
Heiratsanträge in der Öffentlichkeit sind eine heikle Sache. Hätte jemand im Netflix–Film „She Said Maybe“ die Go-Pro-Aufnahmen des Antrags von Can an Mavi online hochgeladen, wäre das Video vermutlich viral gegangen. Aber nicht etwa, weil es so arg romantisch war. Um es mit den Worten von Cans Bruder zu sagen: „Er hat’s verkackt.“ Es ist nun mal nicht unriskant, auf einer Plattform im Hochseilgarten, kurz bevor es auf die Zipline geht. Aber Can (Sinan Güleç) zieht es durch, er versucht es zumindest, doch als er den Ring auspacken möchte, tritt seine Mavi (Beritan Balci) einen Schritt zurück. Und aus dem Ja! wird ein Woaaah!, und schon fahren beide auf der Zipline.
Später am Abend wirds doch noch romantisch: Can schenkt Mavi eine gemeinsame Reise nach Istanbul. Dort wartet schon die nächste Überraschung: Durch einen Artikel in einer international renommierten Architektur-Zeitschrift erfährt ihre bis dahin unbekannte Großmutter zufällig, dass sie eine erfolgreiche Enkelin und – das scheint fast wichtiger – damit eine Erbin für ihr Unternehmen in Istanbul hat. Auf das Liebespaar wartet somit am Flughafen eine Limousine, und aus dem romantischen Pärchen-Trip wird ein anstrengendes Familien-Happening. Für Can ein bisschen zu schnell gewöhnt Mavi sich an ihre neue reiche Familie, an deren Firma und den Luxus, den sie sich leistet. Dank ihres bemerkenswerten Talents, sich in unangenehme Situationen zu manövrieren (und wohl auch aufgrund des Regiewunsches nach an den Haaren herbeigezogenen peinlichen Momenten), bespuckt sie ihr Gegenüber beim Brunch gleich zweimal mit Olivenkernen. Ihre Mutter hat am Telefon zum Glück die passende Weisheit parat: „Wer dich nicht leiden kann, weil du den Olivenkern nicht auf die Gabel legst, der kann dir gestohlen bleiben.“
Dann taucht auch noch der „wahrscheinlich unwiderstehlichste Junggeselle des Morgenlandes“ auf
„She Said Maybe“ ist eine Romcom und da darf auch das klassische Liebesdreieck nicht fehlen. Somit kommt es bald zum etwas veralteten, toxisch männlichen Hahnenkampf um Mavi, zwischen Can und „Single-sexy Kent“. Letzterer ist der „wahrscheinlich unwiderstehlichste Junggeselle des Morgenlandes“. Seinen geistreichen Spitznamen verdankt er der Tatsache, dass er single und sexy ist – und Kent heißt. Wie es sich für solch eine Komödie gehört. Außerdem gibt es den Bösewicht, den man bereits beim ersten Auftritt als solchen identifizieren kann, und das riesige Missverständnis, das hätte vermieden werden können, hätten Can und Mavi einfach miteinander gesprochen. Nicht nur will „She Said Maybe“ sehr bemüht lustig sein, der Film fährt also sämtliche generisch kitschigen Klischees auf (Drehbuch: Ipek Zübert).

Die deutschen Streaming-Produktionen der vergangenen Jahre zeichnet der – manchmal gelungene – Versuch aus, bloß nicht zu Deutsch zu wirken, lieber international. In der britisch anmutenden Serie „Maxton Hall“ hat das noch mehr oder weniger geklappt, hier geht es völlig daneben. Was eine spannende deutsch-türkische Zusammenarbeit über Kulturclash und Identität hätte werden können, ist an den meisten Stellen vor allem sehr platt, untermalt von pathetischer Musik. Optisch wirkt der Film, bei dem Buket Alakuş und Ngo The Chau Regie geführt haben, wie eine Low-Budget-Reklame für Istanbul. Dass dann auch noch Katja Riemann als Cans Mutter und vor allem Mode-Bloggerin Caro Daur als Mavis beste Freundin mitspielen, hilft leider auch nicht mehr viel.
Trotz des misslungenen ersten Antrags, vielleicht auch einfach aus Wille zur Selbstkasteiung, plant Can, ein weiteres Mal um Mavis Hand anzuhalten. Und zwar „so richtig mit Ring, Hinknien, Liebeserklärung und allem Drum und Dran.“ Was kann da schon schiefgehen?
She Said Maybe, auf Netflix.