
Die SPD-Politiker Ralf Stegner und Norbert Walter-Borjans haben das von ihnen unterschriebene Grundsatzpapier verteidigt, das eine außenpolitische Kehrtwende
fordert. „Über Waffen kann öffentlich jeder Trottel reden.
Selbst jemand, der ein Gewehr nicht von einem Regenschirm unterscheiden
kann. Aber die Diplomatie, die hinter verschlossenen Türen stattfindet,
das ist die wirkliche Kunst“, sagte der Außenpolitiker Stegner dem Magazin Cicero. Auf
NDR Info warnte er bei aller notwendigen, auch militärischen
Unterstützung der Ukraine gegen die russische Invasion davor, „sich
wechselseitig totzurüsten und damit die Kriegsgefahren auch zu erhöhen“.
Der ehemalige SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sagte der Westdeutschen Zeitung: „Was wir beklagen, ist der Glaube, dass man
einem Ende des Blutvergießens näher kommt, wenn man
Abrüstungsverhandlungen für nicht mehr zeitgemäß erklärt, Sicherheit
nicht mehr mit, sondern gegen einen nach wie vor großen Nachbarn
organisieren will und sich bei schon sehr hohen Rüstungsausgaben in
einen finanziell unbegrenzten Rüstungsrausch steigert.“
„Wir plädierten einfach nur für Gespräche mit Russland“, sagte Walter-Borjans dem Stern. „So
wünschenswert es wäre, einem Narzissten ohne jedes Entgegenkommen eine stabile
Weltordnung abzuringen – es ist leider nicht nur in diesem Fall illusorisch“,
sagte er über den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
„Manifest“ löste viel Kritik aus
Eine Gruppe von Sozialdemokraten hatte am Dienstag ein als Manifest bezeichnetes Papier vorgelegt. Darin fordern sie unter
anderem neue Gespräche mit Russland sowie einen Stopp der Stationierung neuer
US-Raketen in Deutschland. Zu den Unterzeichnern gehört neben Walter-Borjans und Stegner unter anderem auch der ehemalige
Fraktionschef Rolf Mützenich. Der Text hat harsche Reaktionen hervorgerufen,
auch in der SPD selbst.
Walter-Borjans kritisierte Äußerungen des CDU-Politikers
Roderich Kiesewetter. Dieser hatte das Papier als „ungeheuerlich“ bezeichnet. „Damit
will man die Ukraine der Vernichtungsabsicht Russlands ausliefern und
uns mit“, schrieb er auf X.
„Was Herr Kiesewetter da loslässt, könnte man mit dem
ebenso hanebüchenen Vorwurf kontern, da wolle jemand Krieg. Abrüstung nach
innen scheint mir fast ebenso wichtig wie nach außen“, sagte Walter-Borjans. Es
gehe nicht darum, eine Wahrheit gegen eine andere zu stellen, sondern es gehe
um das Eingeständnis, dass ein Menschenverächter wie Putin nicht kaputtzurüsten
sei.
Verteidigungsminister spricht von „Realitätsverweigerung“
Verteidigungsminister Boris Pistorius nannte das Papier eine „Realitätsverweigerung“. Es missbrauche den Wunsch der Menschen in Deutschland nach einem Ende des furchtbaren Krieges in der Ukraine.
Bundeskanzler Friedrich Merz wollte das Grundsatzpapier nicht
direkt kommentieren. „Wir sind uns in der Bundesregierung in der Bewertung
des Krieges, den Russland gegen die Ukraine führt, und in den Konsequenzen, die
es daraus zu ziehen gilt, vollkommen einig“, sagte der CDU-Politiker. Er
setze darauf, dass diese Einigkeit bestehen bleibt.
In der SPD-Bundestagsfraktion löste der Vorstoß Verärgerung
aus. Der außenpolitische Sprecher Adis Ahmetovic sprach von einem „inhaltlich in weiten Teilen fragwürdigen
Papier“. Es würde „im Falle einer Einbringung auf dem Bundesparteitag
auch keine Mehrheit finden“. Auch SPD-Fraktionschef Matthias Miersch
distanzierte sich von dem Papier.