Staatsanwalt fordert Geldbuße für DFB

Am 28. Oktober 2015 hatte die Staatsanwaltschaft Frankfurt die Ermittlungen in der sogenannten „Sommermärchen“-Affäre eingeleitet. 5352 Tage später beantragten ihre Vertreter Jesco Kümmel und Richard Schwens im Schwurgerichtssaal des Frankfurter Landgerichts, eine Geldbuße in Höhe von 270.000 Euro gegen den Deutschen Fußball-Bund zu verhängen. Sie sehen es als erwiesen an, dass die in den Jahren 2003 bis 2007 maßgeblich agierenden DFB-Funktionäre Wolfgang Niersbach, Horst R. Schmidt und Theo Zwanziger Körperschaftssteuer und Solidaritätszuschlag sowie Gewerbesteuer in Höhe von 2.726.924 Euro hinterzogen haben. Jan-Olaf Leisner und Sebastian Engler, die Anwälte des DFB, beantragten hingegen Freispruch.

Niersbach, Schmidt und Zwanziger hatten am 4. März 2024, als der Prozess schließlich begonnen hatte, auf der Anklagebank gesessen. In der Zwischenzeit waren die Verfahren gegen alle drei gegen Zahlungen von Geldauflagen eingestellt worden: 10.000 Euro hat Zwanziger gezahlt, 25.000 Euro Niersbach, 65.000 Euro Schmidt.

Doch die steuerliche Geltendmachung der Rückzahlung des Darlehens in Höhe von 10 Millionen Schweizer Franken, das der Unternehmer Robert Louis-Dreyfus dem Cheforganisator der Fußball-WM 2006 in Deutschland, Franz Beckenbauer 2002 gestellt hatte, stellt nach Ansicht der Staatsanwaltschaft zwei Fälle der Steuerhinterziehung dar, für die der DFB an sich mit 300.000 Euro büßen müsste. Angesichts der Verfahrensverzögerungen – das Landgericht hatte zunächst eine Verfahrenseröffnung abgelehnt, das Oberlandesgericht das Verfahren schließlich per Beschluss eröffnet – halten Kümmel und Schwens einen Rabatt von zehn Prozent für angemessen. Unter dem Strich: 270.000 Euro.

„Viele Jahre Kampf“

Eva-Marie Distler, die Vorsitzende Richterin der zweiten Großen Strafkammer, hatte die Beweisaufnahme zu Beginn des 33. Verhandlungstag geschlossen, die Staatsanwälte anschließend knapp eine und eine dreiviertel Stunde plädiert. „Diesem Schlussvortrag liegen viele Jahre Kampf zu Grunde“, hatte Oberstaatsanwalt Kümmel begonnen. „Man kann berechtigterweise die Frage aufwerfen, was das alles noch soll.“ Seine Antwort: „Nein, es gibt für die Justiz nichts Besseres zu tun. Vor dem Gericht sind alle gleich. Wir haben es mit dem größten Sportverein der Welt zu tun, mit Verfehlungen hochrangiger Organe.“

Für Kümmel war, das stellte er an den Beginn des Plädoyers, die Tatsache, dass er es hielt, ein Zeichen. „Strafverfolgung bedeutet manchmal Kampf, dieses Verfahren belegt das blaupausenhaft. Es ist ein Zeichen der hessischen Justiz, dass wir nicht vor großen Playern in die Knie gehen.“ Die maßgeblichen Funktionäre des DFB, sagte Kümmel, hätten im Laufe der Ermittlungen „mehr als unglücklich agiert“. Er sei verwundert gewesen, dass bei einer Durchsuchung der DFB-Zentrale das „Präsidium sich verschanzt, als sei ich der Teufel persönlich“.

Nach der Mittagspause erwiderten die Anwälte des DFB. In der Steuererklärung für das Jahr 2006, im Oktober 2007 von Niersbach, damals DFB-Generalsekretär, unterschrieben, sei die Rückzahlung an Louis-Dreyfus über ein Konto des Internationalen Fußball-Verbands FIFA rechtmäßig als Betriebsausgabe geltend gemacht worden. Das Louis-Dreyfus-Darlehen war nach Qatar gegangen, an eine Firma des damaligen FIFA-Funktionärs Mohammed bin Hammam.

Die WM-Organisatoren bekamen von der FIFA einen Zuschuss zu ihrem Turnier in Höhe von 250 Millionen Euro. „Ein Schmiergeld, ein Kickback, eine Provision“, sagte auch Leisner. „Aber: eine Betriebsausgabe, steuerlich abzugsfähig. Die Staatsanwaltschaft sucht einen Rettungsanker“, sagte der Anwalt mit Blick auf deren Argumentation, die Betriebsausgabe sei im falschen Jahr geltend gemacht worden.

Von wegen „Fackel der Aufklärung“?

Aus Leisners Sicht hat das Verfahren eben keine neuen Erkenntnisse gebracht. „Die Staatsanwaltschaft trägt die Fackel der Aufklärung, der Wahrheit – dabei ergibt sich das seit neuneinhalb Jahren aus den Akten.“ Der DFB habe sich von Anfang an konsistent verteidigt. „Das Problem dieses Verfahrens lag darin, dass Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung neuneinhalb Jahre jedes inhaltliche Gespräch verweigert haben.“ Im Jahr 2003, für das die Staatsanwaltschaft annimmt, dass die DFB-Funktionäre Beckenbauers Schuld gegenüber Louis-Dreyfus anerkannt und übernommen haben und steuerlich hätten geltend machen müssen, sei dem DFB kein Aufwand entstanden.

Die „Schmiergeldzahlung“ sei erst erfolgswirksam, sagte Leisner, wenn der Zuschuss verdient wurde – die letzte Tranche überwies die FIFA nach Ende des WM-Turniers. 2006 habe eine Schlussabrechnung zwischen DFB und FIFA stattgefunden. Zudem bestritt Leisner, dass eine kausal vorwerfbare strafbare Handlung vorgelegen hat. Die Angabe des falschen Zahlungsgrunds – die Zahlung an die FIFA zur Weiterleitung an Louis-Dreyfus war als Beitrag des DFB für eine später abgesagte WM-Eröffnungsgala verschleiert worden – habe keinerlei Einfluss auf die steuerliche Bewertung gehabt. Ein Schaden sei nicht entstanden, der DFB habe seine Steuern vollständig, wenn auch zu früh gezahlt.

„Der DFB hat nicht einen Cent nicht versteuert. Den Schaden hatte allein der DFB, nicht der Fiskus. Der DFB hat sich nicht mit Ruhm bekleckert seiner Zeit, indem er die Dinge verschleiert hat“, sagte Leisner. „Allerdings: Noch weniger mit Ruhm bekleckert haben sich die korrupten Verantwortlichen bei der FIFA.“ Man könne dem DFB vorwerfen, die Korruption der FIFA verschleiert zu haben, mehr nicht.

Das Vorgehen der Ermittler habe er als unfair empfunden, der DFB sei eben nicht gleich behandelt worden: „Ich habe noch nicht einmal erlebt, dass mir so dermaßen die Tür vor der Nase zugeschlagen wurde wie hier“, sagte Leisner. „Dieses Ergebnis, das sich die Staatsanwaltschaft nun vorstellt, das hätte man vor zehn Jahren haben können.“ An diesem Mittwoch will Richterin Eva-Marie Distler das Urteil der Kammer verkünden.