
China hat im Handelskonflikt mit den Vereinigten Staaten eine Waffe eingesetzt, die in der öffentlichen Wahrnehmung kaum eine Rolle spielt. Dabei ist die Versorgung der Welt mit Industrierohstoffen eines der schärfsten Schwerter Pekings. Fachleute und Unternehmen waren in heller Aufregung, als die Volksrepublik im Februar als Reaktion auf die Zolldrohungen von US-Präsident Donald Trump die Ausfuhrkontrollen für einige Seltene Erden verschärfte und damit den Export de facto zum Erliegen brachte.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis Industrien rund um die Welt mit Versorgungsengpässen und Produktionsstopps konfrontiert worden wären. Im Zuge der jüngsten Entspannung im Zollstreit hat China nun für 90 Tage den Versorgungsbann westlicher Unternehmen gelockert. Doch davon darf sich die Politik nicht blenden lassen. Die Volksrepublik hat eindrucksvoll demonstriert, dass sie Rohstoffe als strategisches Druckmittel einzusetzen gewillt ist.
Enorme Preissteigerungen
Der Konflikt trifft die Welt keineswegs unvorbereitet. Schon früher hat China den Zugang zu Rohstoffen geschickt instrumentalisiert. Die jüngste Zuspitzung begann im Sommer 2023, als Peking die Ausfuhr von Gallium und Germanium zu kontrollieren begann. Das sind Metalle, die etwa in der Halbleiterproduktion eine große Rolle spielen. Später folgten Graphit (Batterien) und Antimon (Rüstung, Solar), in diesem Jahr dann weitere Rohstoffe.
Nach Angaben der Deutschen Rohstoffagentur kam es auf europäischen Märkten zu enormen Preissteigerungen, während die Preise in China nahezu stabil blieben. Bismut kostete Ende März in Europa rund 270 Prozent mehr als in China, Antimon gut 170 Prozent und Gallium 160 Prozent mehr. Es drohten erhebliche Wettbewerbsnachteile für die heimische Industrie, warnen die Rohstoffexperten des Bundes. Die Entwicklung unterstreiche die Bedeutung verschiedener Strategien zur Rohstoffdiversifikation, um die Versorgungssicherheit zu stärken und Preisspitzen abzufedern.
Chinesisches Monopol auf Raffinerieprozesse
Warum das leichter zu fordern als umzusetzen ist, zeigt der Blick auf die Ursachen von Chinas Sonderstellung. Zum einen geht es um die Produktion der Rohstoffe. Dort hat China zum Beispiel bei Seltenen Erden eine starke Position, die Gruppe der schweren Seltenen Erden wird bislang ausschließlich im Reich der Mitte abgebaut. Andere Rohstoffvorkommen sind dagegen rund um die Welt gut verteilt. Doch müssen in jedem Fall aus Gesteinsbrocken durch komplexe chemische und manuelle Verfahren noch die begehrten Metalle gewonnen werden.
Für diese Raffinerieprozesse hat China quasi ein Monopol. Permanentmagnete etwa sind ein wesentlicher Bestandteil vieler Maschinen und Geräte vom Auto bis zum Windrad. Zur Herstellung gängiger NdFeB-Dauermagnete braucht es diverse Rohstoffe. Darunter Gallium mit einem Anteil Chinas an der Weltprimärproduktion von 98 Prozent. Seltene Erden werden zwar „nur“ zu 70 Prozent in China abgebaut, allerdings zu 91 Prozent dort raffiniert, weil in Produktionsländern die Fähigkeit zur Verarbeitung fehlt. Die Liste der Beispiele ist lang.
Die Welt hängt an Chinas Rohstofftropf. Diese Abhängigkeit ist entstanden, weil Industrieländer in den Boomjahren der Globalisierung die Rohstoffwirtschaft nur zu gerne den Chinesen überlassen und sich auf lukrativere Schritte in der Wertschöpfungskette konzentriert haben. Hohe Umweltschutzstandards und Proteste aus der Bevölkerung vor der eigenen Haustüre konnte man so geschickt umschiffen. Zwar gibt es heute Bemühungen, beispielsweise in Skandinavien, Portugal oder Serbien, heimische Rohstoffquellen zu erschließen. Die alten Abwehrreflexe funktionieren aber noch immer.
Die Gefahr besteht aktuell darin, Bemühungen für Autonomie in der Rohstoffversorgung schleifen zu lassen, weil China wieder auf Entspannung geschaltet hat. Eine solche Politik kann sich als fataler Fehler herausstellen. In manchen Unternehmen werden schon Szenarien durchgespielt, in denen China die Rohstoffausfuhr dauerhaft kappt, weil es lieber komplette Autos oder Anlagen aus eigener Produktion exportieren will.
Es ist wichtig, dass sich in der Wirtschaft gerade Bündnisse formieren, um das Thema auf die politische Agenda zu bringen. Und mit Stefan Rouenhoff sitzt im Bundeswirtschaftsministerium ein neuer Staatssekretär, der das Thema schon längst zu seinem gemacht hat. Doch das reicht nicht.
Die Spitzenpolitiker in Brüssel wie in Berlin müssen die Suche nach neuen Importquellen, die Erschließung eigener Produktionsstätten sowie den Aufbau eines echten Recyclingsystems zur Chefsache machen. Es steht nicht weniger als die wirtschaftliche Unabhängigkeit auf dem Spiel.