
Teller und Tassen, Flammenwerfer, Messer, Plastikpatronen, große und kleine Kaliber, alles, was sticht, schlitzt, schießt, explodiert, brennt, Hauptsache, irgendwie tötet: Eve (Ana de Armas) kann Waffen aller Art brauchen, denn sie hat gut zu tun, sich ihrer Haut zu erwehren. Sie ist als Kind in die Sache geraten, und diese Sache ist die Welt von John Wick. Man hat ihren Vater ermordet, sie ausgebildet zur Ballerina und zur Tötungsmaschine, und so begibt sie sich, nun erwachsen, auf einen Rachefeldzug. Zu sagen, dass Leichen ihren Weg pflastern, wäre stark untertrieben.
Vor elf Jahren kam das John-Wick-Franchise auf die Welt. Niemand hatte viel auf den Film gewettet, der ein Ab-18-Actioner unter Dutzenden schien. Keanu Reeves, der den Titelhelden spielt, schien eher auf dem absteigenden Ast und für einen alle Martial Arts beherrschenden Killer auch schon zu alt. Der Drehbuchautor hatte Regalmeter unverkaufter Drehbücher zu Hause stehen, die Regisseure waren Action-Spezialisten, denen man kaum mehr als niedere Streamingware zugetraut hätte. Aber dann wurde die Sache ein Riesenerfolg, nicht nur beim Publikum, sondern auch bei der Kritik, und zwar völlig zu Recht. Es folgten Teil zwei, drei und vier, keiner von ihnen war schlecht – mit dem angekündigten fünften Film ist dann wohl Schluss.
Und so wurde es Zeit für ein Spin-off. Statt John Wick, der nur zwei Auftritte hat, rückt nun die Killer-Ballerina ins Zentrum. Anderer Autor, anderer Regisseur, nämlich der einst mit den Vampir-Action-Horror-„Underworld“-Filmen zu Ruhm gelangte Len Wiseman, aber die Trademark ist auf Anhieb wiedererkennbar. Die Reihe spielt in einer Welt, die einerseits die Gegenwart ist, andererseits aber stark auf Mythisches setzt. Es herrschen mit Grandezza auftretende Gangsterorganisationen, zentraler Schauplatz sind Luxushotels, die als Refugien dienen, mit einem Portier namens Charon, nicht der einzige Wink in Richtung Antike. Die Autos und Waffen, das vertraute New York und in „Ballerina“ zwischendurch Prag sind eindeutig heutig, aber Telefongespräche werden hier mit alter Stöpseltechnik vermittelt und Nachrichten per Rohrpost verschickt. Das Ganze ist mit einem Wort lustvoll synkretistisch.
Die Kämpfe sind hart, blutig, nicht smooth
Eve wird Mitglied eines russischen Clans mit Andrei-Tarkowski- und „Schwanensee“-Kolorit. Name: Ruska Roma, der Boss bzw. The Director, ist eine Zigarren rauchende Lady, von Anjelica Huston mit Gusto gespielt. Nach einigem Auftragsaufwärmgemetzel beginnt Eve dann einen Rachefeldzug auf eigene Faust, mit einem langen und glorreichen Finale am Hauptsitz des Bösen (final boss: Gabriel Byrne), und dieser Hauptsitz liegt aparterweise im österreichischen Alpenidyll Hallstatt (der Originalversion, nicht der in China nachgebauten Kopie).
„Ballerina – From the World of John Wick“ (USA 2025, Regie: Len Wiseman). Die DVD ist ab 15 Euro im Handel erhältlich.
Die Kämpfe sind hart, blutig, nicht smooth, sondern handfest, und in ihrer Krassheit gerne grotesk. Was dem John-Wick-Universum bei aller ausgekosteten Absurdität aber fern liegt, ist Selbstironie. Es ist eine Reihe, die wirklich viel Liebe ins world building steckt, in Archaismen, die als der Quatsch, der sie sind, nur funktionieren, wenn die Fiktion sie für die Dauer ihrer rasch verfliegenden Laufzeit auch ernst nimmt.
So bekommen die Kämpfe schöne mythische Wucht. Und nur so kommt „Ballerina“ durch mit einem Duell in den Gassen von Hallstatt, in dem das Böse den Flammenwerfer und das Gute den Wasserschlauch in der Hand hat: ein veritables Elementarkraft-Finale. Im Schnee. Im Alpenidyll. Anjelica Huston als Boss ist nicht amüsiert. Aber es wird sie nicht hindern, sich in Erwartung hoffentlich kommender Sequels die nächste Zigarre anzustecken.