

Die Begeisterung in Deutschland war groß, als die National Football League (NFL), die beste Footballliga des Planeten, verkündete, dass sie 2022 erstmals mit einem regulären Saisonspiel hierzulande Station machen werde. Superstar Tom Brady kam, die Fans in der Münchner Fußballarena sahen, die NFL siegte. Umsatzrekorde bei Fanartikelverkäufen, wachsende Reichweite in den Sozialen Medien: Die NFL schrieb nach eigenen Angaben seitdem eine Erfolgsgeschichte mit den weiteren Partien – zwei in Frankfurt, eine in München und nun erstmals im Berliner Olympiastadion vor mehr als 72.000 Zuschauern.
Die Fans reisten zu Scharen an, auch aus dem europäischen Ausland, und feierten in den jeweiligen Städten ein oft tagelanges, friedliches Footballfest. Auch für deutsche Verhältnisse stark überdurchschnittliche Eintrittspreise wurden in Kauf genommen, selbst ein Bierpreis von acht Euro für den halben Liter hielt in Berlin kaum jemanden davon ab, sich in die langen Schlangen vor den Verkaufsständen einzureihen. Nicht umsonst ist die NFL mit einem Jahresumsatz von zuletzt annähernd 20 Milliarden Euro die umsatzstärkste Sportliga der Welt.
Hauptrolle bei Expansionsplänen
Auch die öffentliche Hand wurde und wird im Rahmen der NFL-Gastspiele kräftig zur Kasse gebeten: Der Berliner Senat machte für drei Footballspiele in den Jahren 2025, 2027 und 2029 12,5 Millionen Euro frei (die NFL investiert eigenen Abgaben zufolge 48 Millionen Euro), dafür verspricht sich die Hauptstadt volle Hotels und Restaurants, nachhaltigen Tourismus und einen Imagegewinn im internationalen Scheinwerferlicht, das die NFL-Partien auf die Stadt lenken.
Bislang, so kann man Vertreter der Liga und Städte verstehen, die sich allesamt angetan zeigten nach den Begegnungen in den zurückliegenden Jahren, geht der Plan auf. NFL-Chef Roger Goodell sagte dann auch in Berlin: „Es ist für uns richtig spannend, in Deutschland Spiele zu veranstalten. Wir haben das schon mehrere Jahre gemacht und werden das auch weiterhin tun, garantiert.“ Doch was er in Berlin verständlicherweise nicht sagte, ist, dass die NFL ihren Blick längst auf andere Märkte gerichtet hat. Neben den Spielen in England kamen in dieser Saison Auftritte in Irland und Spanien hinzu, auch in Brasilien flog der Football – und im kommenden Jahr werden NFL-Teams erstmals nach Australien reisen. Dem Land kommt eine Schlüsselrolle zu beim Versuch der Liga, die kontaktarme Variante Flag Football auch über die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles hinaus im Olympiaprogramm zu etablieren. 2032 finden die Sommerspiele in Brisbane statt.
Deutschland spielte lange die Hauptrolle in den Expansionsplänen der NFL, und der Aufwand hat sich gelohnt. Doch es gibt auch Warnsignale, die die Liga hören muss: Gesunkene Einschaltquoten und Marktanteile beim deutschen TV-Publikum im Vergleich zum Auftaktjahr 2022, frei gewordene Ticketkontingente in Berlin, die sich nur schleppend verkaufen ließen: Das sollte der Liga zu denken geben. Es könnten Indizien sein dafür, dass die erste Begeisterungswelle langsam abebbt. Die NFL hat es geschafft, sich vorerst in der deutschen Sportlandschaft zu etablieren. Nun muss sie das Feuer wieder anfachen. Den deutsch-amerikanischen Starspieler Amon-Ra St. Brown mit den Detroit Lions im kommenden Jahr in Deutschland spielen zu lassen, könnte ein Anfang sein.
