Hoch konzentriert steht ein Team von Ärzten und Pflegern rund um einen fahrbaren Monitor auf dem Gang und bespricht den Zustand der Patienten. Es ist kurz nach sieben Uhr in der Früh, und auf der Intensivstation im alten Bau der Helios Horst-Schmidt-Kliniken (HSK) summt es wie in einem Bienenstock. Ärzte, Schwestern und Pfleger bereiten sich darauf vor, eine logistische Herausforderung zu bewältigen, die für fast alle eine Premiere ist.
Denn am Montag hat der langersehnte Umzug in den Neubau der Wiesbadener Klinik begonnen. Die sogenannten High-Care-Patienten der Intensivstation sind die ersten, die in ihren Betten in das neue Klinikgebäude transportiert werden.
Die Helios HSK ist seit Jahrzehnten ein essenzieller Bestandteil der medizinischen Versorgung in der Landeshauptstadt und der Region, etwa 100.000 Patienten sind im vergangenen Jahr dort stationär und ambulant behandelt worden. Das Gebäude war jedoch in die Jahre gekommen. Nach Verzögerungen kann nun der benachbarte Neubau bezogen werden. Mit Küche, Logistik und Reinigung werden dort künftig rund 3000 Menschen arbeiten, und es können 924 Patienten aufgenommen werden. Insgesamt gibt es 22 Operations- und sechs Kreißsäle.
Eingespielte Teams und routinierte Abläufe
Vor der Tür der Notaufnahme steht ein Rettungswagen, der einen Patienten in die neue Klinik fahren wird, drei weitere werden in ihren Betten transportiert. „Braucht ihr mehr Manpower?“, fragt Nami Toksun, Leiter der Logistik, und bietet gemeinsam mit seinen Leuten Hilfe an. Doch Ann-Christine Schulz, die Pflegeleiterin der Intensivstation, antwortet lachend: „Wir sind völlig entspannt.“ Ob sie das ernst meint, erschließt sich nicht.
Dann geht es auch schon los: Auf dem Gang liegen drei Patienten in ihren Betten, die nicht bei Bewusstsein sind und beatmet werden. 8,5 Minuten soll es maximal dauern, die drei High-Care-Intensivpatienten in den Betten über einen extra eingerichteten Weg in den Neubau der Klinik zu fahren.
Etwa 20 Ärzte und Schwestern begleiten die drei und schieben die Betten durch die verwinkelten Gänge. Jetzt darf nichts schiefgehen, denn die Menschen sind ohnehin gesundheitlich stark angeschlagen. Die Teams der Klinik sind eingespielt. Es wird nur wenig gesprochen. Moritz Unglaube, Direktor der Klinik für interdisziplinäre Intensivmedizin und Intermediate Care, lässt seine Patienten nicht aus den Augen.
72 Meter langer mobiler Verbindungstunnel
Hinter den Betten schieben weitere Mitarbeiter Gestelle, an denen zusätzliche ärztliche Apparaturen befestigt sind. „Das sind sogenannte Mobi-Docs. Da hängt ein Beatmungsgerät dran und eine mobile Absaugung“, sagt Unglaube und ergänzt: „Wir haben das zwar auch alles am Bett, um den Transport etwas leichter zu gestalten, aber wenn wir unterwegs ein Problem haben und ein Patient abgesaugt werden muss, dann haben wir alles dabei.“
Die Mobi-Docs transportieren auch zusätzliche Sauerstoffflaschen. „Wir sind gut gerüstet, im Aufzug ist auch ein Mobi-Doc, falls der Aufzug stecken bleibt.“ Auf den Betten der Patienten liegen Spritzenpumpen, die die Menschen kontinuierlich mit wichtigen Medikamenten versorgen, denn sie müssen während des Transports weiter Schmerzmittel, Kreislaufmedikamente und andere Substanzen verabreicht bekommen.
Mittlerweile ist der kleine Konvoi am Aufzug angekommen, und jeweils ein Patient wird mit seinem Team zwei Stockwerke tiefer gefahren. Von dort aus geht es zu einem 72 Meter langen mobilen Verbindungstunnel zwischen Alt- und Neubau, sodass die Kranken und auch die Mitarbeiter vor dem Regen an diesem noch dunklen Herbstmorgen geschützt sind.
Ohne Hast, aber durchaus zügig werden die Betten durch den Tunnel geschoben. Der Boden wurde nur für den Umzug neu asphaltiert, damit es während des Transports zu keinen größeren Erschütterungen für die Patienten kommt. Alle anderen Mitarbeiter achten darauf, nicht im Weg zu stehen, denn die Patienten sollen möglichst schnell in der neuen Intensivstation ankommen.
Die Logistik ist eine Herausforderung
„Der medizinische Transport des Patienten ist an sich gar nicht so sehr die Herausforderung, weil wir ganz oft mit diesen Patienten die Stationen verlassen“, sagt Unglaube. So würden High-Care-Patienten regelmäßig für die bildgebende Diagnostik zu CT- oder MRT-Untersuchungen gefahren, und auch dabei würden wichtige Vitalwerte wie Sauerstoffsättigung, Blutdruck und EKG während des Transports unablässig überwacht.
„Die Herausforderung ist eher die Logistik, weil wir mit insgesamt drei Intensivstationen in einem begrenzten Zeitraum umziehen müssen und dabei die ganzen Materialien, die eine Intensivstation benötigt, um zu funktionieren, in einer Doppelstruktur vorhalten“, erklärt der 44 Jahre alte leitende Arzt.
Ohne Zwischenfälle erreichen die drei Patienten den Neubau und werden direkt auf die neue Intensivstation gebracht. Dort ist alles bereit. „Wir stellen den Patienten auf seinen Bettplatz und sind in diesem Moment komplett funktionsfähig und betriebsbereit“, sagt Unglaube. Die Intensivstationen haben zusammen 72 Betten. Das gilt auch für eventuelle Notfälle in Wiesbaden und dem Rheingau-Taunus-Kreis.
Der Rettungshubschrauber kann schon die Notaufnahme des Neubaus anfliegen, sein Landeplatz ist auf dem Dach. „In Hessen bekommen wir die Patienten über die Leitstelle zugewiesen. Sobald wir mit den Patienten im Neubau sind, wird der sogenannte Patientenübergabepunkt im System umgestellt“, so Unglaube weiter.
Doppelstrukturen bis der Umzug abgeschlossen ist
Der Klinikdirektor macht einen ziemlich entspannten Eindruck, wenngleich er einräumt, dass dieser Umzug auch für ihn ein herausragendes Ereignis ist: „Dass ein ganzes Krankenhaus mit drei Intensivstationen umzieht, das erleben die wenigsten Ärzte in ihrer Karriere. Umso mehr freut es mich, das zu organisieren und leiten zu dürfen.“ Voller Freude kündigt er an: „Jetzt füllen wir die Klinik mit Leben.“
Allein für den Umzug der Intensivstationen sind über den Tag verteilt 21 Ärzte im Einsatz. Die Pflege ist im Frühdienst doppelt besetzt. Insgesamt werden sich mehr als 50 Mitarbeiter darum kümmern, dass es ihren Patienten gut geht. Dabei ist das erst der Anfang. Insgesamt werden bis Donnerstag 30 Fachabteilungen mit ihren Patienten umziehen.
Schon am ersten Tag werden alle erwachsenen Intensivpatienten sowie die ersten Patienten der Allgemeinchirurgie und der Gastroenterologie verlegt – etwa 50 Personen insgesamt. Auch ein Teil der Operations- und Kreißsäle wurde schon in Betrieb genommen, die Klinik arbeitet mit Doppelstrukturen, bis der Umzug abgeschlossen ist.
Vorbereitung dauerte mehr als drei Jahre
Am Empfang des Neubaus wartet Sven Axt, Geschäftsführer der Helios Kliniken Wiesbaden-Taunus, auf die drei High-Care-Patienten. „Ich fühle mich gut, es ist ein wenig ein surreales Gefühl“, sagt er, nachdem der Transport der drei Intensivpatienten gelungen ist. „Wir haben lange Zeit sehr konzentriert auf den Umzug hingearbeitet. Ganz beruhigt sind wir, wenn alle Patienten gut und sicher angekommen sind“, sagt Axt, der nach eigener Aussage in den vergangenen Tagen gut geschlafen hat.
Dass der Umzug so reibungslos über die Bühne geht, ist auch der Verdienst von Julia Zimmer, die als Projektmanagerin der Geschäftsführung für den Umzug verantwortlich ist. Sie steht ebenfalls am Empfang und telefoniert mit den jeweiligen Abteilungen, die als Nächstes umziehen. „Ich fühle mich sehr gut, mir fällt ein Riesenstein vom Herzen“, sagt die Projektleiterin, nachdem die ersten Umzüge gut verlaufen sind.
Einen Klinikumzug in solchen Dimensionen hat auch sie nach eigener Aussage bisher nicht organisiert. „Wir haben uns mehr als drei Jahre intensiv vorbereitet. Wir haben mit allen Fachbereichen jede kleine Information im Detail ausgetauscht, zig Sitzungen gehabt und alle Mitarbeiter informiert“, sagt sie. Zimmer und ihr Team sind die Umzugswege abgelaufen, haben die benötigte Zeit gemessen und zeitliche Abläufe definiert. Viel mehr kann sie nicht sagen, denn dann klingelt abermals das Telefon.
In der alten Intensivstation leeren sich unterdessen die Zimmer, nachdem auch die anderen Patienten sukzessive in den Neubau gebracht wurden. Intensivpflegeleiterin Schulz spricht mit ihren Kolleginnen über die weiteren Schritte und freut sich, dass der Umzug „entspannter als erwartet“ ist.
In die Freude über die gelungene Organisation mischt sich ein bisschen Wehmut. „Ich bin seit 2013 hier auf der Station. und viele meiner Kolleginnen waren hier sogar 20 Jahre tätig. Wir gehen mit einem weinenden Auge“, sagt sie, stellt dann aber klar: „Es beginnt eine neue Etappe. Der Neubau ist so toll geworden, wir freuen uns auch.“