Staatsanwaltschaft stellt Verfahren gegen Boateng ein

Die Staatsanwaltschaft München I hat das Verfahren gegen den Fußballspieler Jérôme Boateng wegen Körperverletzung im Fall Kasia L. eingestellt. Der Tatnachweis sei nicht mit „der für eine Anklageerhebung notwendigen Sicherheit zu führen“, heißt es in der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft, die der F.A.Z. vorliegt. Eine Verurteilung Boatengs war demnach nach Abschluss der Ermittlungen nicht wahrscheinlich.

Der ehemalige Fußballnationalspieler äußerte sich in einer Mitteilung erleichtert. Er sei froh, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen ihn „nun endlich nach fünf Jahren“ eingestellt habe. Es werde nun anerkannt, dass „die Verdächtigungen gegen mich falsch waren“.

Boateng hatte Kasia L.s Vorwürfe bestritten

Vorgeworfen wurden dem 36 Jahre alten Boateng unter anderem vorsätzliche Körperverletzung und Nötigung im Zeitraum von Oktober 2019 bis zum 9. Februar 2021. So soll Boateng im Oktober 2019 seine damalige Freundin Kasia L. in einem Münchner Hotelzimmer geschlagen haben. L. habe dann Bilder von Hämatomen an den Armen an dessen ehemalige Lebensgefährtin weitergeleitet. Über diese wiederum erlangte die Staatsanwaltschaft Kenntnis von dem mutmaßlichen Übergriff. Denn die ehemalige Lebensgefährtin Boatengs hatte wiederum zu der Zeit Boateng wegen Körperverletzung angezeigt – es ging um einen Vorfall in der Karibik im Juli 2018. Das Landgericht München I hatte ihn deswegen im Sommer 2024 wegen vorsätzlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Das Gericht sprach jedoch nur eine Verwarnung unter Vorbehalt einer Geldstrafe aus. Die Vorsitzende Richterin hob damals hervor, dass nichts von den Vorwürfen übrig geblieben sei, dass Boateng „ein notorischer Frauenschläger“ sei.

Die Vorwürfe, die Kasia L. gegen ihn erhob, hatte Boateng stets bestritten. Auch Kasia L. wurde zu den Anschuldigungen befragt: Im Februar 2020 gab sie bei der Polizei an, sie habe die Vorwürfe gegen Boateng im Oktober 2019 erfunden. Sie sei wütend gewesen und habe sich an ihm „rächen“ wollen, da er sie mit einer anderen Frau betrogen habe. Geschlagen habe Boateng sie nicht, sie bekomme nur schnell blaue Flecken. Das Verfahren wurde im Juni 2020 eingestellt. Doch nachdem sich Kasia L. am 9. Februar 2021 in Berlin das Leben genommen hatte, wurde das Verfahren wieder aufgenommen: Es hätten sich Hinweise ergeben, dass sie kurz vor ihrem Tod „massiv“ von Boateng verletzt worden sei. Diese Verletzungen seien möglicherweise im Obduktionsbericht dokumentiert. Zudem hatte L. demzufolge ihrer Mutter vor ihrem Tod davon berichtet, dass Boateng sie mehrfach geschlagen habe. Auch soll er sie Ende Januar 2021, nachdem sie sich getrennt hatten, gezwungen haben, eine Verschwiegenheitsverpflichtung zu unterzeichnen. Man sei darüber in Streit geraten, und Boateng habe ihr daraufhin ins Gesicht geschlagen und dabei das Ohrläppchen abgerissen. Auch diese Verletzung sei auf Bildern dokumentiert.

Es gibt viele Widersprüche

Am 2. Februar 2021 hatte Boateng, der damals als Verteidiger beim FC Bayern München spielte, in der „Bild“-Zeitung gesagt, Kasia L. habe ihm gedroht, seine Karriere zu zerstören, indem sie ihn körperlicher Gewalt bezichtigte. L. wandte sich laut Staatsanwaltschaft danach an ihren Anwalt, um gegen das Interview vorzugehen. Dem Anwalt sagte sie demnach, dass Boateng sie im Oktober 2019, im Dezember 2020 und im Januar 2021 „körperlich misshandelt“ habe. Dem Anwalt wurden auch Bilder von Verletzungen übermittelt. Kasia L. sei es dabei nicht um die „strafrechtliche Verfolgung des Beschuldigten“ gegangen. Vielmehr habe sie ihr Ansehen in der Öffentlichkeit wiederherstellen wollen, das aus ihrer Sicht durch Boatengs Aussagen in der „Bild“-Zeitung gelitten habe.

Allein zu den Angaben zum verletzten Ohrläppchen gibt es viele Widersprüche. Zunächst hatte L. gegenüber ihrem Vater angegeben, dass sie beim Ausziehen eines Pullovers am Ohrring hängen geblieben sei. Ihrer Mutter hingegen sagte sie demnach, Boateng habe ihr am 25. Januar 2021 ins Gesicht geschlagen und dabei das Ohr verletzt. Am 22. April 2024 erklärte Boateng laut Staatsanwaltschaft die Verletzung damit, dass er ihr „einvernehmlich“ in die Haare gefasst habe und dabei am Ohrring hängen geblieben sei.

Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren nach „abschließender Gesamtwürdigung“ aller Tatsachen nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ – im Zweifel für den Angeklagten – eingestellt. Ein wesentlicher Grund ist unter anderem, dass Kasia L. nicht mehr dazu befragt werden kann, wie ihre zum Teil widersprüchlichen Aussagen zu dem Ursprung der Verletzungen vor der Polizei und Zeugen gegenüber zu erklären sind. Bei allen Zeugen handelt es sich demnach um Zeugen „vom Hörensagen“. Niemand war bei den in Rede stehenden Vorfällen im Oktober 2019, im Dezember 2020 und zum Jahresbeginn 2021 dabei. Ein Sachverständiger ist zudem laut Staatsanwaltschaft zu dem Schluss gekommen, dass ihre Verletzung am Ohr so verursacht worden sein könnte, wie Kasia L. es geschildert habe – jedoch auch die Version Boatengs wäre möglich gewesen.

Weitere Ermittlungsansätze sind also im Fall Kasia L. derzeit laut Staatsanwaltschaft nicht ersichtlich. Es stand zwar zuletzt im Raum, dass eine weitere Zeugin Angaben zu den Vorfällen machen wollte – so hatte diese es demnach der Polizei gesagt. Zu einem Vernehmungstermin Ende Februar 2025 erschien sie aber nicht. Sie sei, so die Staatsanwaltschaft, seitdem auch nicht mehr „für die Ermittlungsbehörden erreichbar“.

Für Boatengs Anwalt Leonard Walischewski, der ihn auch im Sommer 2024 verteidigt hatte, ist die Einstellung des Verfahrens längst überfällig. Jede Ermittlungshandlung im Verlauf des Verfahrens habe belegt, „dass Herr Boateng die Taten nicht begangen hat und gar nicht begangen haben kann“. Auch die unlängst durch den „Spiegel“-Podcast erhobenen Vorwürfe seien falsch – jetzt habe das auch die Staatsanwaltschaft mit der Einstellung des Verfahrens bestätigt.