Schwache Zwischenbilanz: Deutsche Ernüchterung in der Königklasse


analyse

Stand: 07.11.2024 12:02 Uhr

Nach der Hälfte der Ligaphase fällt das Zwischenfazit der fünf Bundesligisten enttäuschend aus: Keine Topnation schnitt punktemäßig so schlecht ab wie Deutschland.

Gar nicht so lange her, dass die Macher der Deutschen Fußball-Liga (DFL) sich über das positive Erscheinungsbild der Bundesliga auf internationaler Bühne freuten.

Bei ihrer Sommerbilanz ließen die Geschäftsführer Marc Lenz und Steffen Merkel im fünften Stock der DFL-Zentrale neben der guten Stimmung bei der Heim-EM den Fakt nicht unerwähnt, dass sich Deutschland durch seinen zweiten Platz in der Uefa-Fünfjahreswertung sogar einen fünften Startplatz in der Champions League ergattert hatte.

Schwächster Punkteschnitt aller fünf Topligen

„Wir erleben alles in allem eine positive Stimmung rund um den deutschen Profifußball“, erklärte Merkel damals. Und Lenz ergänzte: „Die DFL und Clubs arbeiten intensiv daran, dass die Bundesliga und 2. Bundesliga Top-Ligen bleiben: sportlich attraktive Ligen, die sportlich und finanziell wettbewerbsfähig sind.“

Doch nun sind düstere Wolken auch über dem Fußball-Standort Deutschland aufgezogen. Die Zwischenbilanz nach der Hälfte der neu eingeführten Ligaphase der Champions League fällt einigermaßen ernüchternd aus. Das deutsche Quintett kommt auf den schwächsten Punkteschnitt der fünf Topligen.

Stuttgart und Leipzig droht das direkte Aus

In der aktuellen Champions-League-Saison haben die fünf deutschen Vereine zusammen bislang 26 Punkte geholt. Sind pro Klub gerade mal 5,2 Punkte im Durchschnitt, die sich auf Borussia Dortmund (9 Punkte), Bayer Leverkusen (7), Bayern München (6), VfB Stuttgart (4) und RB Leipzig (0) nach vier Spieltagen verteilen.

Zum Vergleich: Die vier Champions-League-Vertreter aus England (FC Liverpool, Aston Villa, FC Arsenal, Manchester City) liegen in dieser Spielzeit bei 8,75 Punkten im Schnitt, Frankreich (AS Monaco, Stade Brest, Lille OSC und Paris St. Germain) bei 7,75. Auch Italien mit fünf Startern (Inter Mailand, Juventus Turin, AC Mailand, FC Bologna) steht mit 6,4 Zählern besser da.

Obwohl Spanien über den schwachen Start von Real Madrid rätselt, liegt das Quartett (Barcelona, Real und Atletico Madrid, FC Girona) auch noch einigermaßen auf Kurs. Stand jetzt drohen der Bundesliga die größten Verluste, weil mit Stuttgart und Leipzig zwei Vertreter nicht mal die Playoffs im nächsten Jahr schaffen würden.

Die Vergabe der Europapokalplätze erfolgt über die Uefa-Fünfjahreswertung, in der alle drei Wettbewerbe (Champions League, Europa League, Conference League) einfließen. Auch hier ist Deutschland in der aktuellen Saison auf Platz vier zurückgefallen. Erstaunlich, wie gut aktuell Klubs aus Portugal und Tschechien punkten.

Uefa-Jahreswertung für die Saison 2024/2025
Platz Land Punkte Klubs
1

England

8,571

7

2

Portugal

8,200

5

3

Italien

7,500

8

4

Deutschland

7,250

8

5

Tschechien

7,100

4

6

Frankreich

7,071

6

7

Spanien

6,714

7

Jürgen Klopp könnte viel Arbeit vorfinden

Direkt fürs Achtelfinale der Königsklasse wäre allein Dortmund als aktuell Siebter der Gesamttabelle qualifiziert. Die vierte Runde war ein freudloser Spieltag aus deutscher Sicht. Dortmund (1:0 gegen Sturm Graz) und Bayern (1:0 gegen Benfica Lissabon) freuten sich über mühsame Arbeitssiege, die im eigenen Stadion gegen die Konkurrenz aus Österreich und Portugal auch irgendwie selbstverständlich sein sollten. Bezeichnend, dass der deutsche Meister Leverkusen nun beim FC Liverpool (0:4) dermaßen brachial an seine Grenzen stieß.

Besorgniserregend, dass Leipzig nach dem Nackenschlag bei Celtic Glasgow (1:3) immer noch ohne Punkt dasteht. Die Diskrepanz zwischen nationalen Erfolgen und internationalen Misserfolgen ist beim Red-Bull-Klub besonders frappierend. Könnte sein, dass Jürgen Klopp bei Amtsantritt in diesem Konstrukt gerade beim deutschen Aushängeschild am meisten zu tun hat.

Enttäuschte Leipziger: Eljif Elmas, Benjamin Henrichs und Marco Rose

Denn eigentlich hatte Oliver Mintzlaff, Strippenzieher der Klopp-Verpflichtung, ja gesagt, dass Leipzig nicht mehr nur die Champions League bestreite, um „nur am Wettbewerb teilzunehmen“. Nun haben Teams mit deutlich geringerer individueller Qualität ein prall gefülltes Punktepolster, beim Bundesliga-Zweiten steht hingegen die Null.

Nur zur Erinnerung: Unter Julian Nagelsmann waren die Roten Bullen immerhin im August 2020 bis ins Halbfinale vorgestoßen, zogen dann in Corona-Zeiten gegen PSG klar den Kürzeren. Solch ein Ausrufezeichen würde sich gerade Mintzlaff mal wieder wünschen. „Es ist aktuell keine einfache Phase, das spüre ich“, sagte Trainer Marco Rose nach der enttäuschenden Schottland-Reise. Der Druck wächst unweigerlich.

Lehrstunde für den Doublegewinner beim FC Liverpool

Auch Kollege Xabi Alonso hatte am selben Abend eine Lehrstunde auf der Insel erhalten. An der Anfield Road sind schon ganz andere Teams untergegangen, aber der späte Systemausfall der Werkself gegen Liverpool (0:4) hatte sich irgendwie auch angekündigt. Zu viel hat Leverkusen auch in der Liga liegen gelassen, gegen Holstein Kiel und Werder Bremen nicht gewonnen, weil insbesondere die Schärfe gegen den Ball fehlt.

In letzter Konsequenz verteidigt Bayer nicht mehr meisterhaft. Und wie schon im Europa-League-Finale gegen Atalanta Bergamo stößt dieses Team gegen einen exzellent organisierten Gegner, der mit taktischen Finessen punkten kann, an Grenzen. Europäische Spitzenklasse ist der deutsche Doublegewinner eben (noch) nicht.

Gegner des Vizemeisters sind oft cleverer

Diesen Anspruch konnte der Vizemeister Stuttgart vor Start der Champions League gar nicht erheben. Zu schwerwiegend die Verluste von Leistungsträgern bei den Schwaben. Dennoch könnte die Ausbeute besser sein.

Ernüchterte Leverkusener: Edmond Tapsoba, Florian Wirtz und Granit Xhaka.

Wie schon bei Real Madrid hat der VfB auch gegen Bergamo (0:2) die Erfahrung gemacht, dass der Gegner einfach nur einen Ticken cleverer ist. Trainer Sebastian Hoeneß sagte danach: „Ich kann der Mannschaft keinen großen Vorwurf machen. Das tut weh, aber diese Erfahrungen macht man auf diesem Niveau.“

Noch sind vier Spieltage Zeit für Korrekturen

Unter diesen Umständen ist es vielleicht kein Zufall, dass ausgerechnet Dortmund die deutsche Fahne hochhält. Der BVB hat vergangene Saison mit dem Finaleinzug nach Wembley gegen Real Madrid (0:2) gezeigt, was Team- und Kampfgeist bewirken können.

Dazu kam der unerschütterliche Glaube, sich in jede Herausforderung unter dem Champions-League-Logo zu verbeißen. Nuri Sahin macht in der Königsklasse jene gute Figur, die auch sein Vorgänger Edin Terzic abgab. Noch verbleiben vier Spieltage, dass sich die restlichen vier Bundesligisten zumindest auf dieser Bühne den BVB ruhig zum Vorbild nehmen.