Schwarzer Dreiviertelmantel, schwarze Handschuhe, der schwarze Schal bis über die Nase gezogen. Es war kaum zu erkennen, wer sich da kurz nach der Pause hinters Leverkusener Tor zum Aufwärmen begab. Auch dem aktiven Teil der Leverkusener Mannschaft drohte da ein Nachmittag im Inkognito, als Spitzenmannschaft, die das nicht so richtig zeigen kann. Doch nun war es Zeit, in der 58. Minute, beim Stand von 1:1 im Spiel bei Union Berlin, betrat der Leverkusener Mister X den Platz, und eine knappe Viertelstunde später schaufelte er den Ball von der halbrechten Seite in den Strafraum, wo Patrik Schick ihn mit der Brust über die Linie drückte – 2:1. Ob es ohne den Beitrag des eingewechselten Florian Wirtz auch zum Sieg gereicht hätte? „Er ist immer ein Game Changer“, sagte sein Trainer Xabi Alonso später über seinen Mann mit der Nummer 10.
Wie genau sein Plan mit ihm an diesem Nachmittag ausgesehen hatte, ob er eigentlich sogar länger auf ihn hätte verzichten wollen – Alonsos Antwort dazu blieb verrätselt. Klar ist: Einen Wirtz in Topform wird er brauchen, wenn es am Dienstag (20.45 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zum DFB-Pokal, in der ARD und bei Sky) zum Pokalspiel beim FC Bayern geht.
„Eine große Herausforderung, das schwierigste Spiel“, sagte Alonso über die Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte. Eine Reise aber, die Bayer mit dem Rückenwind des dritten Sieges binnen einer Woche antreten kann – und mit dem Wissen, dass es mit Schick und Wirtz ein Duo hat, das sich bestens versteht. Für Schick war es das sechste Tor aus den vergangenen vier Spielen, und Wirtz hat in den letzten drei Ligaspielen jeweils einen Treffer von Schick vorbereitet. Für Schick bedeutete der 48. Treffer im 100. Spiel für Bayern zugleich einen Klubrekord: Damit hat er bei dieser Marke einen mehr erzielt als Ulf Kirsten.
Union Berlin widerspenstig
Mit viel Arbeit und einem Schuss Brillanz: Für Leverkusen sprach am Samstag schon auch, wie es sich nach der frühen Führung durch Jeremie Frimpong in der 2. Minute und dem Ausgleich durch Woo-Yeong Jeong (29.) wieder in die Partie hineinschuftete. Ob das aber schon wieder das Meister-Bayer ist? „Wir kommen wieder in diese Qualität“, sagte Sportgeschäftsführer Simon Rolfes über die Rückkehr der Dominanz nach wankelmütigen Wochen.
„Wir sind ein starkes Team, und das werden wir auch am Dienstag zeigen.“ Allerdings wird sich auch zeigen müssen, ob die Leverkusener wirklich schon wieder so weit sind, wie es die jüngsten Ergebnisse soufflieren. Zwar war Union ein widerspenstiger Gegner, und Bayer das erste Team, das in dieser Saison drei Punkte aus der Alten Försterei entführte. Aber ein Herausforderer, der annähernd Bayern-Kaliber besitzt, war nicht unter den jüngsten Leverkusener Gegnern.
5:0 gegen Salzburg, 5:2 gegen Heidenheim – in jedem Fall hatten die Leverkusener in den vergangenen beiden Pflichtspielen mehr Tore erzielt, als Union in den versammelten elf Ligaspielen. Und sie wollten auch am Samstag nicht lange warten. Keine zwei Minuten waren vorbei, als Tah einen Ball tief in die Berliner Hälfte schlug, Grimaldo war schon losgesprintet, Vogt lief nur hinterher und war vollends ausgeschaltet, als Grimaldo quer auf Frimpong legte.
Es war zu Beginn nicht das einzige Mal, dass Unions Textur löchrig wirkte, immer wenn es in die Tiefe ging, verhieß das Gefahr. Aber das bekam das Team von Bo Svensson schnell und gut in den Griff. Nach einem eigenen Tor sah es dennoch nicht unbedingt aus. Doch dann schaltete Union auf der linken Seite in den Angriffsmodus. Nach einer Balleroberung an der Seitenlinie kam der Ball zu Benedict Hollerbach, der fuhr Riesenslalom durch die Bayer-Defensive, die Hereingabe erreichte, leicht abgefälscht, genau den Fuß von Jeong – 1:1.
Danach schien offen, in welche Richtung sich dieser Nachmittag entwickeln würde. Nach der Pause erhöhte Bayer zwar den Druck, doch auch Union witterte durchaus seine Möglichkeiten. Aber jemanden, der für einen besonderen Moment aus der Deckung kommen kann – den hatte Bayer exklusiv.