Mehr Stress, weniger Unterstützung: Weltweit fühlen sich Jugendliche stärker unter Druck gesetzt. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie der Weltgesundheitsorganisation, und der Trend zeigt sich auch in Deutschland – Experten fordern dringend Änderungen.
Jugendliche in Europa und darüber hinaus verspüren nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen zunehmenden Druck durch die Schule. Das gelte vor allem für ältere Schüler und Mädchen. In einer umfassenden WHO-Studie berichteten 62 Prozent der befragten Mädchen und 43 Prozent der Jungen im Alter von 15 Jahren, sich durch Schulstress unter Druck gesetzt zu fühlen.
Die Studie bezieht sich auf Daten aus dem Jahr 2022. In einer früheren Befragung dieser Art vier Jahre zuvor waren es lediglich 54 beziehungsweise 40 Prozent gewesen.
Zugleich gaben in der aktuelleren Befragung nur noch rund 67 Prozent aller teilnehmenden Jugendlichen im Alter von elf, 13 und 15 Jahren an, ein hohes Maß an familiärer Unterstützung zu erhalten. In der vorherigen Studie waren es noch knapp 73 Prozent gewesen. Mädchen berichteten generell von weniger Unterstützung durch die Familie als Jungen.
„Diese Trends wirken sich auf die mentale Gesundheit und das Wohlbefinden von Millionen von jungen Leuten aus, besonders bei älteren Jugendlichen und denjenigen aus weniger gut situierten Familien“, betonte die in Kopenhagen ansässige WHO Europa.
Die Folgen für ihre Gesundheit und Zukunftsaussichten könnten langwierig sein, warnte WHO-Regionaldirektor Hans Henri P. Kluge. „Diese Erkenntnisse sollten ein Weckruf für uns alle sein, um jetzt die Bedingungen zu verbessern, unter denen unsere jungen Menschen aufwachsen.“
Die neuen WHO-Erkenntnisse sind Teil einer umfassenden Gesundheitsstudie, für die im Jahr 2022 knapp 280.000 Kinder und Jugendliche im Alter von elf, 13 und 15 Jahren aus 44 Ländern und Regionen in Europa, Zentralasien und Kanada befragt wurden. Im Vergleich zur vorherigen Befragung 2018 haben Forscher alarmierende Rückgänge bei der sozialen Unterstützung für die Kinder festgestellt.
Es brauche koordinierte Maßnahmen auf lokalen und regionalen wie auf nationalen Ebenen, hieß es. Mit dem Ziel, besser unterstützende Umfelder zu schaffen, Ungleichheiten anzugehen und die verschiedenen Systeme zu stärken, auf die junge Menschen angewiesen seien, forderte jetzt WHO Europa. Diese Maßnahmen müssten die unterschiedlichen Herausforderungen der Geschlechter angehen und gerade Mädchen in ihren kritischen Entwicklungsphasen unterstützen.
Im internationalen Vergleich stehen Schülerinnen und Schüler in Deutschland besser da: Die Werte zum Schuldruck sind im Vierjahresvergleich zwar fast durchweg und vor allem bei 15-jährigen Mädchen stark angestiegen; sie liegen jedoch sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen in jeder Altersgruppe deutlich unter dem Durchschnitt.
Bei der familiären Unterstützung dagegen entspricht die Bundesrepublik nach Verschlechterungen in allen Alters- und Geschlechtergruppen dem internationalen Durchschnitt.
Eine erst kürzlich im Oktober veröffentlichte Studie aus Norwegen bestätigt die Ergebnisse der WHO-Studie. Für diese wurden die Daten von knapp 140.000 Jugendlichen im Alter von 13 bis 19 Jahren ausgewertet, die 2021 im Rahmen einer regelmäßigen Kohortenstudie befragt wurden. Und auch dort nahmen Mädchen, sowohl in der Unter- als auch der Oberstufe, mehr Schulstress als Jungen wahr. Sie fühlten sich vom Lehrpersonal schlechter betreut, waren allgemein unzufriedener.
Die norwegischen Forscher hielten in ihrem Fazit fest, dass zwischen Schulstress und Lebenszufriedenheit ein enger Zusammenhang bestehe. Als „Moderatoren“ komme Lehrer, deren Art der Betreuung, offenbar eine entscheidende Rolle für das alltägliche Leben der Jugendlichen zu. Deshalb wird empfohlen, das in der pädagogischen Ausbildung und Aufgabenstellung entsprechend zu berücksichtigen.
dpa/sk