Das Passauer Scharfrichterbeil kommt in dreifacher Ausführung daher, aber scharf und handgeschmiedet sind alle: das kleine, das sich wohl gut in der Küche zum Kräuterhacken einsetzen lässt, das mittlere und natürlich das große, das schon einigermaßen furchteinflößend daherkommt.
Im Scharfrichterhaus (oder seinem Vorgängergebäude) wohnte einst der Passauer Scharfrichter – und auch wenn heute zum Glück keine Köpfe mehr fallen, so soll und darf es durchaus scharf zugehen.„Wir träumen immer von einem Kabarett, das einen Inhalt hat“, sagt Walter Landshuter, Mitbegründer des Theaters im Scharfrichterhaus, zur Eröffnung des diesjährigen Wettstreits. Seit 1983 werden die Beile jährlich verliehen und haben sich als Nachwuchs-Kabarett- und Kleinkunst-Preis etabliert.
Matthias Egersdörfer, der 2007 gewonnen hat, ist als Moderator zurückgekehrt. Er kennt die Herausforderungen für die Kandidaten und Kandidatinnen, die je zwanzig Minuten Zeit haben, um Jury und Publikum von sich und ihrem Können zu überzeugen, und wohl auch ihr Level an Aufregung. Mit fränkischer Gelassenheit stellt er alle vor und schafft eine angenehm entspannte und humorvolle Atmosphäre. Da Mona Kospach leider kurzfristig erkrankt ist, treten in diesem Jahr nur fünf Teilnehmerinnen und Teilnehmer an: Mario Sacher, AnnPhie Fritz, Maxi Pongratz, Niko Nagl und das Duo Burloni, bestehend aus Valter Rado und Tim Schaller.
Musikalität und existenzielle Tiefe
Es ist kurz vor Mitternacht, als Matthias Egersdörfer nach der Jury-Sitzung verkündet, dass er um diese Uhrzeit eigentlich seit mindestens einer Stunde im Bett ist – und dass Maxi Pongratz das diesjährige große Scharfrichterbeil bekommt. Der 38-jährige Musiker aus Oberammergau hat alle überzeugt: Die Jury hat ihn einstimmig zum Sieger gekürt, und auch das Publikum hat ihn zu seinem Favoriten gewählt. Pongratz, der hier ohne seine Band Kofelgschroa als Solo-Künstler angetreten ist, ist sichtlich gerührt.
Pongratz erzählt in seinen Liedern davon, wie er als Stotterer gegen harte Konsonanten ankämpft oder wie so eine Kindheit in Oberammergau ist, wo Geißelungen und Kreuzigungen zum Kinderspiel werden. Die Jury hat er mit seiner Musikalität und existenziellen Tiefe überzeugt. Als Kind wollte er Jesus werden (wie wohl viele im Passionsspiel-Dorf), nun hat er seinen eigenen Weg gefunden und ist ganz bei sich. Er biedert sich nicht dem Zeitgeist an, was auch die Jury lobend hervorhebt, sondern blickt von sich in die Welt und gelangt zu einer melancholischen Poesie, die etwas tief innen berührt.

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„Da hat die Pest doch etwas Gutes hervorgebracht“, so Egersdörfer. Denn die Pest hat in Oberammergau einst zu jenem Gelübde geführt, das die Menschen dort bis heute alle zehn Jahre das Leiden Christi aufführen lässt. Und dieses ganz spezielle Umfeld aus Glaube und Aberglaube, aus Theaterpassion und auch -besessenheit lässt die Oberammergauer anders in die Welt schauen. Pongratz spielte schon bei drei Passionsspielen mit, das erste Mal 2000 als „israelisches Babykind“. Sowas prägt – und bringt immer wieder besondere Menschen hervor, die ihren eigenen künstlerischen Weg finden. Weil sie „das Theater im Kreuz haben“, wie Pongratz es formuliert. Als Zugabe singt er passend zur Stunde ein Lied von der Schlaflosigkeit.
Blutige Helden und das kleine Beil
Den zweiten Platz belegte AnnPhie Fritz, die in ihrem pastellfarbenen Einhorn-Pullover feministische Power auf die Bühne bringt, patriarchale Strukturen mit Witz und schauspielerischem Können umkehrt und entwaffnet. Themen, die komödiantisch scheinbar durchdrungen, aber leider längst nicht vom Tisch sind, greift sie mit neuer Frische auf und dringt zu ihrem Wesenskern durch. Wenn sie sich zum Beispiel in allen Details ausmalt, wie es wäre, wenn Männer jeden Monat menstruieren würden, ist das schon großes Theater auf der Kleinkunstbühne: Fritz stellt sich vor und spielt nach, wie sie leiden und sich feiern, welche Produkte und Erzählungen sie in die Welt tragen, wie sie sich zu blutigen Helden erheben.

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Mit dem kleinen Beil darf das Duo Burloni nach Hause fahren. Die beiden verzichten fast ganz auf Worte und erzählen doch viel. Mit Pantomime, Lautmalerei und jeder Menge Espressokannen stellen sie beispielsweise die Weihnachtsgeschichte nach oder wagen sich auf eine rasante Skiabfahrt samt Sprungschanze. Die Bandbreite des Gezeigten und Prämierten ist an diesem Abend groß. Und auch wenn das klassische politische Wort-Kabarett in diesem Jahr zumindest nicht im Vordergrund stand: Inhalte gab es viele. Der Traum von Walter Landshuter ist nicht ausgeträumt.
Maxi Pongratz tritt am 13. und 14. Januar 2026 im Volkstheater auf (Bühne 2), Karten unter Telefon 523 46 55
