
Mittwochmittag, das Thermometer zeigt schon 31 Grad. Trotzdem sind an diesem Ferientag nicht alle Kinder im Freibad – einige müssen noch schnell einen Ranzen kaufen. Beim Fachgeschäft Lassners Schulzeit in Frankfurt herrscht reger Betrieb. Zwar würden die meisten Ranzen schon vor Ostern gekauft, sagt Filialleiterin Carina Jakoby, „aber jetzt kommen schon auch noch viele Kunden“. Außerdem führt das Geschäft an der Friedberger Warte auch Schreibwaren – und die werden zu einem Großteil rund um den ersten Schultag angeschafft, wenn die Listen mit den von den Lehrern gewünschten Materialien vorliegen. Für eine Erstausstattung einschließlich Malkasten gingen häufig 100 Euro über den Tisch, manchmal auch mehr, sagt Jakoby. „Das kommt auf die Zahl der Hefte an und auch darauf, ob die Lehrer bestimmte Marken empfehlen.“
Laut Berechnungen des Preisvergleichs-Portals Idealo geben deutsche Eltern für die Einschulung durchschnittlich 666 Euro aus. Ein wichtiger Kostenfaktor ist der Ranzen – der Durchschnittspreis für Schulranzen auf idealo.de habe zwischen Januar und Mai bei 123 Euro gelegen, heißt es in einer Mitteilung. Sets mit passender Federmappe und Turnbeutel kosteten 170 bis 180 Euro. Die Modelle, die bei einem schon einige Jahre zurückliegenden Vergleich der Stiftung Warentest mit der Gesamtnote „Gut“ abschnitten, kosteten allerdings schon damals mehr als 200 Euro.
In Ranzen-Sets sind die Mäppchen üblicherweise schon mit Buntstiften, Geo-Dreieck und Lineal bestückt. Zusätzlich angeschafft werden müssen für Erstklässler aber meistens Wachsstifte, Wasserfarben nebst Schwamm und Pinsel, Malkittel, Klebstoff, Radiergummis, Hefte mit Umschlägen, Blöcke, Schnellhefter, eine Bastelschere, eine große Kunstmappe und Anspitzer – mit Abfallbehälter!
Auf manchen Listen stehen auch Übungshefte mit vorgedruckten Lese- oder Schreibaufgaben, nicht alle Lehrer bestellen so etwas zentral. „Der Füller kommt erst in der dritten Klasse dazu“, sagt Jakoby. Einer ihrer Kollegen packt gerade nach von Eltern eingesandten Listen Körbe mit dem passenden Material für das jeweilige Kind – dieses Angebot werde viel genutzt, sagt die Chefin.
„Manche Lehrer wollen Ölpastellkreide“
Für den Fachhandel ist dieser Service eine Möglichkeit, sich abzuheben von den zumeist günstigeren Schreibwaren-Sortimenten in Drogerien, Supermärkten und Online-Shops. „Natürlich kann ich nicht solche Preise bieten wie die“, sagt Helena Richter-Groß, die Inhaberin von Schreibwaren Lux im Mainzer Stadtteil Bretzenheim. Dafür könne sie ihren Kunden aber viel Arbeit ersparen. „Gestern war ein Vater hier, der suchte ein Heft mit Lineatur 7 und mit Rand. So was hat es aber noch nie gegeben.“ Bei den Rechenheften für Anfänger mit vergleichsweise großen Kästchen – die Zahl 7 steht für eine Seitenlänge von sieben Millimetern – sei ein Rand einfach nicht vorgesehen.
Auf der Liste der Schule habe in diesem Fall also Unmögliches gestanden. „Wer zu mir kommt, dem sage ich das“ – wer aber selbständig die Schreibwaren-Regale von Selbstbedienungsläden durchforste, der renne auf der vergeblichen Suche nach nicht existenten Artikeln „von Pontius zu Pilatus“. Gerade bei der Einschulung des ersten Kindes wollten die meisten Eltern eben alles richtig machen.
Richter-Groß veranschlagt die Kosten für eine typische Komplettausstattung für einen Erstklässler auf 70 bis 80 Euro, hebt aber hervor, dass die Rechnung ganz auf die Anforderungen des jeweiligen Lehrers ankomme. „Es gibt Lehrer, die wollen keine Wachsstifte, sondern Ölpastellkreide.“ Auch auf solche Sonderwünsche sei sie vorbereitet, nach 30 Jahren im Geschäft kenne sie schließlich die Vorlieben von Schulen und Pädagogen in der Umgebung. Die Konkurrenz durch Drogerien und Online-Händler mache ihr dennoch zu schaffen. So habe sie neulich auf Wunsch einer Mutter das Material für einen Erstklässler zusammengestellt und dann erfahren, der Vater wolle doch lieber im Internet bestellen. Immerhin: Was nicht ins Netz wandert, ist das Einschlagen geliehener Schulbücher in Elefantenhaut – „damit kommen nächste Woche die Schüler der höheren Klassen“.
Nur Weihnachten ist wichtiger
Bei Papier Kraemer in Frankfurt haben sie wegen der Online-Konkurrenz den Verkauf von Schulranzen eingestellt. „Die Leute kamen zum Anprobieren hierher und haben dann im Netz gekauft“, berichtet Idrissi Rihani, der für das Traditionsgeschäft den Einkauf managt. Gleichwohl seien die Wochen kurz vor und nach Schulbeginn „die umsatzstärkste Zeit nach dem Weihnachtsgeschäft“. Spätestens drei Monate im Voraus bestellt Rihani beim Großhandel, „sonst besteht die Gefahr, dass der Lieferant nicht mehr alles auf Lager hat“.
Bei Listmann in Wiesbaden hat am Mittwochnachmittag niemand Zeit für eine Presseanfrage: „Es ist Schulmarkt.“ Vor der Ladenöffnung am Donnerstagmorgen berichtet Filialleiterin Alexandra Ulshoefer aber, sie fange schon zu Jahresbeginn an, für die letzten Ferienwochen zu planen. „Ziel ist, den Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent zu steigern.“ Auch sie sagt, für die Erstausstattung von Erstklässlern kämen leicht mehr als hundert Euro zusammen.
Weniger Zucker, mehr Glitzer
Außer Arbeitsmaterial bieten die Schreibwarengeschäfte auch Schultüten und kleine Geschenke, um sie zu füllen. „Besonders beliebt ist dieses Jahr alles mit Stitch“, heißt es bei Listmann mit Blick auf die Disney-Figur, die dieses Jahr zum zweiten Mal ins Kino gekommen ist. Für Jungen würden häufiger Geschenkartikel mit Figuren aus dem Robots-Film gekauft. Kraemer-Einkäufer Rihani sagt, der Schreibwarenhandel profitiere vom wachsenden Gesundheitsbewusstsein: „Es kommen nicht mehr so viele Süßigkeiten in die Schultüten“ – umso mehr Platz sei für besondere Radierer und Glitzerstifte. Auf Basis einer Online-Umfrage unter 500 Eltern schätzt das Online-Portal Idealo die durchschnittlichen Ausgaben für Tüte und Inhalt auf 75 Euro.
Der Handelsverband Deutschland erwartet zum Beginn des neuen Schuljahres bundesweit Einzelhandels-Umsätze von 725 Millionen Euro. Vor einem Jahr seien es 702 Millionen Euro gewesen. Davon dürften nicht nur Ranzen- und Schreibwarengeschäfte profitiert haben: Für Erstklässler werden oft auch Schreibtische angeschafft und Turnschuhe.
Der größte Kostenblock bei der Einschulung ist laut Idealo allerdings die Feier danach: Der Umfrage zufolge planen Eltern in Westdeutschland dafür durchschnittlich 377 Euro ein. In Ostdeutschland, wo der Schulbeginn traditionell mit vielen Gästen gefeiert wird, werden noch höhere Summen veranschlagt.