Schweiz ringt um Zolldeal: Rolex und Goldbarren für Trump

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, heißt es. Bezogen auf Donald Trump, müsste dieser Spruch indes lauten: Große Geschenke bringen die Freundschaft. Darauf scheinen jedenfalls Unternehmer und Staatschefs zu hoffen, die dem amerikanischen Präsidenten im Weißen Haus ihre Aufwartung machen. Der Apple-Chef Tim Cook zum Beispiel überreichte Trump Anfang August eine signierte Siliziumscheibe aus Glas, montiert auf einem Sockel aus 24-karätigem Gold. Die lange Liste wertvoller Darreichungen, zu denen goldene Golfschläger, französische Luxustaschen und edle saudische Schwerter gehören, muss jetzt noch um zwei Objekte verlängert werden: eine Uhr der Marke Rolex und einen Goldbarren.

Diese beiden Mitbringsel hatte eine Delegation schwerreicher Unternehmer aus der Schweiz im Gepäck, als sie Donald Trump in der vergangenen Woche zur Audienz empfing. Zunächst wurde darüber gerätselt, wer an dem Gespräch im Oval Office teilgenommen hatte. Doch dann veröffentlichte die illustre Gruppe ein Foto von dem Treffen. Aufgereiht vor Trump sitzen (mit überwiegend roten Krawatten) Jean-Frédéric Dufour, Chef des Genfer Uhrenherstellers Rolex , Johann Rupert, Vorstandsvorsitzender des Luxusgüterkonzerns Richemont , Alfred Gantner, Mitgründer der Zuger Beteiligungsgesellschaft Partners Group, Daniel Jaeggi, Mitinhaber des Genfer Rohstoffriesen Mercuria, und Marwan Shakarchi, Gründer der auf Edelmetallverarbeitung spezialisierten Firma MKS Pamp. Mitglied des eidgenössischen All-Star-Teams war überdies Diego Aponte. Er leitet das operative Geschäft der weltgrößten Reederei MSC in Genf, die einst von seinem Vater Gianluigi Aponte gegründet wurde.

Vertreter der Schweizer Regierung waren nicht mit von der Partie. Dabei ging es in dem Treffen darum, den Weg für einen Zoll-Deal mit Trump zu ebnen. Ein solcher schien bereits ausgemacht zu sein, als Trump Anfang August in einem Federstrich Zölle von 39 Prozent auf Importe aus der Eidgenossenschaft verhängte – ein Schock für die exportstarke Schweizer Wirtschaft und eine Ohrfeige für die Schweizer Bundespräsidentin und Finanzministerin Karin Keller-Sutter, die sich zuvor zuversichtlich gezeigt hatte, mindestens so gut oder sogar besser als die EU aus den Verhandlungen mit Washington herauszukommen. Brüssel hatte sich zuvor mit Trump auf einen Zollsatz von 15 Prozent verständigt.

Trump liebt Schweizer Uhren

Trotz aller Bemühungen ist es weder Keller-Sutter noch dem Schweizer Wirtschaftsminister Guy Parmelin bisher gelungen, persönlich bei Trump vorzusprechen. Als Regierungsvertreter hätten sie allerdings auch nicht so teure Gastgeschenke überreichen dürfen. Wie die Schweizer Zeitung „Blick“ berichtete, gaben die Manager Trump eine Rolex-Uhr und einen speziell geprägten Goldbarren. Eine Rolex-Sprecherin verweigerte dazu jeglichen Kommentar. Aber auf Fotos aus dem Oval Office, die in den Tagen nach dem Schweizer Besuch aufgenommen wurden, ist ein auffallendes neues Objekt auf Trumps Schreibtisch zu sehen: eine goldene Tischuhr im Stil einer Rolex Datejust. Die amerikanische Uhren-Website „Hodinkee“ zitierte am Dienstag aus einem Begleitbrief Dufours. Demnach wurde die Tischuhr vom Rolex-Chef als „Geschenk an die Menschen in den Vereinigten Staaten“ und als eine von mehreren „symbolischen Gesten der Wertschätzung“ sowie als „bescheidener, raffinierter Ausdruck traditioneller Schweizer Uhrmacherkunst“ beschrieben. Der Hinweis, dass die Uhr „für die Menschen in den Vereinigten Staaten“ gedacht ist, könnte mit dem Schweizer Strafgesetz zusammenhängen, das die „Bestechung fremder Amtsträger“ verbietet.

Aber selbst wenn der Vorgang strafrechtlich nicht relevant ist, so ist er nach Ansicht von Urs Thalmann, Geschäftsführer von Transparency International (TI) in der Schweiz, dennoch sehr problematisch. „Dass in der öffentlichen Wahrnehmung die Beschenkung von Amtsträgern quasi salonfähig wird, betrachten wir mit großer Sorge“, erklärte der Jurist gegenüber der F.A.Z.

Der Rolex-Chef umschmeichelt Trump schon länger. Als Sponsor der Hauptveranstaltungen im Tennissport lud er ihn im September zum Finale der US Open in New York ein. Prompt sah man Trump plaudernd an der Seite von Dufour in der Rolex-Loge des Arthur-Ashe-Stadions. Der US-Präsident liebt (goldene) Schweizer Uhren. Wie auf seinen Golfrunden schon zu erkennen war, besitzt er unter anderem eine goldene Rolex Day-Date im Wert von 30.000 Franken, eine Patek Philippe Golden Ellipse (60.000 Franken) und eine Vacheron Constantin Historiques Ultra-Fine 1968 (35.000 Franken).

39-Prozent-Zoll trifft Uhrenhersteller besonders schwer

Womöglich hat Dufour mit seiner Tenniseinladung seinerzeit den Grundstein für die nun erfolgte Unterredung im Weißen Haus gelegt. Die sechs Wirtschaftskapitäne behaupten in einer gemeinsamen Stellungnahme zwar, dass es in dem „äußerst konstruktiven Treffen“ übergeordnet „um die langjährigen und starken Beziehungen zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten“ sowie um die beiderseitigen Vorteile eines bilateralen Handelsabkommens gegangen sei. Aber ihre Mission diente natürlich auch den eigenen Interessen.

Die Schweizer Uhrenhersteller sind von dem 39-Prozent-Zoll besonders stark betroffen. Zum Ausgleich Teile der Produktion in die USA zu verlagern, ergäbe für sie keinen Sinn, weil die hohen Preise für die mechanischen Chronometer nur mit dem Gütesiegel „Swiss made“ zu rechtfertigen sind. Für Rolex, die mit einem Umsatz von geschätzt zehn Milliarden Franken die mit Abstand stärkste Schweizer Uhrenmarke, sind die Vereinigten Staaten ein sehr wichtiger Markt. Gleiches gilt für Richemont. Zu dieser Luxusgütergruppe gehören neben der Schmuckikone Cartier Uhrenmarken wie Piaget, IWC, Jaeger-LeCoultre, Vacheron Constantin und A. Lange & Söhne. Johann Rupert, Großaktionär und Verwaltungsratspräsident von Richemont, kennt Trump schon seit vielen Jahren. Angeblich haben die beiden früher gelegentlich zusammen Golf gespielt.

Schweiz verkauft viel Gold nach Amerika

Auch das zweite Gastgeschenk, der Goldbarren, hat einen direkten Bezug zu Trump und dessen Zöllen. Die Schweiz ist eine wichtige Drehscheibe für den Handel mit Gold. In mehreren Raffinerien wird das Edelmetall verarbeitet oder umgeschmolzen. Der nicht zuletzt durch Trumps Politik verursachte Nachfrageschub aus den USA ließ die Goldexporte gen Übersee stark anschwellen. Dies trug erheblich zum Schweizer Handelsbilanzüberschuss bei, den Trump zur Grundlage für seinen Horrorzoll von 39 Prozent gemacht hat.

Die von Marwan Shakarchi in Genf aufgebaute MKS Pamp besitzt einen großen Online-Edelmetallhändler in den USA und unterhält dort eine Produktionsstätte für Silbermünzen. Dieses Werk, so wird spekuliert, könnte auch für die Verarbeitung von Gold genutzt werden. In der Folge sänken die Goldexporte in die Vereinigten Staaten. Auch Daniel Jaeggis Rohstoffhandelsgruppe Mercuria ist stark in Amerika engagiert. Der in der Öffentlichkeit weithin unbekannte Unternehmer könnte der Schweiz dabei helfen, den USA im großen Stil Flüssiggas abzukaufen – als Teil eines Gesamtdeals mit Trump.

Alfred („Fredy“) Gantner ist Mitgründer der Private-Equity-Gruppe Partners Group, die Vermögen von mehr als 170 Milliarden Dollar verwaltet. Davon stammt knapp ein Viertel aus den USA. Gantner verfolgt auch eine eigene Agenda: Der Milliardär kämpft mit hohem Einsatz gegen eine engere Anbindung der Schweiz an die EU. Eine dauerhaft willkürliche und zunehmend schmerzhafte Abstrafung der Eidgenossenschaft durch die USA würde den Befürwortern des auf dem Tisch liegenden EU-Vertragspakets Rückenwind verschaffen. Denn dieses verspricht Rechtssicherheit im Verhältnis zum wichtigsten Handelspartner der Schweiz.

Deal rückt näher

Etwas unklar ist die Rolle von Diego Aponte. Vermutlich hat der MSC-Chef seinen Einsatz rund um den Panamakanal in die Waagschale geworfen: Zur Freude von Trump will MSC gemeinsam mit Blackrock 43 Hafenterminals des chinesischen Konzerns CK Hutchison kaufen, darunter zwei am Panamakanal.

Die Offensive der Unternehmensbosse scheint Früchte zu tragen. Die Nachrichtenagenturen Reuters und Bloomberg berichten, dass es innerhalb der nächsten Tage oder Wochen zu einem Deal kommen könne. Demnach sollen die Importzölle von 39 auf 15 Prozent sinken. Im Gespräch mit Journalisten wollte Trump diese Zahl nicht bestätigen. Aber er ließ klar durchblicken, dass er den Eidgenossen entgegenkommen will: „Wir werden an etwas arbeiten, das der Schweiz helfen wird.“ Schon nach dem Treffen mit den Schweizer Managern war der reich beschenkte Trump positiv gestimmt: „Es war mir eine große Ehre, ranghohe Handelsvertreter der Schweiz zu treffen“, schrieb er auf der Plattform Truth Social.