
Zuletzt hatte es vor allem die kriselnde Autoindustrie und deren Zulieferer getroffen. Ob Volkswagen, Porsche, Audi, Continental, ZF oder Schaeffler, überall wird gespart, überall sollen angesichts der schlecht laufenden Konjunktur und der schleppenden Nachfrage tausende Stellen wegfallen. Nun meldet sich ein deutscher Technologiekonzern, bei dem die Geschäfte zuletzt eigentlich gut liefen: Siemens.
Das Münchner Unternehmen teilte am Dienstag mit, dass rund 6000 Jobs wegfallen sollen, davon knapp die Hälfte in Deutschland. Betroffen sei vor allem der Bereich Industrieautomatisierung, das ist der Kern der Sparte Digital Industries (Kürzel DI), ein Zukunftsgeschäft von Siemens. Hier sollen allein 5600 Stellen gestrichen werden, davon 2500 in Deutschland. Die Pläne seien den Arbeitnehmervertretern am Dienstag vorgestellt worden, teilte Siemens mit. Zudem stehen 450 Stellen im Geschäft mit Ladesäulen für Elektroautos zur Disposition, das nie richtig in Schwung gekommen ist und nun aus der Gebäudetechnik-Sparte, die den Namen Smart Infrastructure trägt, ausgegliedert werden soll.
Überraschendes Ausmaß
Siemens-Chef Roland Busch hatte bereits im Herbst einen Stellenabbau angekündigt, aber ohne Einzelheiten zu nennen. Das jetzige Ausmaß überrascht nun. Es soll keine betriebsbedingten Kündigungen, teilte Siemens mit. Und der Konzern bekenne sich weiterhin zum Standort Deutschland, hieß es weiter. Aber: „Insbesondere der deutsche Markt ist seit zwei Jahren rückläufig. Daher müssen Kapazitäten in Deutschland angepasst werden.“ Insgesamt werde der Personalbestand in Deutschland aber „in der Tendenz konstant“ bleiben, da Siemens in anderen, wachsenden Bereichen neue Mitarbeiter einstelle.
Bayern könnte vom aktuellen Stellenabbau besonders betroffen sein, auch wenn dazu noch keine genauen Informationen vorliegen. Die meisten deutschen Werke der Sparte sind in Bayern. Weltweit beschäftigt Siemens mehr als 310 000 Menschen, davon 86 000 alleine in Deutschland. In der stark betroffenen Sparte DI sind es weltweit 68 000. Im Geschäftsjahr 2024 lag der Umsatz des Konzerns bei 75,9 Milliarden Euro und der Gewinn nach Steuern bei neun Milliarden Euro. Die Geschäfte laufen, anders als etwa in der Automobilindustrie, gut. Die Aktie geht schon seit Längerem vor allem nach oben und liegt bei mehr als 230 Euro.
Der Betriebsrat warnt
Die Arbeitnehmer kritisieren vor diesem Hintergrund das Vorgehen der Siemens-Führung scharf. „Wir haben kein Verständnis für die geplanten Maßnahmen bei der DI und sind angesichts der massiven geplanten Abbauzahl überrascht und verärgert“, wird die Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats und stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrates, Birgit Steinborn, zitiert. Jobs dürften nicht „zugunsten der Profitmarge abgebaut werden“, sagte sie. Auch der zweite Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Kerner, der ebenfalls im Siemens-Aufsichtsrat sitzt, kritisierte die Pläne. „Auf der einen Seite das zukunftsorientierte Zielbild einer „One Tech Company“ zu entwerfen, und auf der anderen Tausende Stellen abzubauen, ist den Beschäftigten nicht vermittelbar“, sagte er. Das Vertrauen sei dann schwer wieder zu reparieren.
Erst am Montag hatte der Autobauer Audi einen deutlichen Abbau von Stellen bekannt gegeben. 7500 Jobs sollen wegfallen. Der Verkauf von Elektroautos kommt nicht in Schwung, das Geschäft in den USA ist durch mögliche Zölle bedroht. Jetzt wird sogar über eine verlängerte Produktion von Verbrenner-Modellen nachgedacht. Auch Porsche will 1900 Stellen abbauen, VW mehr als 30 000. Dort stehen auch Werke zur Disposition.
Siemens begründet seine Streichpläne auch mit der Zurückhaltung in China. „Die Maßnahmen sollen bis zum Ende des Geschäftsjahrs 2027 umgesetzt sein“, teilte das Unternehmen mit. Die globale Nachfrage nach Automatisierungstechnik sei aber „langfristig intakt“. Jedoch mache die Verschiebung des Wachstums weg aus bisherigen Kernmärkten wie Deutschland und China „eine strukturelle Anpassung der Kapazitäten notwendig“. Siemens konzentriert sich auf die Bereiche Industrie, Infrastruktur, Mobilität und Gesundheitswesen (Siemens Healthineers). Das Energiegeschäft wurde unter dem Namen Siemens Energy ausgegliedert und ist nun selbständig.