Siemens spaltet Healthineers ab | FAZ

Der Technologiekonzern Siemens wird seine Mehrheitsbeteiligung an Siemens Healthineers deutlich reduzieren. Wie das Unternehmen am Mittwochabend mitteilte, soll die Beteiligung von derzeit 67 Prozent um 30 Prozentpunkte reduziert werden. In dieser Höhe werden die Siemens-Aktionäre Healthineers-Aktien erhalten. Damit verstärkt Siemens seine Fokussierung auf die Kerngeschäfte, insbesondere auf Industrieautomatisierung sowie Elektrifizierung und intelligente Gebäudetechnik.

Mit der Entkonsolidierung der seit dem Jahr 2018 an der Börse notierten Medizintechnikeinheit verliert der Siemens-Konzern knapp ein Drittel des Umsatzes. An diesem Donnerstag wird der Vorstandsvorsitzende Roland Busch neben der Veröffentlichung der Zahlen für das zurückliegende Geschäftsjahr 2024/25 (per 30. September) auch die neue Strategie vorstellen, mit der Siemens zur „One Tech Company“ werden will. Die Entkonsolidierung ist ein wichtiger Schritt dazu.

„Neue Wachstumsphase“

Busch ist es am Mittwoch gelungen, den Aufsichtsrat davon zu überzeugen. „Der heutige Tag markiert den Beginn der nächsten Wachstumsphase für Siemens“, kündigte er im Anschluss an. Dies sei ein konsequenter, nächster Schritt bei der Umsetzung der Strategie, der Verbindung der realen und der digitalen Welt, mit Fokus auf beschleunigtem, profitableren Wachstum der digitalen Geschäfte, vernetzter und softwaredefinierter Hardware sowie Künstlicher Intelligenz (KI) für die Industrie.

Nach Angaben von Siemens bietet der Schritt das Potenzial, langfristigen Wert für Siemens-Aktionäre zu schaffen als stärker fokussiertes Technologieunternehmen mit einem hochgradig synergetischen Siemens-Portfolio. Mit der Reduzierung auf eine signifikante Minderheitsbeteiligung strebt Siemens mehr Flexibilität in der Kapitalallokation an.

Nach den jüngsten Übernahmen der zwei US-Softwareunternehmen Altair und Dotmatics, die zusammen 15 Milliarden Dollar gekostet haben, hat Siemens zur Finanzierung die Beteiligung an Healthineers von 75 auf nun 67 Prozent abgebaut.

Healthineers freut sich

Die Entscheidung des Konzerns begrüßte Bernd Montag, der Vorstandsvorsitzende von Siemens Healthineers: „Wir schätzen die Klarheit. Das ist eine gute Nachricht für Siemens Healthineers.“ Auf der Bilanzpressekonferenz in der vergangenen Woche hatte sich Montag mehr Klarheit über das weitere Vorgehen gewünscht. Mit dem höheren Streubesitz möchte Healthineers neue Investoren ansprechen. „Wir setzen damit unseren Weg zu einem vollkommen unabhängigen Unternehmen fort, den wir mit unserem Börsengang im Jahr 2018 begonnen haben”, kündigte Montag nun an.

Die Abbaupläne des Mutterkonzerns belasteten in diesem Jahr den Aktienkurs von Healthineers. Siemens-Finanzvorstand Ralf Thomas, zugleich Aufsichtsratsvorsitzender von Healthineers, hatte Ende 2024 den Sinn der Mehrheitsbeteiligung infrage gestellt. Healthineers kommt auf einen Börsenwert von 50 Milliarden Euro, womit die 67 Prozent von Siemens knapp 34 Milliarden Euro wert sind. Der Konzern will vorerst weiterhin als Minderheitsaktionär am attraktiven Geschäft von Healthineers partizipieren. Mittelfristig sei geplant, die Beteiligung auf eine Finanzbeteiligung zu reduzieren.

Siemens will mit der Beteiligung verantwortungsvoll und im Sinne der Anteilseigner umgehen. Finanzvorstand Thomas bezeichnete die Abspaltung als „marktfreundliche Anteilsübertragung“. Seinen Worten zufolge erweitert die Entkonsolidierung für Siemens Spielräume, erhöht die Transparenz, reduziert Komplexität für den Kapitalmarkt und vereinfacht die Governance-Strukturen.

Der 64 Jahre alte Thomas wird im kommenden Jahr altersbedingt aufhören. Zu seiner Nachfolgerin ernannte der Aufsichtsrat Veronika Bienert, die im Vorstand derzeit zuständig für das Serviceportfolio von Siemens Financial Services, Siemens Real Estate und Global Business Services ist. Darüber hinaus ist sie Vorstandsvorsitzende von Siemens Financial Services. Ihr Vertrag wurde vorzeitig zum 1. April 2026 um fünf Jahre verlängert, ebenso wie der von Peter Körte, Technologie- und Strategievorstand.

Wann genau Bienert das Finanzressort übernehmen wird, ist noch offen. Thomas, seit über einem Jahrzehnt Finanzvorstand und mehr als 30 Jahre für Siemens tätig, wird sein Amt nach einer sorgfältigen Übergangs- und Einarbeitungsphase an Bienert in einem geordneten Prozess übergeben. Er wird danach Aufsichtsratsvorsitzender von Healthineers bleiben.