Serie South Park: Hadern mit dem Realitätsprinzip

D ie erste Folge lief 1997 über den Äther, gut zwei Jahre später hatte RTL die deutsche Erstausstrahlung von „South Park“ im Programm. Inzwischen kann man die in Eigenregie produzierte Zeichentrickserie um eine Gruppe Grundschüler aus dem fiktiven Colorado-Städtchen von Matt Stone und Trey Parker auch hier im Original schauen.

Dass grundsätzlich alles und jeder kompromittiert ist, gehört von Beginn an zum Modus Operandi der Serie. Das US-amerikanische Gleichheitsversprechen interpretierten Stone und Parker als Recht, gleichermaßen gnadenlos verspottet werden zu dürfen. Seit fast 30 Jahren kann man sich Ausgabe für Ausgabe fragen: Was würde Cartman tun, welchem zeitgeistigen Phänomen würde der neunmalkluge Misanthrop sich diesmal andienen?

PC Principal, der militärisch gestählte Rektor der Schule, hat jedenfalls neuerdings die ultraprogressive gegen die radikal christliche Gesinnung eingetauscht.

Gerade ist die 27. Staffel angelaufen. In Deutschland, wo Popkultur traditionell eine untergeordnete Rolle in den Feuilletons spielt, liest man selten über derart fortgeschrittene Serien – es sei denn, es geht um den amtierenden US-Präsidenten.

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Katharina J. Cichosch lebt in Frankfurt am Main und schreibt hier regelmäßig über Kunst.

Der Präsident im Bett mit Satan

Dabei ist die „Kritik“ an dem mit Satan im Bett liegenden, von den Serienmachern mit viel Hohn für Übergewicht und kleine Geschlechtsteile ausgestatteten Politiker nicht annähernd das Spannendste an der aktuellen Staffel (wirklich bemerkenswert wäre doch zur Abwechslung gutes Unterhaltungsfernsehen von völlig unkritischen MAGA-Fans). Spannender ist, wie so ein Format in Echtzeit unter zunehmend wegbrechenden Gewissheiten überhaupt funktioniert.

Anfang 2017 gab es schon mal eine Art Reality-Knick. Die Ereignisse hatten die Comedy und auch die Late-Night-Hosts in den USA eingeholt, es war eine Zeitlang einfach nicht mehr so lustig. Bei manchen mag es die Kränkung über das persönlich nicht genehme Wahlergebnis sein. Aber vielen schien zu dämmern, dass die Phänomene, die bald folgen würden, wenig mit dem etwas beargwöhnten, doch vertrauten Konservativismus zu tun hatten, sondern geradezu dessen disruptives Gegenteil bedeuteten.

Das Versprechen des Formats ist sein Trotzdem, alles geht weiter. Bei „South Park“ durfte man aus gutem Grund hoffen, dass Parker und Stone dem Wahnsinn der Gegenwart immer noch ein Schnippchen schlagen würden. Jetzt kann man der Serie beim Hadern mit dem Realitätsprinzip in Echtzeit zusehen.

Sehnsüchte nach kommoden Statements enttäuschen die Serienmacher

Die Serie

South Park ist auf Paramount+ zu sehen und auf southpark.de

Schlaue Analyse und Fäkalhumor

Auf einen groben Klotz gehört halt manchmal ein grober Keil. „South Park“ war immer schon beides: schlaue Analyse wie Hoden- und Fäkalhumor. Die Gewichtung kann man sich zum Glück nicht aussuchen. Sehnsüchte nach kommoden Statements enttäuschen die Serienmacher immer wieder. Gerade dann blitzt zwischen derben Albernheiten Wahrhaftiges durch.

Wenn ihrerseits wenig betuchte Leute von der Straße weg angeheuert werden, um nach einem Crashkurs als ICE-Agenten wahllos MigrantInnen zusammenzuscheuchen. Und wenn Kyle in der aktuellen Folge seine MitschülerInnen daran erinnert, dass Juden und Palästinenser keine Fußballteams sind, auf die man Wetten abschließt („Israel, nicht Juden!“, korrigiert später seine Mutter), dann sind das für „South Park“-Verhältnisse geradezu aufrichtige Erkenntnisse aus einer Gesellschaft im medial vermittelten Dauerbetrieb.

Die aktuelle Staffel ist noch nicht zu Ende. In wahnsinnigem Tempo verarbeiten Trey Parker und Matt Stone quasi live eine politische Gegenwart, die vielen nurmehr als Travestie erscheint. Und versuchen dabei, ein geradezu Kant’sches Prinzip, niemanden ob seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit zu schonen.