Sind Kürzungen Schuld am Ausmaß der Katastrophe?


Auch Tage nach der schweren Sturzflut in Texas waren Rettungsmannschaften und Anwohner noch damit beschäftigt, Vermisste ausfindig zu machen, Straßen freizuräumen und Habseligkeiten in Sicherheit zu bringen. Doch in den sozialen Netzwerken und in der Politik entfaltete sich zu diesem Zeitpunkt schon eine hitzige Debatte. Wer trägt die Verantwortung für das Ausmaß der Katastrophe mit bislang mehr als achtzig Toten? Wurde zu spät gewarnt? War die Arbeit des Wetterdienstes durch die Kürzungen der Trump-Regierung beeinträchtigt?

Der demokratische Abgeordnete Joaquin Castro aus Texas forderte am Sonntag eine Untersuchung, ob Personalmangel beim Nationalen Wetterdienst die Reaktion auf die verheerende Flut erschwert habe. Er wolle nicht mit Bestimmtheit sagen, das sei der Fall gewesen, sagte Castro im Interview mit dem Sender CNN. Doch es müsse untersucht werden, zu wenig Personal sei „niemals hilfreich“.

Personalmangel hatte sich verdoppelt

Die Parteiorganisation der Demokraten legte auf Instagram nach. In einem Beitrag hieß es: „Zur Erinnerung: Der Personalmangel in den Büros des Nationalen Wetterdienstes in San Angelo und San Antonio hat sich unter der Trump-Regierung verdoppelt.“

Diese Information stammte aus einem Gespräch der „New York Times“ mit Tom Fahy, einem Vertreter der Gewerkschaft für Mitarbeiter des Nationalen Wetterdienstes. Laut Fahy waren in örtlichen Abteilungen, die für besonders hart getroffene Gebiete in Texas zuständig waren, entscheidende Stellen nicht besetzt. Demnach gibt es im Büro von San Angelo derzeit keinen leitenden Hydrologen oder Meteorologen und es fehlt an Mitarbeitern für Vorhersagen.

In San Antonio fehle außerdem ein für Wetterwarnungen zuständiger Meteorologe, der mit den örtlichen Zuständigen plant, wie im Katastrophenfall zu reagieren ist. Fachleute legten am Wochenende nahe, es könnte vor allem wegen nicht ausreichender Kommunikation mit den lokalen Behörden zu den verheerenden Folgen der Flut gekommen sein.

Kein Flut-Warnsystem mit Sirenen

Die Warnungen des Wetterdienstes in der Nacht zum vergangenen Freitag hatten viele schlafen Personen in den Gebieten offenbar nicht erreicht. Vorangegangene Warnungen waren noch von weitaus geringeren Regenfällen ausgegangen. Der besonders hart getroffene Bezirk Kerr County, rund achtzig Kilometer von San Antonio entfernt, verfügte noch dazu offenbar nicht über ein Flut-Warnsystem mit Sirenen. Der höchste gewählte Beamte des Bezirks sagte am Freitag, solche Systeme seien teuer und die Steuerzahler hätten kein Interesse daran gehabt, dafür aufzukommen.

Das Problem könnte jedoch tiefer liegen. Schon Anfang Mai hatten fünf frühere Direktoren des Nationalen Wetterdienstes in einem offenen Brief vor den Folgen der geplanten Kürzungen in Höhe von mehr als zwei Milliarden Dollar bei der „National Oceanic and Atmospheric Administration“ gewarnt, welcher der Wetterdienst (NWS) unterstellt ist.

„Schlimmster Albtraum sind unnötige Todesfälle“

In dem Schreiben hieß es, selbst wenn beim NWS selbst nicht gespart werde, werde es „wegen der engen Verzahnung aller Bereiche“ Auswirkungen auf die Wettervorhersagen geben. „Das dürfen wir nicht zulassen.“ Zuvor hatten etwa 300 Angestellte des Wetterdienstes das Angebot der Trump-Regierung angenommen, in den vorzeitigen Ruhestand zu gehen. Weitere 250 Mitarbeiter waren nach der Probezeit entlassen worden oder hatten eine Abfindung akzeptiert.

Die früheren Direktoren äußerten damals: „Unser schlimmster Albtraum ist, dass die Behörden für Wettervorhersagen so unterbesetzt sein werden, dass es zu unnötigen Todesfällen kommt.“ Im Juni dann hatte es geheißen, der Wetterdienst dürfe trotz des für Bundesbehörden verhängten Einstellungsstopps gut 120 Stellen neu besetzen.

Präsident Donald Trump gab am Sonntag bekannt, er habe den Katastrophenfall für den besonders schwer getroffenen Bezirk Kerr County ausgerufen, um mehr Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Es handele sich um eine „unvorstellbare Tragödie“. Auf Nachfrage sagte Trump, es handele sich beim Wetterdienst um eine Situation aus Zeiten der Biden-Regierung. Weiter sagte Trump ungewöhnlicherweise, er wolle seinen Vorgänger Joe Biden aber nicht dafür verantwortlich machen: Es handele sich um eine Jahrhundertkatastrophe.

In Zentraltexas stieg die Zahl der Todesopfer am Sonntagabend derweil auf mehr als achtzig. Die meisten Toten gab es in Kerr County, unter ihnen mindestens 28 Kinder, die ihre Sommerferien in einem Camp am Fluss Guadalupe verbrachten, dessen Pegel bei der Flut binnen weniger als einer Stunde um acht Meter gestiegen war. Der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, warnte am Sonntag angesichts anhaltender Regenfälle vor der Gefahr weiterer Überschwemmungen in der Region.