Schmitters Schnäppchen: RTL, dem Streaming-Himmel so nah?

Wenn der Himmel das Limit ist, wie es eine bekannte Redewendung besagt, dann ist RTL dem Ziel an diesem Freitag ein entscheidendes Stück nähergekommen. Mit der überraschenden Ankündigung, Sky Deutschland kaufen zu wollen, hat RTL Deutschland endgültig zu verstehen gegeben, wo man in Köln und Gütersloh die Zukunft sieht. Und zwar eher nicht im Printsegment, auch wenn man sich mit dem Stern und Geo immerhin noch zwei bekannte Marken leistet, die gedruckt am Kiosk ausliegen. 


Das große Geschäft wittern Thomas Rabe und Stephan Schmitter vielmehr im Entertainment, genauer gesagt im Wettbewerb mit den großen Streamern, denen man bald mit gebündelten Kräften begegnen will. Man könnte auch sagen: Sky statt Gala und Wow statt Brigitte.

Der Konjunktiv ist an dieser Stelle notwendig, weil es einmal mehr an den Wettbewerbshütern hängt, ob ob das Vorhaben in die Realität umgesetzt werden kann. Sicher ist das nicht, immerhin hat das Bundeskartellamt den linearen deutschen Fernsehmarkt in der Vergangenheit stets für sich betrachtet – ganz so, als gebe es den Wettbewerb mit YouTube, TikTok, Netflix und Amazon nicht. Diesen Weitblick aber wäre dringend nötig. Finden sie ihn nicht, wären es ausgerechnet die Wettbewerbshüter, die die Wettbewerbsfähigkeit im Medienbereich verhindern.

Für Stephan Schmitter ist die Sache indes klar. Von einer „einmaligen Gelegenheit“ spricht der RTL-Deutschland-CEO mit Blick auf den erhofften Deal – und hat damit wohl auch recht, schließlich würden RTL+, Sky und Wow gemeinsam mehr als elf Millionen zahlende Abonnentinnen und Abonnenten auf sich vereinen, womit man den US-Riesen bald tatsächlich einigermaßen auf Augenhöhe begegnen könnte. Einmalig ist die Gelegenheit aber wohl auch deshalb, weil Comcast den Kölnern seinen Pay-TV-Anbieter zum Schnäppchenpreis überlassen will – für weit weniger als die Milliarde, von der einmal vor über zwei Jahren die Rede war, als die Amerikaner erstmals beabsichtigten, Sky loszuwerden. Umso bemerkenswerter wird Schmitters Schnäppchen, wenn man sich vor Augen führt, dass Comcast vor gerade einmal sieben Jahren schlappe 38,8 Milliarden Dollar für Sky bezahlt hat – auch wenn die deutsche Dependance natürlich nur ein Teil davon ist,

Seit dem ersten Veräußerungsversuch ist einiges passiert, haben sich RTL und Sky in Form einer Kooperation bereits beschnuppert und erfolgreich angenähert. In Zukunft könnte RTL die programmlichen Synergien gewiss noch besser für sich nutzen. Mit den umfangreichen Bundesliga-Rechten, dem DFB-Pokal und der Formel 1, die RTL noch vor wenigen Jahren zerknirscht komplett dem Konkurrenten aus Unterföhring überlassen musste, wäre man fortan flexibler als bisher in der Lage, das Free-TV als Schaufenster für das Sport-Angebot hinter der Bezahlschranke einzusetzen. 

Nicht minder wichtig ist der technologische Aspekt: RTL und Sky sehen sich globalen Playern gegenüber, die in einer ganz anderen Größenordnung in Technik, gewissermaßen den Unterbau ihrer Plattformen, investieren können als es den deutschen Anbietern möglich ist. Wenn es die Überzeugung gibt, neben einem starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch vitale kommerzielle Angebote aus Deutschland etablieren zu wollen, braucht es also eine konkurrenzfähige Größe, um in Zukunft nicht ausschließlich Kreativität und Programm internationaler Plattformen zu importieren.

ProSiebenSat.1 plötzlich Einzelkämpfer

Ob für RTL Deutschland auf Dauer tatsächlich drei Pay-Marken Sinn ergeben, darf freilich bezweifelt werden. Ebenso wie die Tatsache, dass Sky seinen Hauptsitz im Süden behalten soll. Da stecken gewiss noch ungenutzte Synergien – und um zu erfahren, was Lippenbekenntnisse zum Erhalt von Marken und Standorten wert sind, muss sich die Sky-Belegschaft nur mal in Hamburg umhören, wo vom einstigen Glanz von Gruner + Jahr längst nicht mehr viel übrig ist.

Klar ist: Klappt der Sky-Deal, würde RTL die Machtverhältnisse auf dem deutschen Fernsehmarkt grundlegend neu ordnen. Plötzlich wirkte ProSiebenSat.1 – über Jahrzehnte der natürliche Hauptgegner – mit seinem Fokus auf beinahe ausschließliche Werbefinanzierung wie ein Einzelkämpfer, auch wenn man seit Jahren bei seinem Streamer Joyn fast schon mantraartig auf Partnerschaften zielt. Von der lange erhofften Partnerschaft mit RTL aber scheint ProSiebenSat.1 inzwischen weiter entfernt denn je. Auch ein möglicher Zusammenschluss, so er überhaupt umsetzbar gewesen wäre, ist nach Aussagen von Thomas Rabe nun vom Tisch. 


Nur allzu deutlich offenbart das jüngste RTL-Vorhaben, freilich auch eine Zukunftswette, somit die unterschiedlichen Strategien beider Häuser. Im Abogeschäft, dem Kosmos von Netflix & Co., in dem sich der Konkurrent aus Köln seit geraumer Zeit zunehmend bewegt, spielt Joyn jedenfalls – wenn auch aus Überzeugung – keine Rolle. Womöglich wäre der Kauf des Unterföhringer Nachbarn allerdings die letzte Chance für ProSiebenSat.1 gewesen, in diesem Wettbewerb doch noch einmal Fuß zu fassen. Die aber hat nun ausgerechnet RTL ergriffen. Wow.

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