acht Band-Aufnahmen der Album-Songs zu hören. Und sie klingen: sterbenslangweilig.
Die Lieder von „Nebraska“ handeln von Outlaws und Verlierern, von Außenseitern, die in ihrer Verzweiflung zu Verbrechern werden, unterschwellig oder explizit geistern Bruce’ Dämonen durch die Songs. Die dunklen Lieder sind musikalisch sehr simpel, aber Springsteen traf in seinen Schlafzimmer-Aufnahmen genau den passenden Ton. Und auch dank des Rockabilly-Halls eines Gibson Echoplex aus den 50ern entstand eine verzweifelte, spannende, fast gespenstische Atmosphäre, die die Songs und ihre Figuren zum Leben erweckte.

© Macall Polay/ 20th Century Studios
von Macall Polay/ 20th Century Studios
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Doch die Lieder entfalten ihre Wirkung eben nur in diesen Performances. Die Nummern sind alles andere als eingängig, haben keine Hooks, meist auch keine Refrains – und im vollen Band-Sound fehlen Dynamik, Dramaturgie, Abwechslung, musikalische Ideen.
„Born in the U.S.A“ ohne Durchschlagskraft
In „Deliver Me from Nowhere“ sieht man, wie verzweifelt Springsteen über das Studio-Ergebnis war, und der Film-Bruce bringt präzise auf den Punkt, was nun auch Fans hören können: Die elektrischen Aufnahmen „funktionieren nicht“.
Für das Boxset hat Springsteen alle Songs noch mal live akustisch aufgenommen, was für eine BluRay gefilmt wurde. Doch auch hier kommt er nicht an die Wirkung der Demo-Kassette heran: Der Titelsong klingt mit Springsteens gealterter Stimme gut, doch dann geht die Spannung bald verloren. Außerdem werden neun weitere akustische Demo-Aufnahmen von 1982 erstmals veröffentlicht: Einige sind ebenfalls in Springsteens Schlafzimmer entstanden, andere bei einer anderen Solo-Session.
„Pink Cadillac“ klingt in der rohen Version interessanter als in der bekannten Band-Version und hätte bestens auf „Nebraska“ gepasst, doch die anderen Songs sind unspektakulär. Auch „Born In The U.S.A“ ist hier in einer akustischen, bluesigen Demo-Aufnahme zu hören: Aber der Song ist erst durch das Keyboard-Riff, den Schlagzeugbeat und die Rockröhre großartig geworden – wie der Film-Springsteen ebenfalls findet.
Und doch gibt es für Fans einen Grund, das Boxset zu kaufen: Das Original-Album ist neu gemastert worden, klingt räumlicher und noch eindringlicher als zuvor. Und so beweist dieses Boxset, im Guten wie im Schlechten: Als Springsteen 1982 darauf bestand, die Aufnahmen von einer abgespielten, ohne Hülle herumgetragenen Kassette zu veröffentlichen – da hatte er recht.
Bruce Springsteen: „Nebraska ‘82: Expanded Edition“ (4 LPs oder 4 CDs, jeweils plus Blu-ray, Sony Music)