Schweden: Fußball-Sensation im Fischerdorf – Spieler des Meisters leben in Wohnheim

Ein kleines Fischerdorf sorgt für großes Aufsehen. Der schwedische Klub Mjällby AIF schafft in Schweden aktuell ein großes Fußballwunder. Der Klub arbeitet mit einem Achtel des Geldes der Konkurrenz. Als Coach fungiert ein ehemaliger Schulleiter und Panzer-Offizier.

Zum Hafen sind es vom Stadion 22 Gehminuten, zum Strand zwölf und um auf den Campingplatz zu kommen, muss man nur die Straßenseite wechseln. Wer den schwedischen Fußball-Meister erleben will, bekommt Idylle on top. „Wir spielen da, wo die Welt endet und das Meer anfängt“, beschreiben die Protagonisten des Sensationsklubs ihre Heimat Hällevik – ein kleines Fischerdorf und jetzt Zentrum des größten Fußballwunders der jüngeren Vergangenheit.

Das Überraschungsteam: Mjällby AIF – seit Montagabend fix schwedischer Meister. Das Team aus dem kleinen Ort in der südlichen Provinz Blekinge siegte mit 2:0 (2:0) bei IFK Göteborg und ist damit bereits drei Spieltage vor Saisonende nicht mehr von der Tabellenspitze der schwedischen Topliga Allsvenskan zu verdrängen. Es ist Mjällbys erster Meistertitel der 86-jährigen Vereinsgeschichte. Benannt ist der Klub nach dem gleichnamigen 1400-Seelen-Dorf, trägt seine Spiele jedoch in der ähnlich kleinen Nachbargemeinde Hällevik aus.

„So etwas hätte ich nie gedacht“, sagte Torschütze Jacob Bergström, der das 1:0 (21. Minute) erzielt hatte: „Ich bin unglaublich dankbar, Teil dieser Gruppe zu sein. Wir zeigen, dass man als Kollektiv unglaublich weit kommen kann.“ Die schwedische Zeitung „Aftonbladet“ schrieb: „Die Sensation ist Realität.“

Mjällby hat die diesjährige Saison dominiert wie in den Vorjahren teilweise nur Rekordmeister Malmö FF, der in acht der letzten zwölf Spielrunden am Ende den Titel geholt hatte. Die Mannschaft von Cheftrainer Anders Torstensson, der an chronischer lymphatischer Leukämie erkrankt ist, setzt nicht auf größere Stars und hat keine wohlhabenden Investoren im Rücken. Mjällby hat nach Angaben des Fachportals transfermarkt.de aktuell nur den neunthöchsten Marktwert aller 16 Allsvenskan-Teams.

Erfolgsfaktoren gibt es andere: kluges Scouting, besonnenes Wirtschaften, mannschaftliche Geschlossenheit. Die Spieler des ehemaligen Schulleiters und Panzer-Offiziers Torstensson etwa leben teilweise zusammen in einer Art Studentenheim. „Wenn wir nichts zu tun haben, grillen wir, kochen zusammen oder hängen ab“, sagte Mittelfeldspieler Elliot Stroud der BBC im September.

Noch vor neun Jahren stand Mjällby kurz davor, in die vierte schwedische Liga abzustürzen. Die Mannschaft rettete sich jedoch am letzten Spieltag, stieg 2018 und 2019 zweimal in Folge auf – und erlebte jetzt die endgültige Krönung. Als Maschinenraum des Erfolgs fungiert Magnus Emeus, ein lokaler Geschäftsmann, seit 2015 Klub-Boss. Emeus arbeitet mit nur rund 7,6 Millionen Euro Umsatz, einem Achtel von Dauer-Meister Malmö.

Elf Punkte Vorsprung auf Rang zwei

Trotz des knappen Budgets hat es der Klub nicht nur geschafft, einen Kader zusammenzustellen, der in der Liga mithalten kann. Die Verantwortlichen haben pure Überlegenheit zusammengestellt. Nur einmal hat Mjällby in dieser Saison verloren, der Vorsprung auf den Stockholmer Verfolger Hammarby auf Rang zwei beträgt satte elf Punkte, der auf Malmö auf Rang vier sogar 21.

Gehirn des Erfolgs ist Co-Trainer Karl Marius Aksum. Der Norweger hat einen Doktortitel in visueller Wahrnehmung im Spitzenfußball, überträgt seine Erkenntnisse auch in die Taktik der Schweden. „Niemand auf der Welt hat sich so intensiv mit den Augenbewegungen von Fußballern beschäftigt wie ich. Dabei ist es im modernen Fußball entscheidend: Informationen über seine Umgebung zu sammeln“, erklärte er einmal.

In der kommenden Saison dürfen sich Aksum, Torstensson und Emeus nun auf höchster internationaler Ebene beweisen. Der Meistertitel ist gleichbedeutend mit einem Startplatz in der Qualifikation zur Champions League. Ob die Gegner dann tatsächlich nach Hällevik anreisen dürfen? Es bleibt abzuwarten, ob die Uefa das kleine, 6000-Plätze-Stadion freigibt. Von der Kulisse direkt an der Ostsee wären die Auswärtsfans jedenfalls begeistert.

luwi mit dpa