So war das Konzert des Israel Philharmonic Orchestra in München – Kultur

Eine Grundanspannung lag über diesem Abend, an dem das Israel Philharmonic Orchestra unter seinem Chefdirigenten Lahav Shani in der Münchner Isarphilharmonie zu Gast war. Die Europatournee des berühmten Orchesters, die von Essen über Frankfurt, Hamburg, Köln nach Paris, Luxemburg nach München führte und in Prag enden wird, war teilweise von massiven Störungen begleitet gewesen. So kam es in Köln zu Zwischenrufen und Parolen aus dem Publikum, in Paris sogar zum Abbrennen von Bengalos und Tumulten im Konzertsaal. Man attackierte die Musiker, meinte aber eigentlich das militärische Vorgehen der israelischen Regierung in Gaza nach dem brutalen Überfall der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023. Schon Wochen zuvor war Shani gemeinsam mit den Münchner Philharmonikern von einem Musikfestival im belgischen Gent ausgeladen worden.

Auch für München, wo das Orchester zusammen mit dem Pianisten Igor Levit das 5. Klavierkonzert in Es-Dur von Ludwig van Beethoven und anschließend die 5. Symphonie op. 64 von Peter Tschaikowsky spielen wollte, waren Demonstrationen sowohl für das Orchester als auch dagegen angekündigt worden. Doch vor der Isarphilharmonie hatten sich nur jeweils eine Handvoll Fahnen schwenkender und Transparente hochhaltender Aktivisten eingefunden, getrennt durch Polizei und Sicherheitskräfte. Im üblichen Straßenlärm an der großen Kreuzung, an der der Konzertsaal liegt, gingen die Rufe weitgehend unter. Im ausverkauften Saal selbst, den man nur nach Taschenkontrolle und Garderobenzwang betreten durfte, war Sicherheitspersonal verteilt.

Als die Musiker dann einzogen, empfing sie Begrüßungssturm, in dem deutliche Erleichterung mitklang. Schnell verwandelte sich die Anspannung bei allen Anwesenden in Konzentration, die den Abend zu einem höchst anregenden Ereignis machte. Denn die sicht- und spürbar dichte Kommunikation zwischen Dirigent und Orchester übertrug sich auch auf die Zuhörerinnen und Zuhörer. Das Geheimnis gelungener Musikaufführungen wurde wieder einmal begreifbar: das gemeinsame Erleben von Musik in der Dreieinigkeit von Werk, Musikern und Publikum.

Beethovens Es-Dur-Klavierkonzert ist eine Art Schlusspunkt seiner Beschäftigung mit dem Konzert-Genre: Er verfolgte in mehreren Schritten über die vier früheren Klavierkonzerte, jenem für Violine und dem Tripelkonzert die Idee eines symphonischen Konzerts, bei dem es kein Schema der Abwechslung von Solo und Tutti mehr gibt, sondern das Soloinstrument primus inter pares wird. So hat auch Igor Levit mit aller souveränen Virtuosität seinen Part verstanden. Es entspann sich sofort und über die drei Sätze des Stücks hin ein vitaler Dialog. Im Kopfsatz packte Levit schwungvoll zu, geschmeidig und differenziert beantwortet und mitgetragen von Orchester und Dirigent. Das Adagio war erfüllt von produktiver, einander zuhörender und ansteckender Spannung, die sich am Ende verdichtete, um dann lustvoll ins Finale hineinzuspringen. Den Ovationen dankte Levit mit dem Adagio aus Beethovens „Pathétique“-Sonate.

Wer Shani und seinem Israel Philharmonic an diesem Abend zuhörte, erlebte eine Glanzleistung

Dass Tschaikowsky seine 5. Symphonie für misslungen hielt, mutet seltsam an, denn das Stück war von Beginn an erfolgreich, glänzt durch ausdrucksvolle Instrumentalsoli (sehr schön das schwebende Horn im Andante cantabile), vermag tänzerische Eleganz und klangliche Zartheit im dritten Satz zu entfalten und hat in den großen Höhepunkten emphatische Kraft. Dass das Finale dann triumphal endet, empfand Tschaikowsky später als Willkürakt. Wer Lahav Shani und seinem Israel Philharmonic an diesem Abend zuhörte, erlebte eine orchestrale Glanzleistung, die davon geprägt war, selbst die dichtesten Klangballungen nicht als Lärm erscheinen zu lassen, sondern stets die Vielgliedrigkeit des Klangkörpers bis in feine Verästelungen hinein zu verdeutlichen. Der Eindruck, das symphonische Geschehen als groß angelegte Kammermusik zu verstehen, bei der alle gleichermaßen beteiligt sind, erfasste alle.

Der Klang des Israel Philharmonic unter der im besten Sinne impulsiven Leitung von Shani wirkt immer vielfältig, selbst im Fortissimo nie kompakt oder gar schwerfällig. Der Streicherchorus imponiert durch ausgesprochene Wärme, die Holzbläser besitzen Klangfarbenreichtum, während das Blech nie vorlaut wird und die Pauke keinen Krach veranstaltet. Den Standing Ovations stellten Shani und das Orchester als Zugabe mit Edward Elgars „Nimrod“ aus den Enigma-Variationen noch einmal ein eindrückliches Klangdenkmal gegenüber: das Orchester als in allen Teilen lebendiger Organismus.