So isst Politik: In der Kantine mit Dorothee Bär

Chefs können nicht wie normale Leute in die Kantine gehen. Sie sind nun mal Chefs. Während die Theorie besagt, dass sie ihre Mittagspause genussvoll über Stunden ausdehnen, sieht die Praxis oft eher so aus, dass keine Zeit für Essen ist. Statt eines warmen Tagesgerichts muss dann ein Salat am Schreibtisch, ein Brötchen im Auto, eine Portion Konferenzkekse reichen. Und wenn Chefs doch mal in die Kantine gehen, schauen ihre Mitarbeiter ganz genau hin. Der Besuch ist immer auch eine Botschaft: Ich bin wie ihr, esse wie ihr. Das wollen nicht alle glauben.

Kommt halt auf den Chef an. Beziehungsweise die Chefin. Bundesforschungsministerin Dorothee Bär lobt ihre Kantine jedenfalls dermaßen, dass zumindest das Catering-Personal sie dafür lieben dürfte. Öffentlich und nicht öffentlich mutmaßte sie in den vergangenen Wochen, dass kein Ministerium eine bessere Küche habe. Aus ihrem Haus ist zu hören, dass sie tatsächlich manchmal dort essen gehe. Darf die F.A.S. mal mitkommen? Sehr gern, so die Ministerin.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.



Donnerstag, zwölf Uhr, Hochbetrieb. Die Sommerferien sind vorbei, außerdem ist Sitzungswoche. Da schaffe sie es selten in die Kantine, gibt Bär zu. In der Sommerpause ging das schon eher, da hatte sie manchmal ihre Töchter dabei, die in Berlin zu Besuch waren. Und sonst holt Bärs Team manchmal auch Kantinenessen rauf ins Büro. Heute aber geht der Blick in eine Glasvitrine: Dort sind die vier Gerichte des Tages ausgestellt. Warme Mahlzeiten, die länger rumstehen, gewinnen allerdings nicht an Attraktivität; deshalb lieber zur Theke.

Ministerielle Gartenfreuden
Ministerielle GartenfreudenFriederike Haupt

Bärs Wahl fällt auf das Schweineschnitzel mit Gemüse und Kartoffeln. Muss man als CSU-Politikerin Fleisch bestellen, um dem Parteivorsitzenden alle Ehre zu machen? Nein, das Gericht sieht einfach am besten aus. Es gebe immer auch ein vegetarisches, betont die Ministerin. Klar: Ein Haus, das sich der Raumfahrt verschreibt, kann kulinarisch nicht allein auf Stammtischkost setzen.

Ausnahmsweise Zeit für Nachtisch

Doch dann das: Bär lässt sich eine Schale mit Ketchup füllen. Ketchup zu Schnitzel? Ja, oder Preiselbeeren. Sie gebe aber gern von ihrem Ketchup ab. Nein, danke, die F.A.S. bevorzugt Zitrone. Und schon sind wir bei den großen Themen, etwa: dem Miteinander in unserem Land. Könnte die Regierung es den Bürgern so leicht recht machen wie die Kantine ihren Gästen, wäre das Leben schöner.

Auch schön ist es aber im Hof des Ministeriums. Dort sitzt, wer noch Lust auf einen Affogato oder dunkle Nussschokolade hat – oder auf beides, wie Bär. Zu haben ist es in der kleinen Cafeteria nebenan. Der Verkäufer freut sich erkennbar, Bär bedienen zu dürfen; und warum auch nicht? Chefs können anstrengende Gäste sein. Chefinnen auch. Diese aber wirkt vor allem dankbar: dafür, dass ausnahmsweise mal Zeit für Nachtisch ist.