Schneewittchen muss in Therapie – WELT

Schneewittchen lebt einsam, Aschenputtel leidet unter Feinstaub: Forscher haben in einer humorvollen Studie die Gesundheitsrisiken von Märchenfiguren untersucht. Um „glücklich bis ans Ende ihrer Tage“ zu leben, sind Therapien, Übungen und Schutzkleidung nötig.

Ihr Mund ist blutrot, die Haut weiß wie Schnee, sie hat Haare schwarz wie Ebenholz – die allermeisten kennen diese Sätze aus dem berühmten deutschen Märchen „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ der Brüder Grimm. Wohl auch, weil die Geschichte von Walt Disney verfilmt wurde. Am Ende wird die schöne Prinzessin zwar vom Prinzen gerettet, der sie wachküsst und so die Wirkung des vergifteten Apfels aufhebt. Doch gut geht es ihr ganz und gar nicht, was nur wenige zu wissen scheinen. Schneewittchen ist einsam.

Bevor sie sich bei den Zwergen im Wald vor der bösen Königin versteckt, verbringt sie die Tage größtenteils allein im Schloss. Sie hat kaum Freunde oder sozialen Austausch. Bei den Zwergen wird das nicht unbedingt besser, da die tagsüber arbeiten und sie allein den Haushalt verrichtet. Ihre Einsamkeit könne zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen führen, berichtet nun eine Forschungsgruppe in einer ganz besonderen Ausgabe des medizinischen Fachmagazins „British Medical Journal“, kurz „BMJ“.

Für das Weihnachtsheft reichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt lustige und skurrile Studien ein. Das niederländische Team um die Epidemiologin Sanne van Dijk von der Universität Twente in Enschede analysierte mehrere Disney-Prinzessinnen im Hinblick auf ihr körperliches und mentales Wohlbefinden, unter anderem Schneewittchen. Demenz zählt ebenfalls zu den Risikofaktoren ihrer Einsamkeit, schreiben die Forscher. Auch das Immunsystem der Prinzessinnen könnte dadurch aus dem Gleichgewicht geraten.

Weitere der bekannten Disney-Prinzessinnen leben ziemlich gefährlich und riskieren damit ihre Gesundheit. Frühere Studien thematisierten eher die Auswirkungen unrealistischer Schönheitsideale wie eine unnatürlich schmale Taille auf junge Menschen. Wie es aber um die Lunge oder Knochen der Filmheldinnen steht, das hat bislang niemanden interessiert.

Wie Schneewittchen leidet auch Jasmin aus dem Film „Aladin“ an sozialer Isolation. Und der einzige Freund, den sie hat, stellt ein erhebliches Risiko für ihre Gesundheit dar. Ihr Haustiger Rajah könnte zoonotischen Infektionen übertragen. Mal abgesehen davon ist es nicht unwahrscheinlich, dass das Raubtier sie angreift oder sogar umbringt.

Belle aus „Die Schöne und das Biest“ ist durch den engen Kontakt mit der Bestie ebenfalls lebensbedrohlichen Infektionskrankheiten wie Brucellose oder Tollwut ausgesetzt. Brucellose befällt vor allem Nutztiere wie Rinder, Schafe und Ziegen, aber auch Bisons oder Kamele. Die Krankheit ist auf den Menschen übertragbar und wird als Zoonose bezeichnet. Unbehandelt kann sie chronisch werden, die Organe schädigen. Würde Belle mit Tollwut nicht zum Arzt gehen, dann droht ihr der Tod.

Atemwegmaske gegen Chemie in Putzmitteln

Cinderella oder auch Aschenputtel hat ganz andere Probleme: Sie putzt viel, da sie sich um den Haushalt ihrer gemeinen Stiefmutter und Schwestern kümmern muss. Dadurch ist sie ständig Staub ausgesetzt, was zu einer Lungenerkrankung führen kann. Die Forscher empfehlen ihr, Schutzausrüstung wie einen langen Besenstiel zu verwenden oder den Boden mit Wasser zu besprühen, damit der Staub nicht hochwirbelt. Eine Atemwegmaske könnte zudem gegen die in den Reinigungsmitteln enthaltene Chemie helfen. Viele der Stoffe können Lungenkrebs verursachen.

Nicht gerade gesundheitsförderlich ist auch Pocahontas Sprung ins Wasser mit dem Kopf voran. Anhand der Flugzeit von neun Sekunden berechnete die Gruppe die Höhe der Klippe, von der Pocahontas in einer Szene so elegant herabgleitet. Mit Einberechnung der durchschnittlichen Größe und des Gewichts einer Frau sowie verschiedenen Umweltfaktoren wie der Erdbeschleunigung kamen sie zu dem Schluss: Die Häuptlingstochter hätte beim harten Aufprall höchstwahrscheinlich Knochenbrüche im Bereich des Schlüsselbeins davongetragen.

Andere Gefahren sind weniger offensichtlich, auch zu viel schlafen ist alles andere als gesund. So verfällt Aurora im Film „Maleficent“, auf Deutsch Dornröschen, in einen ewigen Schlaf, nachdem sie sich an der verzauberten Spindel den Finger sticht. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Übergewicht, Diabetes sowie ein Schlaganfall sind mögliche Folgen. Systematische Untersuchungen hätten gezeigt, dass längere Bettruhe mit einem erhöhten Risiko für Druckgeschwüre und Muskelschwund einhergeht, warnen die Forscher.

An Rapunzels meterlangem Zopf zieht sich bekanntlich der Prinz hoch, diese enorme Last führt wahrscheinlich zu Schäden an den Haarfollikeln. Langfristig könnten ihr somit die Haare ausfallen – und vermutlich leidet sie auch unter Kopfschmerzen.

Nur wie kann man die Prinzessinnen aus ihrer misslichen Lage befreien, damit sie nicht zur Krankheit verdammt sind? Die Forscher machen Vorschläge, wie das Medienunternehmen den Prinzessinnen helfen kann: „Disney muss Maßnahmen zur Bewältigung dieser gesundheitlichen Herausforderungen in Betracht ziehen, darunter Achtsamkeit und Psychotherapie, Schulungen zum Zusammenleben mit Tieren und persönliche Schutzmaßnahmen gegen Infektionserreger und toxische Partikel.“ Nur dann könnten Aschenputtel, Schneewittchen und Co. ein glückliches, gesundes Leben führen.