
„Lewis! Lewis! Lewis!“ – so schallte es über den Rennplatz, den Shanghai International Circuit vor den Toren der 25-Millionen-Megalopolis. Und Lewis, Lewis Hamilton, der Ferrari-Superstar, strahlte, rannte ein paar Meter die Zielgerade entlang, winkte mit beiden Händen ins Publikum, erwiderte die Begeisterung der in Wallung geratenen chinesischen Fans. Hamilton, der Sieger, Lewis, che bello! Gerade hatte er sein erstes Formel-1-Rennen für seinen neuen Arbeitgeber gewonnen, die Scuderia Ferrari.
Nicht den Grand Prix zwar, der am Sonntag (8.00 Uhr MEZ im F.A.Z.-Liveticker zur Formel 1, bei Sky und RTL) stattfindet, aber immerhin das Kurzrennen von China, den Sprint über 100 Kilometer, den Oscar Piastri (McLaren) und Weltmeister Max Verstappen (Red Bull) am Samstag auf den Plätzen zwei und drei beendeten, und in dem der Rheinländer Nico Hülkenberg (Sauber) als Vorletzter ins Ziel kam.
„Großartige Arbeit“
„Von Runde eins an an diesem Wochenende habe ich mich wirklich gut gefühlt“, sagte Hamilton. „Wir haben großartige Arbeit geleistet. Die Ingenieure und die Mechaniker haben einen großartigen Job gemacht, um das Auto abzustimmen.“ Und weiter: „Es hat sich heute großartig angefühlt.“
Auch die Konkurrenz verneigte sich: „Das war sehr, sehr eindrucksvoll“, sagte Helmut Marko, Motorsportberater von Red Bull dem Sender Sky. „Er ist ein taktisch kluges und schnelles Rennen gefahren.“ McLaren-Teamchef Andrea Stella schloss sich an: „Ferrari war heute stärker als wir“, sagte der Italiener, dessen Ingenieurskarriere einst in Maranello begann. „Lewis hat gezeigt, dass er sehr stark ist. Er hat den Sieg verdient.“
„Die Leute lieben es, negativ zu sein“
„Ich bin heute mit einem guten Gefühl aufgewacht“, erzählte Hamilton. „Ich habe das Gefühl, dass viele Leute den steilen Aufstieg unterschätzt haben, den es bedeutet, sich in einem neuen Team zurechtzufinden, sich in einem Team zu akklimatisieren“, sagte er und setzte später, auf der Pressekonferenz im Fahrerlager, in Richtung seiner Kritiker nach: „Wir leben in schwierigen Zeiten“, sagte er, „die Leute lieben es, negativ zu sein und wilde Vermutungen darüber aufzustellen, was hinter den Kulissen geschieht.“
Dass Hamilton in Shanghai bestens zurechtkommt, hatte er oft genug bewiesen. Niemand gewann häufiger als er in China, wo die Formel 1 seit dem Jahr 2004 Station macht. Niemand stand häufiger auf der Pole-Position (jeweils sechsmal). Den Sieg im Sprint, vergütet mit acht WM-Punkten, sicherte sich Hamilton dank seiner Gabe, die weit über das bloße Vollgasfahren hinausgeht. In Shanghai war Hamilton zuvorderst als Reifenschmeichler gefordert, der die Abnutzung der Gummis wohl zu managen weiß. „Der Reifenverschleiß war enorm“, sagte er. Den Pirellis ist auf der reifenzehrenden China-Bahn ein kürzeres Leben beschieden als anderswo.
„Beide Vorderreifen sind hinüber“
Und während Verstappen und Titelfavorit Lando Norris bald die nachlassende Haftung ihrer Pirellis beklagten, sauste Hamilton vornweg. Nur einmal musste er eine Schrecksekunde überstehen, galt für einen Moment Alarmstufe Rot. Da gingen auch seine Walzen kurz in die Knie. „Graining vorn links“, meldete Hamilton an die Box und meinte das Körnen der Reifenoberfläche, das als sicheres Indiz einer Überlastung gilt.
Erzrivale Verstappen witterte seine Chance. Er raste heran, durfte die Überholhilfe DRS aktivieren, da er kurzzeitig weniger als eine Sekunde hinter dem Ferrari kreiste. Zu einer ernsthaften Attacke aber reichte es nicht. Schnell musste Verstappen abreißen lassen und in den Rückspiegel schauen. Darin tauchte Piastri formatfüllend auf und der Australier fand den Weg vorbei am Red Bull des Weltmeisters, dessen Pneus endgültig aufgaben. „Beide Vorderreifen sind hinüber“, meldete er.
„Können wir dir helfen?“
Für Hamilton war früh alles nach Plan gelaufen. Am Start zog er hart nach rechts, schnitt Verstappen den Weg ab und fuhr seiner Wege, dahinter sortierte sich das Feld. Für Lando Norris hingegen lief alles schief. Nach wenigen Hundert Metern, er steuerte eine Rechtskurve an, rutschte er zu weit nach links neben die Ideallinie, rumpelte über den Randstein, fiel zurück von Platz sechs auf neun.
In der McLaren-Garage verzweifelten sie: „Können wir dir irgendwie helfen?“, wurde Norris über Funk gefragt, „steckt noch mehr Tempo im Auto?“. „Nein“, antwortete Norris, „ich gebe Vollgas.“ Erst kurz vor Schluss gelang es ihm, Lance Stroll im Aston Martin zu überholen und wenigstens einen Punkt zu ergattern.
Schon die Qualifikation für das 100-Kilometer-Rennen war ihm vollends missglückt. Nur Sechster am Start nach einem Fehler im entscheidenden Versuch einer schnellen Runde. So schnell dreht sich der Wind in der Formel 1. Am vergangenen Wochenende noch bejubelt als Sieger auf der ganzen Linie, kamen plötzlich wieder Zweifel auf an der Titelreife des 25 Jahre alten Briten. „Ich war nicht gut heute“, sagte Norris. „Ich hab mich schrecklich gefühlt in diesem Rennen.“ Im WM-Klassement bleibt er zwar vorerst vorn, liegt aber nur noch zwei Punkte vor Verstappen (26:24).
Immerhin bietet sich Norris schon am Sonntag die Chance zur Wiedergutmachung. Zuvor steht am Samstagmorgen deutscher Zeit (8.00 Uhr MEZ im F.A.Z.-Liveticker zur Formel 1 und bei Sky) das Startplatzrennen für den Grand Prix auf dem Programm, der am Sonntag über 56 Runden (305 Kilometer) führt.