Spaniens Sozialisten stürzen ab | FAZ

Das Jahr hätte für Pedro Sánchez kaum schlimmer enden können. Mehrmals ist der sozialistische Regierungschef in die ländliche Extremadura-Region an der portugiesischen Grenze gereist, um den Spitzenkandidaten zu unterstützen, den er selbst ausgesucht hatte. Doch seine PSOE-Partei stürzte bei der Regionalwahl noch heftiger ab als befürchtet. Bis 2023 regierten die Sozialisten in der strukturschwachen Region mit der absoluten Mehrheit. Jetzt haben sie im neuen Regionalparlament nur noch 18 Abgeordnete, zuvor waren es 28.

Die Wahlsieger sind wieder die Rechtspopulisten. Die Vox-Partei konnte die Zahl ihrer Mandate mehr als verdoppeln, von fünf auf elf. Stärkste Partei wurde zwar mit 29 Abgeordneten die konser­vative PP. Aber ohne Vox hat sie auch im neuen Parlament keine Mehrheit. Vergeblich hatte die wiedergewählte Regionalpräsidentin María Guardiola von der PP darauf gehofft, sich durch vorgezo­gene Wahlen aus ihrer Abhängigkeit von Vox zu befreien, die nun noch größer geworden ist.

Obwohl die Rechtspopulisten in der Extremadura sich vor allem durch Streit in den eigenen Reihen hervorgetan hatten, wuchsen sie weiter. Sie erhielten knapp 17 Prozent der Stimmen – auch in landesweiten Umfragen nähert sich Vox der 20-Prozent-Marke. Das jüngste Wahlergebnis zeigt, dass die Linksparteien auch gemeinsam keine Chance mehr gegen die Rechte haben, die 60 Prozent der Stimmen auf sich vereint. Und Sánchez’ linker Minderheitsregierung in Ma­drid drohen weitere Niederlagen. Im Fe­bruar wird in Aragón gewählt, im März in Kastilien-León und spätestens im Juni in Andalusien. Dazu kommen im Mai die landesweiten Kommunalwahlen.

Untersuchungshaft für Sánchez’ enge Vertraute

Sánchez ist politisch schwer angeschlagen, selbst die sonst eher regierungsfreundliche Zeitung „El País“ spricht von einem Augenblick „extremer Schwäche“ und einem „technischen K. o.“. Doch von nationalen Neuwahlen, wie sie neben der Opposition auch die katholische Bischofskonferenz verlangt, will der Regierungschef nichts wissen. Er will bis zum regulären Ende der Legislaturperiode 2027 weiterregieren. Selbst eine Regierungsumbildung, die sein Koalitionspartner Sumar dringend fordert, lehnt Sánchez ab. Er begnügt sich mit Ankündigungen, wie der Einführung eines „Spanien-Tickets“ für den Bahnverkehr nach deutschem Vorbild.

Nicht nur in der Extremadura machen ihm und seiner unmittelbaren Umgebung Korruptionsvorwürfe zu schaffen. Dort kommt der regionale PSOE-Spitzenkandidat im Frühjahr vor Gericht. Im Mittelpunkt des Verfahrens wegen Amtsmissbrauchs und Vetternwirtschaft steht Sánchez’ Bruder David. Auch weitere PSOE-Politiker sind angeklagt. In Madrid er­mittelt ein Richter gegen die Ehefrau von Sánchez wegen des Verdachts auf Einflussnahme bei Vertragsvergaben.

Im Januar 2026 beginnt außerdem ein Prozess gegen den früheren Verkehrsminister José Luis Ábalos und dessen Berater Koldo García. Beide sitzen wegen „extremen Fluchtrisikos“ in Untersuchungshaft. Ihnen wird vorgeworfen, sich während der Corona-Pandemie bei staatlichen Maskenkäufen bereichert zu haben. Als PSOE-Organisationssekretär war Ábalos einst einer der engsten Vertrauten von Sánchez – wie Santos Cerdán, den der Parteichef 2021 zu dessen Nachfolger ernannte.

Bis vor Kurzem saß auch Cerdán in Untersuchungshaft. Gegen ihn laufen Ermittlungen, weil er Millionen Euro an Schmiergeldern für die Vergabe staat­licher Aufträge erhalten haben soll.

Das „MeToo“ der spanischen Sozialisten

Cerdáns Amt an der Parteispitze wollte der PSOE-Vorsitzende im Sommer Francisco Salazar geben, einem seiner wichtigsten Berater. Doch dazu kam es nicht: Mehrere Frauen warfen Salazar sexuelles Fehlverhalten und Machtmissbrauch vor. Und ein halbes Jahr später musste die Parteiführung eingestehen, dass sie die betroffenen Frauen nicht angemessen unterstützt hatte und ihren Anschuldigungen nicht nachgegangen sei. Gleichzeitig traten weitere PSOE-Regional- und Lokalpolitiker wegen des Vorwurfs sexueller Belästigungen zurück.

In Spanien sprechen einige schon vom „MeToo“ der Sozialisten. Laut Umfragen wenden sich immer mehr Spanierinnen von der Partei ab. Ohne die Stimmen der Frauen hat Sánchez bei den nächsten Wahlen keine Chance. „Wir haben Fehler gemacht, wie alle anderen auch, aber wir stellen uns diesen Fehlern und handeln entsprechend“, verteidigte sich Sánchez. „Das Engagement der Regierung und der PSOE für den Feminismus ist absolut“, beteuerte er.

Aber die jüngsten Vorfälle treffen Sánchez hart, denn er hatte sich als Vorkämpfer für Frauenrechte und ge­gen Korruption präsentiert. 2017 hatte er die damalige PP-Regierung nach dem größten Korruptionsverfahren Spaniens durch ein Misstrauensvotum gestürzt. Danach versprach Sánchez eine neue „saubere“ Politik.

Nun wenden sich selbst seine bisherigen Partner von ihm ab, wie die separatistische Junts-Partei und Podemos. Im Parlament hat er wieder keine Mehrheit für den neuen Haushalt gefunden. Wie bei früheren Wahlen versucht sich Sánchez wieder mit Warnungen vor den Rechtspopulisten zu retten: „Eine Regierung von PP und Vox wäre der größte historische Fehler Spaniens.“ Gestärkt durch den Erfolg in der Extremadura fordert Vox von der PP einen „großen politischen Wandel“ als Preis für ihre Unterstützung der wiedergewählten Regionalpräsidentin. Sonst könnten wieder Wahlen drohen.