Schuhdesign aus Berlin: Warum Taylor Swift und Gigi Hadid Aeyde tragen – Stil

In letzter Zeit mal versucht, Schuhe zu kaufen? Also nicht Turnschuhe oder diese Lammfellpantoffeln, sondern Stiefel und Stiefeletten aus Leder, einigermaßen hochwertig gearbeitet, vielleicht sogar mit Designerstempel unter der Sohle. Wenn nicht gerade Sale ist, treibt es einem die Tränen in die Augen. Bei Marken wie Prada, Valentino oder Jil Sander muss man ohne vierstelliges Budget gar nicht mehr anfangen zu gucken. Unter vielen Kunden grassiert deshalb mittlerweile die sogenannte Luxury Fatigue, Luxusmüdigkeit, was eleganter klingt, als Die-Nase-gestrichen-voll-Haben, aber unterm Strich auf dasselbe hinausläuft: Sie können oder wollen diese Preise nicht mehr zahlen und schauen sich nach günstigeren Alternativen um.

Früher oder später landen sie dann womöglich bei einer Berliner Marke namens Aeyde. Beziehungsweise tippen sie in die Suchmaschine etwas ein, dass so ähnlich klingt oder so ähnlich geschrieben wird. Der seltsame Name würde im Marketinggrundkurs wahrscheinlich keine 10/10 bekommen, aber das ist egal, weil in diesem Fall alle Wege nach Berlin führen. „Da haben wir vorgesorgt“, sagt die Gründerin Luisa Dames lachend. „Wir waren uns natürlich bewusst, dass der Name nicht ganz einfach sein würde.“ Die grobe Inspiration zu Aeyde stammt von „Edith“, so hieß die Großmutter ihres ehemaligen Mitgründers. Vor allem aber wollten sie eine Kunstform, die noch nicht mit irgendwelchen Werten und Assoziationen besetzt war. Keinen Familiennamen, kein Tier, keine Stadt, Region, keinen Berg oder sonst was. Dass die Leute zwei oder dreimal hinsehen müssen, bis sie den Namen draufhaben, sei sogar ein Vorteil, glaubt Dames. „Er bleibt dann langfristig eher hängen.“

„Ich suche sogar unsere Praktikanten noch selbst aus“: Gründerin Luisa Dames.
„Ich suche sogar unsere Praktikanten noch selbst aus“: Gründerin Luisa Dames. (Foto: Clemens Poloczek/Aeyde)

Zumindest geschadet hat er bis heute offensichtlich nicht. Angefangen haben sie 2015 zu zweit in einem winzigen Büro ohne Fenster auf der Torstraße. Mit 15 Paar Schuhen. Vor ein paar Wochen wurde das neue „Aeyde Haus“ in einem dieser DDR-Monumentalbauten am Strausberger Platz eingeweiht. Einige Büros waren schon vorher hier, aber jetzt sitzen die 40 Mitarbeiter auf zwei Etagen und 900 Quadratmetern inklusive Atelier, Bibliothek und Showroom. Gestaltet wurden die Räume von dem bekannten Architekturbüro Gonzalez Haase, die spitz zulaufende Rezeption aus Marmor, die von oben an einen Drachenflieger erinnert, sowie die versetzt verlaufenden Wendeltreppen werden demnächst ganz sicher in einer Architekturzeitschrift auftauchen.

Das Entree der neuen Firmenzentrale.
Das Entree der neuen Firmenzentrale. (Foto: Clemens Poloczek/Aeyde)

Die Kollektion umfasst mittlerweile 180 verschiedene Modelle, die auch schon mal Prominente wie Taylor Swift, Margot Robbie oder Kendall Jenner tragen. 85 Prozent der Umsätze werden mittlerweile im Ausland gemacht, und während viele Luxusmarken unter der bereits erwähnten Luxusmüdigkeit leiden, wuchs Aeyde im vergangenen Jahr mal wieder zweistellig. Wo ständig über Berliner Design und die deutsche Modebranche gelästert wird – hier läuft es zur Abwechslung mal. Seit 2023 schreibt das Unternehmen schwarze Zahlen.

Als neue Marke direkt online zum Kunden verkaufen? Da war man in Deutschland mal wieder sehr skeptisch

Entstanden ist die Marke, weil Luisa Dames, damals Ende zwanzig, nicht die richtigen Schuhe fand. Designermodelle waren ihr zu teuer, andere Marken nicht gut genug verarbeitet. Das ist aber nur die halbe Geschichte. Denn sie und ihr Mitgründer arbeiteten damals im Einkauf bei Zalando in Berlin und sahen, wie rasant der Onlinehandel wuchs. Sie kriegten dadurch auch mit, dass neue Marken in Amerika, etwa Glossier, gar nicht mehr den Umweg über den klassischen Handel nahmen, sondern direkt mit einem eigenen Onlineshop starteten. „DTC“ nennt man das Konzept, Direct-to-Consumer, und in Deutschland war man natürlich höchst skeptisch.

„Ich weiß noch, wie viele uns damals gesagt haben: ‚Das funktioniert nie. Euch kennt doch noch niemand!‘“, erzählt Dames, deren astreinem Hochdeutsch man noch immer anhört, dass sie nicht aus Berlin, sondern aus Hannover stammt. Aber zumindest die ersten zwei Jahre konnten sie sich durch Onlinemarketing und Pop-up-Events gut über Wasser halten. Es sprach sich herum, dass diese Schuhe in Italien handgefertigt wurden, aber mit damals 300 bis 400 Euro einigermaßen bezahlbar waren. Das minimalistische Design kam ebenfalls gut an. Schlichte Ankleboots wie „Hedvig“ oder „Agata“ gehören bis heute zu den Bestsellern bei Aeyde. Und Direct-to-Consumer bedeutete eben auch: Keine Marge, die man an Zwischenhändler abgeben musste, direkter Draht zu den Kunden.

Ankleboots gehörten von Anfang an zu den Bestsellern der Marke.
Ankleboots gehörten von Anfang an zu den Bestsellern der Marke. (Foto: Aeyde)

„Wir konnten immer genau sehen, welche Modelle am besten funktionierten oder welche am häufigsten zurückgeschickt wurden“, sagt Dames. „Dann wussten wir, da stimmt vielleicht die Passform nicht, und konnten nachbessern.“ Diese Daten bekommt man von den Händlern meist nicht, niemand lässt sich gern in die Karten gucken.

40 Prozent des Umsatzes werden immer noch über den eigenen Onlinestore gemacht, aber um weiter zu wachsen und bekannter zu werden, mussten die Schuhe auch im stationären Handel anzuschauen und anzuprobieren sein. Mittlerweile ist Aeyde bei 130 Partnern weltweit vertreten, darunter Selfridges und Harrods in London, Le Bon Marché und das Luxuskaufhaus La Samaritaine in Paris, Kadewe in Berlin. Eigene Stores gibt es nicht. „Wir sehen Boutiquen und Departmentstores nicht zuletzt als Marketingmaßnahme“, sagt Dames. „Da geht es um Sichtbarkeit, Events, die richtige Positionierung.“ Oft müsse man allerdings sehr hartnäckig sein, um mit seinen Schuhen im gewünschten „Markenumfeld“ zu stehen.

Die 40-Jährige mit einem Hang zu locker hochgesteckten Haaren mag auf den ersten Blick wahnsinnig nett und umgänglich wirken, aber sie kann bei Verhandlungen härter sein, als viele vermuten, bestätigen die, die sie länger kennen. „Ich habe in den letzten Jahren so oft ‚Nein‘ gesagt wie noch nie in meinem Leben“, erklärt Dames. Nein zu unzähligen Kooperationen, nein zu Laufstegshows, nein zu Logos, nein zu Mitarbeitern, die leider doch nicht ins Team passten. Seit der Pandemie ist sie alleinige Inhaberin der Firma und „voll involviert“. „Ich suche sogar unsere Praktikanten noch selbst aus“, sagt sie.

Im nächsten Frühjahr sind „Sneakerinas“ angesagt

Dames hat Wirtschaft studiert und kennt sich entsprechend mit Zahlen aus, aber ihre größte Leidenschaft gehört mittlerweile dem Design. Das verantwortet sie logischerweise nicht allein, aber sie bringt ihre eigenen Ideen mit ein, nickt jedes neue Modell ab. Im nächsten Frühjahr werden die Modelle wieder spitzer. Die Absätze bleiben auf Kittenheel-Höhe und Aeyde bringt den ersten Sneaker heraus, der – wie bei Miu Miu oder Jimmy Choo – ehe eine Art Sneakerina ist. Ein schmal geschnittenes Schühchen mit flacher Sohle. Nicht nur, aber auch, weil die Chefin Turnschuhe bislang immer noch bei anderen Marken kaufen musste. Geht natürlich eigentlich gar nicht.

Frische Farben für die Sneaker im Frühjahr 2026.
Frische Farben für die Sneaker im Frühjahr 2026. (Foto: Aeyde)

Zu den aktuellen Bestsellern gehört „Uma“, ein Mary-Jane-Design aus Samt, das auch Gigi Hadid trägt, zum Preis von 295 Euro. Oder der Ankleboot „Sila“ aus Nappaleder mit Lackdetails und Kittenheel für 495 Euro. Auch Aeyde musste in den vergangenen Jahren die Preise etwas anheben. Ein Paar Schuhe inklusive Verpackung besteht aus ungefähr vierzig verschiedenen Teilen. In der Pandemie seien viele Zulieferer pleitegegangen, sagt Dames. „Das war eine regelrechte Zäsur.“ Die Übriggebliebenen diktierten nun die Preise, überall werde etwas aufgeschlagen. Hinzu kommen die Inflation und die Zölle in den USA, wo Aeyde besonders stark vertreten ist. Im Vergleich liegen sie preislich aber immer noch deutlich unter anderen Wettbewerbern.

Neben Schuhen sind mittlerweile auch Schmuck, Gürtel und ganz neu Handschuhe dazugekommen. Alles ähnlich zeitlos gestaltet, mit dem gleichen Qualitätsanspruch verarbeitet. Nur zu Handtaschen hat Dames bislang konsequent „Nein“ gesagt. „Und ich bin heilfroh“, sagt sie. Der Wettbewerb ist hier noch einmal härter, die Fertigung komplett anders. Man braucht eine prägnante Form, die noch keiner vor einem so gemacht hat. Vor der Pandemie seien sie einmal kurz davor gewesen, aber sie konzentrieren sich vorerst lieber auf das, was sie gut können, als auf das, was andere noch besser machen.

Korrekt spricht man den Markennamen übrigens nicht ɛˈiːdə, sondern ˈaɪ̯diː aus. Im Laden dürfte aber auch das Übliche: „den hier in Größe xy, bitte“ funktionieren.