
Shein ist einer der größten Modehändler in Europa, steht aber ständig in der Kritik. Der Strategiechef des Online-Modehändlers bestreitet gegenüber WELT AM SONNTAG, gezielt Zölle zu umgehen und verrät, wie weitere Produktionsstätten in Europa und den USA Lieferzeiten künftig reduzieren sollen.
Der asiatische Modehändler Shein widerspricht dem Vorwurf, Pakete zu splitten, um beim Versand von Ware nach Europa unter der Zollfreigrenze von 150 Euro zu bleiben. „Wir verschicken Ware nach Bestelleingang, nicht wie es am zollgünstigsten ist“, sagte Shein-Strategiechef Peter Pernot-Day gegenüber WELT AM SONNTAG und bezeichnete den Vorwurf als „einen dieser Mythen, die ich gerne ausräumen möchte“.
Dass die Zollgrenze trotzdem in den meisten Fällen unterschritten werde, liege allein am niedrigen Preis der Produkte. Shein arbeitet nach dem sogenannten On-Demand-Modell: Das Unternehmen aus Singapur produziert neue Designs in kleinen Mengen, misst die Nachfrage in seinen Onlineshops in Echtzeit und produziert dann größere Mengen nur von denjenigen Produkten, die besonders gefragt sind.
Binnen weniger Jahre ist Shein damit zu einem der größten Modeanbieter weltweit geworden. „Wir bieten Apps und Webshops in 20 verschiedenen Sprachen an und liefern Ware in über 150 Länder. Dabei bedienen wir viele Millionen Kunden“, sagte Pernot-Day. Und das Potenzial sei weiterhin enorm. Im Zuge dessen werde zudem das Sortiment ausgeweitet, um eine breitere Zielgruppe anzusprechen.
Und Shein plant den Ausbau von Produktionsstätten in seinen wichtigsten Absatzmärkten Europa und Amerika. „Wir produzieren in China, der Türkei und in Brasilien. China ist dabei mit Abstand der größte Herstellungsort. An den anderen Standorten ist der Prozentsatz noch vergleichsweise moderat, die Produktion dort wird aber stetig ausgebaut“, sagte Pernot-Day. „Durch diese Lokalisierungsstrategie möchten wir künftig auch die Lieferzeiten weiter reduzieren.“ Aktuell dauert es sieben bis 14 Tage, ehe die Ware beim Kunden ankommt.
Shein will EU-Sicherheitsvorgaben erfüllen
Asiatische Online-Plattformen stehen massiv in der Kritik. Verbraucherschützer, Wirtschaftsverbände und Konkurrenz-Unternehmen werfen Anbietern wie Shein, Temu oder AliExpress unter anderem vor, gefährliche oder gefälschte Produkte zu verkaufen und beim Versand von Paketen bewusst Zollgrenzen zu umgehen.
Die Europäische Union (EU) hat deswegen Untersuchungen eingeleitet und plant eine stärkere Regulierung. Pernot-Day wies die Vorwürfe zurück. „2024 haben wir rund zwei Millionen Produktsicherheitstests machen lassen, unter anderem auch vom TÜV. Die beanstandeten Produkte haben wir zudem nochmal zusätzlich überprüft. Und alle entsprechen den strengen Vorgaben der REACH-Verordnung der Europäischen Union.“
Und nur diese Verordnung sei die maßgebliche Richtschnur für Shein. „Nicht vornehmlich die individuellen Grenzwerte von NGOs, die sich oft stark voneinander unterscheiden.“
Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie über Recycling und Mittelstandsunternehmen.