Söder kritisiert DOSB: Deutschlands Olympia-Pläne – Chaos statt Konzept

Stand: 30.11.2024 08:10 Uhr

Deutschland will Olympia ausrichten, doch schon die Kandidatensuche verläuft chaotisch. Das DOSB-Präsidium gerät schwer in die Kritik.

Von Robert Kempe und Volker Schulte

Mehr als 50 Jahre ist es her, dass Deutschland Olympische Spiele ausgerichtet hat. Sieben Versuche sind seither gescheitert, aber Sport und Politik haben den nächsten Anlauf gestartet: 2036 oder 2040 sollen die Sommerspiele nach Deutschland kommen. Interesse bekundet haben Berlin, München, Hamburg, Leipzig und die Rhein-Ruhr-Region.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) ließ Ende 2023 seine Mitgliederversammlung feierlich die sogenannte „Frankfurter Erklärung“ anerkennen. Damit wurde der DOSB beauftragt, „im kommenden Jahr ein Bewerbungskonzept zu erstellen, das (…) erste konkrete Maßnahmen zur Erreichung der Ziele skizziert“.

Olympia-Träume ohne Konzept

Nun ist das besagte „kommende Jahr“ fast vorbei und der DOSB lädt für den 7. Dezember erneut zur Mitgliederversammlung. Dort sollen die Mitglieder laut Tagesordnung entscheiden, mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) in den sogenannten kontinuierlichen Dialog über die Olympiavergabe zu treten.

Allerdings ist von einem Bewerbungskonzept mit konkreten Maßnahmen noch gar nichts zu sehen. „Bei aller Wertschätzung der Arbeit, die geleistet worden ist – meines Erachtens hat keine Stadt ein Sportstättenkonzept, ein Finanzierungskonzept, ein Verkehrskonzept, das hinreichend tief und belastbar ist“, sagte Sportökonom Wolfgang Maennig der Sportschau.

Nun doch keine gemeinsame Bewerbung?

Das Fehlen von Details hängt womöglich auch damit zusammen, dass selbst Grundsatzfragen wieder neu diskutiert werden. Bisher lautete die Marschroute auch von DOSB-Präsident Thomas Weikert, dass es eine gemeinsame deutsche Bewerbung mit mindestens zwei Städten und Regionen geben solle.

„Wir müssen uns davon verabschieden, dass es an einem Ort stattfindet. Das wird in Deutschland nicht funktionieren“, sagte Weikert Ende 2023 in einer Diskussionsrunde. Dass dann ein großes, gemeinsames olympisches Dorf wegfalle, müsse man in Kauf nehmen.

Mittlerweile allerdings läuft es doch auf eine Einzelbewerbung einer Stadt mit ihrer Region hinaus – davon geht man vielerorts aus.

Söder befürchtet Schaden für deutsche Bewerbung

Eine einvernehmliche Lösung scheint dadurch kaum möglich, es droht ein Ausscheidungswettbewerb – und der könnte einer deutschen Bewerbung schaden, befürchtet Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). „Wir hätten nichts dagegen gehabt, wenn man eine Bewerbung mit mehreren Städten macht“, sagte er der Sportschau. „Die Welt kennt die Weltstädte München oder Berlin. Aber ob einzelne Städte im Ruhrgebiet und am Rhein international vergleichbar sind und eine Faszination wie Paris oder London haben, ist doch fraglich.“

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU)

Der DOSB muss nun also einen Wettbewerb der Städte und Regionen moderieren und eine harte Entscheidung treffen. Jüngst sind allerdings Zweifel aufgekommen, ob er unter der aktuellen Führung einer solchen Aufgabe gewachsen ist.

Debakel bei World-Games-Vergabe

Schon bei einem weitaus weniger komplexen Entscheid, der Vergabe der World Games 2029, versagte der DOSB. Die Bewerberstadt Karlsruhe hatte offenbar früh Signale erhalten, dass es den Zuschlag für die Spiele der nicht-olympischen Sportarten erhält. Konkurrent Hannover ahnte davon nichts.

Die Ethikkommission des DOSB unter der Leitung des früheren Bundesinnenminister Thomas de Maizière (DOSB) untersuchte die Vergabe und stellte fest, diese sei „von Anfang an misslich und unprofessionell durchgeführt worden“. Der DOSB räumte daraufhin ein, dem Vergabeprozess habe es in „erheblichem Umfang an der notwendigen Professionalität gemangelt“.

Söder fordert Einbeziehung der DOSB-Ethikkommission

Vor diesem Hintergrund fordert Söder für die Olympia-Kandidatensuche ein nachvollziehbares Verfahren und die Einbeziehung der DOSB-Ethikkommission. „Es braucht maximale Transparenz und Fairness. Es darf nicht der Eindruck bestehen, dass die Entscheidung schon gefallen ist. Es braucht eine Art ethisches Controlling. Am Ende sollte es dann ein Ergebnis geben, das für alle nachvollziehbar ist und gemeinsam mitgetragen wird.“

Posse um Vorstands-Chef Burmester

Ein weiterer schwerer Rückschlag für den DOSB ist die Posse um den Vorstands-Chef Torsten Burmester. Dieser hat sich als SPD-Kandidat für die Oberbürgermeisterwahl in Köln aufstellen lassen, also in einer Stadt, die sich als Teil der Rhein-Ruhr-Initiative um olympische Wettbewerbe bemüht. Parallel zum Wahlkampf müsste er als oberster Festangestellter des DOSB den Prozess um die Ausrichtersuche für Olympia verantworten.

Nur wenige Minuten, nachdem Burmester bei seiner Vorstellung in Köln ernsthaft sagte, er sehe keinen Interessenkonflikt durch seine Kandidatur, kündigte der DOSB einen personellen Wechsel an. Nach Sportschau-Informationen ist Burmester bereits freigestellt von seinen Aufgaben – der Verband steht nun mitten in wegweisenden Zeiten ohne Führungskraft da.

Michael Mronz: IOC, DOSB und Rhein-Ruhr-City

Auch im DOSB-Präsidium gibt es eine fragwürdige Konstellation. Dort sitzt als Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) Michael Mronz. Der Sportmanager hatte einst die Initiative Rhein-Ruhr-City mit ins Leben gerufen, war mit seinen Bemühungen um die Sommerspiele 2032 aber kläglich gescheitert. Vor gut einem Jahr ist Mronz überraschend ins IOC gewählt worden, ist seither also Teil jener Organisation, die die Olympischen Spiele vergibt.

Seine Tätigkeiten für Rhein-Ruhr-City lässt Mronz seither ruhen, sagt er. Gleichwohl führt ihn das Handelsregister auch am 29. November 2024 noch als alleinigen Geschäftsführer der Rhein Ruhr City GmbH.

Söder warnt vor Interessenkonflikten

Mit Blick auf die Personalien Burmester und Mronz, den er persönlich schätze, warnt Söder vor möglichen Interessenkonflikten. „Ich empfehle allen Beteiligten, persönlich sehr darauf zu achten, sich zurückzuhalten. Es darf kein abgekartetes Spiel sein.“

Zu den vielen hausgemachten Problemen kommt noch das Aus der Ampelregierung. Alle Beteuerungen von Bundeskanzler Scholz und finanzielle Zusagen vom Bund zählen nichts mehr, wenn demnächst eine andere Regierung übernimmt.

Die Bewerbung um Olympische Spiele soll eine Aufbruchstimmung erzeugen, heißt es oft. Davon ist der DOSB wenige Tage vor seiner Mitgliederversammlung weit entfernt.

Ein Beitrag zum Thema läuft in der Sportschau am Sonntag, 1. Dezember, ab 19.15 Uhr im Ersten.