Nach monatelangen Verhandlungen mit vielen Hoffnungen und vielen Tiefschlägen hat sich die Schweiz mit den Vereinigten Staaten auf eine Senkung des Zollsatzes für Einfuhren in die USA geeinigt. Waren aus der Schweiz werden fortan statt mit 39 Prozent nur noch mit einem Satz von 15 Prozent belegt. Das teilten das Weiße Haus und der Bundesrat, die Schweizer Regierung, am Freitagnachmittag mit. Am Donnerstag hatte sich Guy Parmelin, Bundesrat und Vorsteher des Schweizer Wirtschaftsdepartements, mit dem US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer in Washington getroffen, um die Details des „Deals“ auszuhandeln.
Konkret einigte man sich bislang nur auf eine Absichtserklärung. Die USA senken die Zölle und die Schweiz verspricht dafür Investitionen von 200 Milliarden Dollar in den USA sowie ihrerseits Zollerleichterungen. Wie genau die Investitionen sich zusammensetzen, konnte Helene Budliger Artieda, Direktorin des Schweizer Staatssekretariats für Wirtschaft, die maßgeblich an den Verhandlungen beteiligt war, bei einer Pressekonferenz am Freitag nicht sagen. Ein großer Teil besteht wohl aus ohnehin bereits seit Längerem geplanten Investitionen der Pharmabranche in den USA.
Vor allem Roche und Novartis hatten schon vor Monaten Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie in den Bau neuer Produktionsstätten für Medikamente in den USA angekündigt. Budliger Artieda sprach außerdem von einer Fabrik des Flugzeugherstellers Pilatus. Zugleich solle der Schweizer Markt noch mehr für bestimmte Produkte aus den USA geöffnet werden. So sollen Zölle für Industrieprodukte, Fisch und Meeresfrüchte abgebaut werden. Genannt wurden zudem zollfreie Kontingente für verschiedene Fleischsorten. Weiterhin zollfrei blieben Pharmaprodukte, Gold und alle anderen Güter, die bislang auch ausgenommen waren.
Viele Fragen sind noch offen
Bis zur konkreten Umsetzung des Abkommens könnte es noch etwas dauern. Die USA müssen den Zollsatz ihrerseits senken, darauf hat die Schweiz keinen Einfluss. Zugleich muss das Abkommen laut Parmelin und Budliger Artieda durchs Schweizer Parlament und den Bundesrat, um in Schweizer Recht überführt zu werden. Auch eine Volksabstimmung sei möglich. Was passieren würde, wenn diese den „Deal“ ablehnt, ist unklar. Auch, was es bedeuten würde, wenn der amerikanische Supreme Court Trumps Zölle für illegal erklärt.

:Oberste Richter sehen Trumps Zölle kritisch
Der US-Präsident überzieht die Welt mit Strafzöllen – aber geht er dabei rechtlich sauber vor? Darüber muss der Oberste Gerichtshof der USA entscheiden. In der Anhörung zeigen sich auch konservative Richter skeptisch.
Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP) betonte, man habe keine Zugeständnisse gemacht, die die Souveränität oder die Neutralität der Schweiz infrage stellen. Zuvor war in den Schweizer Medien behauptet worden, Trump habe für eine Senkung der Zölle verlangt, dass die Schweiz Sanktionen gegen Russland übernimmt und die Übernahme wichtiger Unternehmen durch chinesische Investoren verbietet. Parmelin dankte außerdem dem „Team Switzerland“ und meinte damit wohl die Zusammenarbeit von Schweizer Politik und Wirtschaft.
Zuletzt schien es, als wären die Zollverhandlungen zwischen der Schweiz und den USA ins Stocken geraten. Seitdem US-Präsident Donald Trump nach einem Telefonat mit der Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter die Zölle von den angedrohten 31 Prozent auf 39 Prozent erhöht hatte, war wenig Konkretes aus Bern oder Washington zu hören gewesen. Bewegung in die Sache kam erst wieder vergangene Woche, als eine Gruppe Schweizer CEOs und Firmenlenker im Oval Office vorstellig wurde. Es ist nicht bekannt, was genau sie dort mit Trump besprochen haben. Medienberichten zufolge sollen sie Trump aber eine Rolex-Tischuhr und einen Goldbarren geschenkt haben. Entsprechende Objekte waren in den folgenden Tagen in mehreren Aufnahmen auf Trumps Schreibtisch zu erkennen.
Der Schweizer Rundfunk (SRF) schrieb dazu: „Ungewöhnliche Zeiten, ungewöhnliche Massnahmen. Teilweise moralisch an der Grenze – oder auch darüber.“ Es könne sein, dass auf diesen ungewöhnlichen Einsatz im Weißen Haus nun das „innenpolitische Gezänk“ folge. Der Tages-Anzeiger kommentierte: „Dieses Gebaren kann kein Demokrat gutheißen.“ Der Bundesrat sei „marginalisiert“ worden und Trump lebe „seine autokratischen Züge viel stärker aus“. Die Schweiz solle ihr Verhältnis zur verlässlicheren EU „so schnell wie möglich klären“.
Grüne bezeichnen den Deal als „vom Bundesrat mit einer Unterwerfungsstrategie teuer erkauft“
Auch aus der Politik hielten sich die meisten Parteien mit Lob zurück. Die FDP findet den neuen Zollsatz von 15 Prozent noch immer zu hoch. Philipp Matthias Bregy, Präsident der Konservativen Partei „Die Mitte“, bezeichnete das Ergebnis laut SRF als „Zwischenerfolg“. Die Grünen nannten den Deal einen „gefährlichen Präzedenzfall“, er sei „vom Bundesrat mit einer Unterwerfungsstrategie teuer erkauft“. Sie kritisierten den Import von „Hormonfleisch und Chlorhühnern“. Man habe „sich die Zugeständnisse mit fragwürdigen Methoden und Goldgeschenken im Gepäck erkauft, statt auf den Entscheid des Supreme Courts zu warten“, wird die Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone zitiert. Es dürfe nicht sein, dass Unternehmen im Namen der Schweiz Abkommen aushandeln.
Auch aus der Industrie waren die Reaktionen zurückhaltend. Von den Zöllen besonders betroffen ist die Maschinen- und Uhrenindustrie. Die Exporte der Tech-Industrie in die USA waren im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 14,2 Prozent zurückgegangen. In einer Erklärung schrieb der Branchenverband Swissmem, mit dem neuen Zollsatz fallen die Nachteile gegenüber der Konkurrenz aus der Europäischen Union und Japan weg. „Die Zollsenkung bedeutet für die Tech-Industrie ein kurzes Aufatmen – aber keine Entwarnung“, wird Swissmem-Präsident Martin Hirzel zitiert. „Neue Zölle könnten kommen. Der starke Franken bleibt. Und die Unsicherheit im Markt ist riesig.“
