SSV Jahn Regensburg und Trainer Wimmer: Impulse für die Herkulesaufgabe – Sport

Hauptberuflich ist Oliver Hein mittlerweile Osteopath, aber auch, wenn er in seiner Praxis in Dingolfing keine Spieler empfängt, ist er selbst dort ständig mit dem SSV Jahn Regensburg konfrontiert. Pausenlos rufen Berater an, denn es gibt in der Fußballbranche ja längst nicht nur Berater für Spieler, sondern auch für Sportdirektoren oder Geschäftsführer. Und dann sind da auch noch die Patienten selbst, die Fragen haben, immerhin steht der Jahn als Zweitliga-Absteiger auf einem Abstiegsplatz in Liga drei.

„Die vielen Sorgen, die Emotionen der Jahn-Fans muss man ernst nehmen, das darf man nicht einfach so laufen lassen“, sagt Hein, der zwölf Jahre hier spielte, danach zu einer Art Nachwuchs-Spielerentwickler wurde und seit Anfang des Jahres als Vorstandsvorsitzender versucht, eine Abwärtsspirale zu stoppen. Vergangene Woche, es war eine sogenannte englische, wurde Sportchef Achim Beierlorzer beurlaubt; der zehn Jahre jüngere Hein, 35, hatte unter ihm noch gespielt. „Es gibt für solche Entscheidungen nie den richtigen Zeitpunkt“, sagt der junge Funktionär, „aber wenn man zu diesem Schluss kommt, ist es auch mehr als fair, es den handelnden Personen direkt mitzuteilen.“

Am großen Rad zu drehen und nicht einfach den Trainer zu entlassen, das scheint sich in einigen Geschäftsräumen gerade als Trendsport durchzusetzen: 1860 München reichte es nicht, nur den Trainer Patrick Glöckner zu entlassen, auch Geschäftsführer Christian Werner musste gehen. Und auch bei Jahn Regensburg stellen sie eher grundsätzliche Fragen als tagesaktuelle. Die Oberpfälzer hatten freilich das Problem, dass sie in den vergangenen Jahren selten Planungssicherheit hatten, weil die erste Mannschaft ständig Fahrstuhl-Knöpfe drückt.

Auf die Frage, was Beierlorzer denn in den vergangenen anderthalb Jahren falsch gemacht habe, antwortet Hein erst einmal mit einem Lob: „Nach dem Abstieg 2023 galt es, eine schwierige Situation zu meistern, nur sehr wenige Spieler waren unter Vertrag. Da hat uns Achim Beierlorzer aus der Sommerdepression befreit.“ Aber: „Es braucht Kontinuität, es braucht eine gewachsene Mannschaftsstruktur“, sonst habe man „zusätzliche Herausforderungen“ abseits des sportlichen Wettkampfes an den Wochenenden. Offensichtlich gab es mit dem langjährigen sportlichen Chefentscheider zu viele Themen unter der Woche. „Wir sind nach einer saisonübergreifenden und länger andauernden Analyse letztlich zur Erkenntnis gekommen, dass wir neue Impulse brauchen und Personen, die mittel- und langfristig andere sportstrategische Themen mitbringen.“

„Es braucht Kontinuität, es braucht eine gewachsene Mannschaftsstruktur“: Oliver Hein, früher Spieler, jetzt Vorstandsvorsitzender beim SSV Jahn Regensburg.
„Es braucht Kontinuität, es braucht eine gewachsene Mannschaftsstruktur“: Oliver Hein, früher Spieler, jetzt Vorstandsvorsitzender beim SSV Jahn Regensburg. (Foto: Sascha Janne/Imago)

Der Jahn kann sich rühmen, dass viele gern zu ihm zurückkehren, so wie etwa Mittelfeld-Routinier Andreas Geipl, Hein ist es nun auf einer anderen Ebene. Es gäbe da noch einen, dessen Name im Zuge der Beierlorzer-Nachfolge fällt: Christian Keller, ehemaliger Vorstand und Geschäftsführer. Hein schmunzelt. „Was ich so mitbekomme, wünschen sich das viele im Jahn-Umfeld. Das wird aber meines Erachtens sehr schwierig und ist nicht sehr wahrscheinlich“, sagt er und ergänzt wenig später: „Es ist nicht so, dass wir das komplett ausschließen, weil sich keiner fragen traut.“ Es scheint also eher an der Antwort des 46-Jährigen zu liegen, der nach seiner Zeit beim 1. FC Köln womöglich nicht noch einmal in der dritten Liga etwas Neues aufbauen will.

Der Neue, und das ist ligaweit gesehen auch nicht neu, sollte viel Expertise für Nachwuchsarbeit mitbringen. Fehlende Identifikation sei freilich ein Thema, „unter dem der Fußball und ein Teil der Begeisterung leidet, deswegen ist Identifikation ein sehr wichtiger Punkt. Andererseits wird es immer wertvoller, eigene Spieler auszubilden, weil der Markt sehr umkämpft ist“, sagt Hein. Aus einem Workshop bei einem großen bayerischen Autobauer, aber auch mit einem Blick in die Bundesliga werde deutlich, dass es für Betriebe wie Vereine immer schwieriger wird, Führungspersonen auszubilden, die vor Ort blieben.

Es ist schlicht eine wirtschaftliche Notwendigkeit, auf Bodenständigkeit zu bauen

Mit anderen Worten: Es ist schlicht eine wirtschaftliche Notwendigkeit, auf Bodenständigkeit zu bauen. Die erste Mannschaft sollte davon profitieren, wenn Spieler wie Nathaniel Brown, Kenan Yildiz oder Can Uzun im eigenen Nachwuchs-Leistungszentrum ausgebildet werden. Allein diese drei Ex-Jahn-Junioren weisen aktuell zusammen einen Marktwert von 115 Millionen Euro auf, der gesamte aktuelle Kader kommt auf 8,8 Millionen. Der Beierlorzer-Nachfolger soll nach Möglichkeit im November präsentiert werden, dem Vernehmen nach ist die Kandidatenliste aktuell noch recht lang.

Natürlich ist Hein bewusst, dass es bald heißen kann, man habe zu lange am Trainer festgehalten; dafür braucht es nur ein, zwei weitere Niederlagen. Doch Michael Wimmer, von Beierlorzer installiert, bekommt in der Länderspielpause die Chance, neue Impulse zu setzen. Wimmer habe da eine „Herkulesaufgabe“ zu stemmen, und aktuell sei es „sehr wichtig, lösungsorientiert zu denken und nicht zu sehr zu hadern. Das sind Punkte, die uns darin bestärken, das Vertrauen in ihn zu haben.“ Als ehemaliger Spieler betont Hein, dass die Mannschaft „aber auch noch daran arbeiten“ müsse, wo es hapert, und das „ist ein Teil unseres Offensivspiels“. Neun Tore in zehn Spielen sind zu wenig. Am Sonntag in einer Woche reist der Jahn zum Tabellennachbarn TSV Havelse. Die Stimmung kann sich nur verbessern – oder verschlechtern.